Studententheater wird auf die Straße gesetzt

Es sind noch nicht einmal drei Wochen vergangen, seitdem ich auf die angespannte Raumsituation des Greifswalder Studententheaters (Stuthe) aufmerksam machte. Inzwischen hat sich einiges getan, aber um gleich jeden Hoffnungsschimmer zu ersticken: Die Lage ist noch brenzliger geworden, Stuthe ist seit gestern existentiell bedroht.

Nur zweieinhalb Jahre Halbwertzeit

Seit dem 11. Dezember ist es amtlich: Das Studententheater muss bis zum 4. Januar 2010 die erst seit dem Frühjahr 2007 genutzten Räume in der Soldmannstraße 23 verlassen. Damit verlieren die Studierenden nach der Bahnhofstraße 50, der Makarenkostraße (Kiste) und der Stralsunder Straße 10 bereits die vierte Wirkungsstätte durch universitäre Umstrukturierungen binnen kurzer Zeit. Die Halbwertzeit einer Spielstätte beträgt bei Stuthe nur noch etwa zweieinhalb Jahre, doch dieses Mal ist der Umzug alternativlos.

Kurz- und mittelfristige Lösungen zur Raumfrage wurden zwar zusammen mit der universitären Verwaltung regelmäßig nach einem Auszug gesucht, eine finale und planungssichere Heimstatt für die Zukunft konnte dabei bisher allerdings noch nicht gefunden werden. Jeder Umzug der vergangenen Jahre bedeutete für Stuthe nicht nur einen enormen mehrmonatigen Kraftakt,  sondern vor allem die Verhinderung von dem, was die Studierenden am besten können: Theater spielen.

Verpasste Chance: Das Kulturhof-Konzept

Dabei lag ein umfangreiches Konzept zur Nutzung der Soldmannstraße vor. Neben Stuthe wären auch für andere studentische Gruppen räumliche Möglichkeiten geschaffen worden. So hätten zum Beispiel GrIStuF und radio98eins in den sogenannten Kulturhof ziehen können. Ein Café und ein Programmkino hätten den soziokulturellen Radius des Projektes vergrößert, gleichzeitig wäre sowohl Wohnraum für Studierende als auch Bürofläche für junge Unternehmen geschaffen worden. Die Pläne reichten bis zur Etablierung eines alternativen Kleinhandels für Lebensmittel aus der Region.

Mit mindestens fünf festen Gruppen, über 60 Mitgliedern und mehr als 15 Projekten im In- und Ausland hat sich das Studententheater in den vergangenen Jahren zu einem der aktivsten Vereine der Greifswalder Hochschulkultur entwickelt. Diese Arbeit und vor allem diese Potentiale sind jetzt akut bedroht. Gestern wurde in der Soldmannstraße die Dernière des Kuss des Vergessens gefeiert und die Spielstätte damit verabschiedet. Es wird die letzte Theateraufführung in dem Universitätsgebäude gewesen sein. Zwar positionierte sich bereits im Mai 2007 der Senat: „Der Senat der Ernst-Moritz-Arndt-Universität bekennt sich zum StudentenTheater (StuThe) und unterstützt dessen Erhalt zur Wahrung der kulturellen Vielfalt innerhalb der Universität und der Stadt.“

Doch mit dem Erhalt des Studententheaters sieht es inzwischen schwierig aus. Der Verein braucht viel Platz. Neben einer Spielstätte besteht die Notwendigkeit von räumlichen Kapazitäten für Technik und den umfangreichen Fundus. Es wird Raum zum Proben gebraucht, doch der Wille zum Theater seitens der Verwaltung fehlt.

Leistungen des Theaters werden nicht gewürdigt

stuthe-im-landesmuseumDie Anerkennung der Leistungen für die Universität, die von Stuthe erbracht werden, bleibt aus. Dabei gab es langjährige Kooperationen im akademischen Betrieb, sei es die Patientensimulation mit dem Institut für medizinische Psychologie, die Zusammenarbeit mit dem Caspar-David-Friedrich-Institut, mit dem Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaften oder die gemeinsame Arbeit mit dem Interdisziplinären Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung (IZFG).

Stuthe ist ein produktiver und phantasievoller Akteur der Greifswalder Hochschulkultur. Regelmäßige Workshops, die Involvierung in internationale Theaterbegegnungen und die inzwischen unzähligen Aufführungen verschiedenster Inszenierungen zeugen davon. Findet sich nicht schnell eine Alternativlösung, wird der Auszug den Verlust des Studententheaters, wie wir es heute kennen, bedeuten.

Tradition des kulturellen Rückbaus

Das Schicksal der jungen Schauspieler und Schauspielerinnen steht bedauerlicherweise in der traurigen Greifswalder Tradition des kulturellen Rückbaus. Erst vor knapp drei Wochen wurde das ehemalige AJZ/Café Quarks abgerissen. Das besetzte Haus war ein prägender Kulturraum und stand nach der Räumung zehn Jahre leer. Damals wurde es mit einem Trauerzug durch die Stadt verabschiedet.

Im Frühjahr 2007 räumten verschiedene Vereine, Gruppen und Mieter die Stralsunder Straße 10 und verloren ihr Domizil an eine Immobilienfirma, die profitorientertes Wohnen umsetzen will. Der denkmalgeschützte Status des Hauses ist dabei nachrangig. Die Straze beheimatete damals auch das Studententheater, bot die notwendigen Räumlichkeiten und einen wunderbaren Saal. Damals wurde auch für dieses Haus – ähnlich wie beim Café Quarks – ein Trauerzug durchgeführt.

Ein Haus geht auf die Straße

stralsunder strasse greifswald

Unterdessen hat die Bürgerinitiative zu einer Kundgebung eingeladen. Am kommenden Montag, dem 14. Dezember, wird dort um genau 16.30 Uhr eine Art Demonstration stattfinden. Die Greifswalder Bürgerschaft tagt ebenfalls am Montag und die Straze wird dort Thema sein. Ein Haus geht auf die Straße!

Wer dem Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege, den Mitgliedern der Greifswalder Bürgerschaft, den lokalen Medien, dem Hauseigentümer Petruswerk, dem Oberbürgermeister Arthur König (CDU) und seinen Stellvertretern eine E-Mail schicken möchte, um darin seine Bedenken bezüglich eines drohenden Abrisses mitzuteilen, kann dafür jetzt das praktische Formular verwenden, dass im Internet bereitgestellt wird und den Prozess des Einwands stark erleichtert. Ein überfülltes Postfach kann ja bekanntlich ganz schön nerven.

Für die Universität könnte es peinlich werden, wenn der Fall des Studententheaters größere Bekanntheit erreicht. Angeblich werden GTV und der NDR darüber berichten. Seit gestern Abend kursieren Unterschriftenlisten für den Erhalt von Stuthe, einige Aktionen sind geplant. Die für übermorgen angedachte Kundgebung in der Stralsunder Straße wird zwar sicher keine Montagsdemonstration werden, aber die Aktivisten der BI Straze werden überraschende Unterstützung erhalten und Stuthe wird hoffentlich auch in Zukunft das tun, was es am besten kann: Theater spielen.

8 Gedanken zu „Studententheater wird auf die Straße gesetzt

  1. seit dem letzten rauswurf 2007 haben wir alle demokratischen gremien der uni bemüht und viel zuspruch erhalten. auch von seiten des kanzleramtes gab es klare zusagen in richtung partnerschaftlichen umgangs und gemeinsamen bemühens um stabile arbeitsbedingungen für das studentenTheater.

    es tut weh zu spüren, wie leicht sich all das wegwischen lässt, wenn es mal gerade nicht passt. es fragt sich auch, zu welchen mitteln wir in zukunft greifen müssen, um nicht auch noch ein fünftes, sechstes, siebentes mal wie dumme schuljungen vor die tür gesetzt zu werden…

    theater reinigt die seele. wortbruch tut das nicht. ich bin sauer.

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