Peinlich: OZ kopiert bei Wikipedia *Update*

Die in der Ostsee-Zeitung kommunizierte Handlungsmaßgabe des neuen Leiters der Greifswalder Lokalredaktion, Benjamin Fischer, ist eigentlich eindeutig. Er solle „die Umstrukturierung der Redaktion und die Online-Aktivitäten weiter voranbringen“.

ostsee-zeitung

In der gestrigen Ausgabe erschien ein von Redakteur Gerald Kleine Wördemann geschriebener unterzeichneter Artikel über Mixed Martial Arts. Ich beschäftige mich schon seit einigen Tagen mit dem Thema, daher kam mir der Text aus der nebenstehenden Infobox ungewohnt vertraut vor. Wenige Stunden später twitterte kaiderChef dann auch die im Artikel nicht angegebene Quelle, aus der großzügig kopiert wurde.

WÖRDEMANN GOES HEGEMANN

Wördemann Die Greifswalder Lokalredaktion übernahm für den Infokasten unverändert ganze Sätze aus der freien Online-Enzyklopädie Wikipedia. Die übernommenen Passagen habe ich – der Anschaulichkeit wegen – rot eingefärbt.

HINTERGRUND

wikipedia

Mixed Martial Arts (zu deutsch „Gemischte Kampfkünste“) oder kurz MMA ist eine eigenständige, relativ moderne Art des Vollkontakt-Wettkampfes. Die Wurzel dieses Sportes ist das Pankration im Griechenland zur Zeit der ersten Olympischen Spiele.
In Deutschland wurden die ersten MMA-Kämpfe Anfang der 90er-Jahre als sogenannte Mix-Fight-Galas organisiert. Dabei werden verschiedene Kampfstile ausgetragen, beispielsweise drei Boxkämpfe gefolgt von drei Kickboxkämpfen und dazwischen drei MMA-Auseinandersetzungen.
Die Sportart steht oft in der Kritik, weil die Kämpfe auch am Boden noch weitergeführt werden können. Studien aus den USA zufolge ist das Verletzungsrisiko bei MMA nicht höher als bei konventionellen Box-Kämpfen.

(Ostsee Zeitung, 05.03.2010)

Hier wird nicht nur abgeschrieben und kopiert, sondern auch noch desinformiert. Wenn ich schon Wikipedia zu Recherchezwecken nutze, dann bitte mit Quellenangabe und korrekter Wiedergabe der übernommenen Informationen, beispielsweise handelt es sich bei den falsch übernommenen „Studien aus den USA“ nur um eine einzige Studie.

Hätte Wördemann die Redaktion nicht für einen Zeitungsartikel, sondern für eine universitäre Hausarbeit plagiiert, hätte er sie übrigens entsprechende Konsequenzen, vom endgültigen Nichtbestehen bis hin zur Exmatrikulation, riskiert.

FRAGLICHE ANGABEN ALS WAHRHEIT VERKAUFT

Der Wikipedia-Artikel zu den Mixed Martial Arts wurde von mehreren Nutzern editiert. Er trägt die Kennzeichnung

Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (bspw. Einzelnachweisen) ausgestattet. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf bitte der Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und gute Belege einfügst. Bitte entferne zuletzt diese Warnmarkierung.

und sollte deswegen mit besonderer Vorsicht genossen werden. Wer hingegen die Wiki-Schnipsel in der Ostsee-Zeitung liest, nimmt das Geschriebene womöglich für bare Münze.

plagiat

Ob man im Rostocker Verlagshaus mit dem „Voranbringen der Online-Aktivitäten“ wirklich meinte, Teil einer Copy&Paste-Kultur im Hegemannschen Sinn werden zu wollen, bleibt zu bezweifeln. Peinlich ist es für eine Redaktion allemal. Darüberhinaus blieben im Artikel die in meinen Augen spannenden Fragen ungestellt.

In den nächsten Tagen wird zum selben Thema auch ein Beitrag auf dem Fleischervorstadt-Blog erscheinen. Zum Wikipedia-Plagiat äußerte sich ebenfalls Ulrich Meyke auf seinem kritischen Ostsee-Zeitung-Blog.

(Bild: Universität Wien)

*Update* 21.10.2010

Gerald Kleine Wördemann bat mich, diesen Beitrag zu löschen, da die Google-Suche nach seinem Namen zuerst auf diese Seite führt. Aus Gründen der Glaubwürdigkeit komme ich dieser Bitte nicht nach, mache aber nochmal ausdrücklich auf seinen Kommentar unter diesem Beitrag aufmerksam, in dem er darauf hinweist, dass nicht er, sondern die Greifswalder Lokalredaktion bei Wikipedia abgeschrieben hätte:

Oh, da haben Sie uns wohl offenbar auf dem falschen Fuß erwischt. Zu meiner Verteidigung möchte ich noch erwähnen, dass der beanstandete Hintergrund-Kasten überhaupt nicht von mir ist. Ursprünglich war der Artikel für einen anderen Zeitungsteil vorgesehen. Der Text wurde dann aber nur in Greifswald gedruckt und dabei entstand wohl auch der Kasten, der letztlich nur ein zusätzliches, erklärendes Element zum Haupttext ist.

24 Gedanken zu „Peinlich: OZ kopiert bei Wikipedia *Update*

  1. „Peinlich: OZ kopiert bei Wikipedia“
    Das ist an sich nicht peinlich. Aber nicht nur peinlich, sondern unentschuldbar ist und ein journalistisches Versagen, dass die Quelle nicht angegeben wurde. Ein bildliches Schmücken mit fremden Federn ist es sowieso.
    Hinzu kommt, dass in beliebter „journalistisch verkürzter Verknappung“ (so drückte sich einst schriftlich eine Mitarbeiterin des Deutschen Presserates aus) die entscheidende Einschränkung unterblieb und auch noch Einzahl und Mehrzahl verwechselt wurden.

    Wer irgendetwas aus der OZ für bare Münze nimmt, muss Bunkerbewohner sein, der von allen elektronischen Informationsquellen abgeschnitten ist. Er verdient unser Mitgefühl.

  2. „Wördemann goes Hegemann“ – großartig Jockel!!! 🙂
    Im übrigen ist dieses Pride- Fighting tatsächlich ein interessantes aber irgendwie gruseliges Phänomen! Wieso beschäftigst du dich schon „seit einigen Tagen“ damit? Ist demnächst so ne Veranstaltung für geistig minderbemittelte Möchtegern- Männer in Greifswald anberaumt?

  3. @zorro:

    Genauso ist es, mehr dazu am Montag. Als „geistig minderbemittelte Möchtegern-Männer“ würde ich aber trotzdem nicht alle Anhänger und Aktive des sogenannten Sports bezeichnen.

  4. Inwieweit Wördemanns rationalisierte Arbeitsweise in den Verantwortungsbereich Fischers fällt, kann ich nicht einschätzen. Vielleicht weiß jemand von Euch da bescheid, denn normalerweise schreibt Wördemann doch auch nicht für Greifswald, oder?

  5. Also die Anhänger des Sports würde ich schon in der Ecke der Kerle verorten, den einer abgeht, wenn da gekloppt wird. Da ist es mit überkommenen Geschlechterbildern leider nicht mehr weit. Die Aktiven…naja, Sportler eben, die ihre Belastungsgrenze mal anderweitig ansteuern wollen. Ich respektiere das durchaus, hab auch Freunde, die regelmäßig Pride- Fighting gucken und auch ich kann mich einer gewissen Faszination nicht erwehren. Aber ich weiß auch, dass ich mich mit meinen gesellschaftlichen Ansprüchen und Vorstellungen von MMA- Fans jetzt nicht so unbedingt verstanden fühlen würde.
    Übrigens sterben insgesamt mehr Menschen beim normalen Boxsport als bei Pride!

  6. Das ist gängige Praxis bei der OZ. Der frühere Chefredakteur hatte vor einiger Zeit mal einen riesigen Hintergrundbericht über BAK Berlin, als diese hier spielten. War komplett aus der Wikipedia übernommen und wurde damals im Fußballforum diskutiert.

    Letztlich macht sich eine Lokalzeitung damit überflüssig, wenn nur noch im Netz „recherchiert“ wird. Das kann ich selbst.

  7. Im kleinen gibts Kopien aus Wikipedia auch in renommierten Zeitungen – so sieht man heute in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung ein Bild zum Axolotl und wenn man drauf klickt dann findet man folgenden Text:
    „Frei übersetzt bedeutet „Axolotl“ soviel wie „Wassermonstrum“. Die Azteken sahen in dem Schwanzlurch ein heiliges Tier, und dennoch war er bei Festessen ein häufiger Leckerbissen. Normalerweise sind Axolotl in Seen des vulkanischen Beckens bei Mexiko-Stadt beheimatet. Dieser kleiner Kerl hingegen lebt im Aquarium von Taipeh und ist zudem noch etwas Besonderes: ein Albino.“

    Und was findet man u.a. bei Wikipedia zu dem Tierchen?:
    “ Axolotl in der mittelamerikanischen Kultur
    Der Axolotl wurde von den mittelamerikanischen Ureinwohnern gefischt und als Delikatesse angesehen. Die Azteken sahen in ihm ein heiliges Tier, und dennoch war er bei Festessen ein häufiger Leckerbissen.“

    Der letzte Satz wurde auch wortwörtlich ohne Quellenangabe übernommen, die OZ befindet sich also in guter Gesellschaft 😉

  8. Hallo namenlose/r Blogger/in,

    oh, da haben Sie uns wohl offenbar auf dem falschen Fuß erwischt. Zu meiner Verteidigung möchte ich noch erwähnen, dass der beanstandete Hintergrund-Kasten überhaupt nicht von mir ist. Ursprünglich war der Artikel für einen anderen Zeitungsteil vorgesehen. Der Text wurde dann aber nur in Greifswald gedruckt und dabei entstand wohl auch der Kasten, der letztlich nur ein zusätzliches, erklärendes Element zum Haupttext ist.

    Ungeniertes Wikipedia-Abschreiben ist bei uns aber auch für solche Stücke nicht üblich, auch wenn hier manche anderes zu wissen glauben. Wichtigste Recherchemittel sind immer noch das Telefon und die eigenen Augen und Ohren, deswegen bin ich ja auch zu den MMA-Leuten nach Greifswald gefahren.

    Bestünde die Zeitung nur aus geklauten Textbausteinen aus dem Internet oder woher auch immer, wäre sie langweilig und überflüssig, wie Herr Meynke bereits treffend anmerkte. (Übrigens finde ich bemerkenswert, dass er trotzdem immer noch so ein treuer OZ-Leser ist, obwohl er gerade das glaubt).

    Ich finde es übringes nett, dass Sie mich mit der jungen und erfolgreichen Frau Hegemann vergleichen, da fühlt sich das Reporterherz doch gleich ein wenig aufgewertet.

    Grüße aus Rostock,
    Gerald Kleine Wördemann

  9. @Gerald Kleine Wördemann

    „Bestünde die Zeitung nur aus geklauten Textbausteinen aus dem Internet oder woher auch immer, wäre sie langweilig und überflüssig, wie Herr Meynke bereits treffend anmerkte. (Übrigens finde ich bemerkenswert, dass er trotzdem immer noch so ein treuer OZ-Leser ist, obwohl er gerade das glaubt).“

    1. Niemand hat behauptet, die Zeitung bestünde nur aus geklauten Textbausteinen, wo auch immer entnommen. Das ist Kammschererei, wie sie in der OZ üblich ist (http://ostsee-zeitung-blog.blogspot.com/search/label/Kammscherer). Richtig ist, dass wesentliche Teile des Mantels woher auch immer stammen (zumeist von Agenturen gekauft), nur eben nicht von OZ-Reportern. Im Internet geklaut wurde mehrfach, besonders deutlich wurde es, als Falsches geklaut wurde, hier nachzulesen:
    http://ostsee-zeitung-blog.blogspot.com/2007/08/oz-dichtet-russen-us-bomber.html
    Dass die Masse an Material der OZ kopiert, evtl. noch gekürzt und mit einer Schlagzeile versehen, wird, ist wissenschaftlich belegt:
    http://www.djv-mv.de/download/Vereinheitlichung_statt_Vielfalt_Projektbericht.pdf

    Dort ist nachzulesen:
    „Die journalistische Eigenleistung
    Befund 5: fehlende Quellenangaben, hoher Anteil an Agenturen“
    Elf Prozent der Beiträge waren ohne Quellenangabe.
    Nur jeder 4. Beitrag war eine Eigenleistung.

    Allein daraus lässt sich ableiten, dass die OZ langweilig und überflüssig ist und dafür auch noch Geld verlangt. Die Qualität von Eigenbeiträgen kann in meinem Blog nachgelesen werden. Der Niedergang ist unverkennbar und wird mit beträchtlicher Ausdauer betrieben.

    2. Ob, und wenn was, daran bemerkenswert ist, dass ich die OZ lese, ist mir piepe. Wichtig ist, dass das Blog bemerkt wird, leider zu wenig, aber sogar von einzelnen OZ-Redakteuren. Doch für die Redakteure trage ich schon lange nicht mehr ein, weil es sinnlos ist, sondern für die Leser. Häufig erhalte ich Dank dafür, dass ich auf Unsinn, Falsches, Unausgewogenes, Vernebeltes, Propagandistisches … und auf Verstöße gegen den Pressekodex hinweise. Außerdem erhalte ich Hinweise aufmerksamer OZ-Leser.
    Im Übrigen ist mein Blog ein Tagebuch des Niederganges einer Tageszeitung geworden (was 2005 nicht absehbar war), außerdem Teil des Materials mehrerer studentischer Abschlussarbeiten.
    Das alles, meine treuen Leser eingeschlossen, entschädigt für tägliche Langeweile, die mir das Blatt bereitet.

    3. Mein Nachname ist Meyke.

    4. Obwohl es mich nichts angeht: Wer es als Aufwertung begreift, mit der hochgeschriebenen Kopistin Hegemann verglichen zu werden, nunja, eben OZ-Niveau.

  10. Unabhängig vom Plagiat geht bei der Hegemann aber sprachlich einiges. Und Intertextualität finde ich sehr spannend, schönes Beispiel Irmgard Keun „Das kunstseidene Mädchen“. Dort finden z.b. auch Schlager Einzug (Hegemann klaute bzw. ‚verwies‘ zum beispiel auf die Band Archive).

  11. Nee, wir müssen das anders aufziehen. Ich sollte vielleicht mal mit Suhrkamp Kontakt aufnehmen und denen ein Manuskript schicken, das eine verblüffende Ähnlichkeit mit Sturmfeld aufweist. Wenn die mich verlegen, klagst du und in brüderlicher Umarmung findest du dich auch bald im renomierten Verlag wieder. Wir sind dann beide aus dem Schneider!

  12. Ich lese Geldgier daraus.
    Außerdem ist der Handel nun weltweit bekannt.
    Auch brauche ich keinen renommierten Verlag.
    Ich verschenke meine Ideen; ich bin so.
    Bloß bist du dann immer noch nicht aus dem Schneider.

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