Im Gespräch mit der Kabutze-Gruppe

Am kommenden Wochenende wird mit der Kabutze Greifswalds erste offene Nähwerkstatt eingeweiht. Ein guter Grund, sich vorab mit dem betreibenden Kollektiv zu treffen und über Idee, Finanzierung, Netzwerke, Mitmach-Potentiale und die Eröffnungsfeier der Mitnähzentrale zu plaudern.

Kleine Bastelstube mit politischem Anspruch

FLV: Ihr habt die Idee einer Nähwerkstatt irgendwo aufgenommen oder entwickelt. Wie kam es dazu, lässt sich das rekapitulieren?

K: Wir haben uns im Herbst zusammengefunden, aber eine von uns hatte die Idee schon seit 2007 und hat dann überall Nähwerkstätten gefunden: in Zürich, in Berlin oder in Freiburg. Das waren alles so Design-Cafés, immer mit kommerziellem Hintergrund. Wir hatten die Idee, etwas unkommerzielles zu machen, etwas offenes, wo die Leute hinkommen können und einfach Lust aufs Nähen bekommen.

Dann hat sich das verdichtet, wir haben geguckt, was wir machen wollen und worauf wir unser Augenmerk legen. Wir sind nicht nur eine kleine Bastelstube, sondern entwickeln auch einen politischen Anspruch dahinter.

Kabutze

FLV: Fangen wir mal weiter vorne an. Ihr habt Euch gefunden, habt gesagt, wir machen jetzt eine Nähwerkstatt und seid dann zu eurem jetzigen Vermieter, der WVG gegangen, um nach einem geeigneten Objekt zu fragen?

Wir haben immer Ausschau nach freien Ladenräumen gehalten, weil uns klar war, dass wir das gerne in der Innenstadt haben wollten, so dass die Leute, wenn sie daran vorbeigehen, sehen, dass da Leute sind, die nähen und vielleicht Lust bekommen, auch mal hinzugehen. Wichtig war, dass es zentral ist, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen.

Wir haben überlegt, ob wir das Projekt im IKUWO oder im KLEX integrieren könnten, aber wir fanden es cooler, einen neuen Raum zu schaffen, etwas komplett eigenständiges, das noch nicht so vorbesetzt ist. Auch um ein größeres Spektrum an Personen, die herkommen, ansprechen zu können, so dass zum Beispiel auch die 14jährige Teenagerin, die gerade total frustriert von H&M kommt und sagt: „das gefällt mir alles nicht, ich habe keinen Bock da drauf, ich will gerne mein eigenes Zeug machen“ kommen und sich sozusagen auch selbst etwas schaffen kann. Oder dass irgendwer, der oder die zum Beispiel im Ruhestand ist und früher selbst mal genäht hat, sagen kann: „Ich finde toll, dass ihr das macht. Ich komme gerne her und helfe euch, weil ich ein bisschen mehr Wissen habe als ihr“, um das weiterzugeben, auch an jüngere Generationen.

Miteinander und kreativ Recyclen, Reparieren und Aufpeppen

FLV: Dieser Wissenstransfer, wie läuft der in der Praxis ab? Noch sieht es hier relativ unbestimmt aus. Sind hier dann Arbeitsplätze, oder wie kann man sich das vorstellen?

Wir sind hier, können nähen und den Leuten erklären, wie sie mit den Maschinen umgehen. Wir haben unterschiedliche da. Leute, die damit vielleicht erst wenig Kontakt hatten, können zum Beispiel ausprobieren, wie eine Tretnähmaschine funktioniert und dass das anders ist als zum Beispiel eine elektrische.

Kabutze Nähmaschine

FLV: Tretmaschinen, sind das zum Beispiel diese alten Singer-Modelle, bei denen man die Maschine über einen Keilriemen mit den Füßen antreibt?

Genau, damit man erstmal eine Vorstellung dieser alten Nähmöglichkeiten kriegt, dass es dort zum Beispiel nur gerade Linien gibt und nichts anderes. Dann haben wir aber auch Hausnäh- und Overlock-Maschinen, um Sachen richtig zu verketteln. Wir können Wissen vermitteln, es soll aber auch während der Öffnungszeiten ein Untereinander sein, so dass mehrere Leute da sind, die sich auch gegenseitig verschiedene Dinge beibringen können. Wir verstehen uns nicht als Dienstleister, sondern die Leute sollen sich austauschen, es soll Kommunikation stattfinden.

FLV: Wieviele Maschinen habt ihr jetzt eigentlich?

Acht.

FLV: Und die habt ihr euch irgendwie zusammengesammelt?

Ja genau und drei haben wir gekauft, unter anderem die Overlock-Maschine.

FLV: Die Nähwerkstatt ist ja dann zweimal die Woche geöffnet, montags und mittwochs. Dazu gibt es aber auch noch Workshops mit verschiedenen Leiterinnen, wie sich auf eurer Website lesen lässt. Das sind dann thematische Ganztagesveranstaltungen. Wer macht die?

Am Anfang haben wir Leute gesucht, die wir schon irgendwie kannten oder durch das Projekt kennengelernt haben. Das sind Menschen, die zum Beispiel Schneiderinnen sind oder damit Erfahrungen haben. Einige haben sich auch bei uns gemeldet und angeboten, dass sie Workshops machen könnten.

Kabutze in Greifswald

Flachs zu Gold spinnen — die Finanzierung

FLV: Wenn ich mich mit anderen über Kabutze unterhalte, dann ist es die Finanzierungsfrage, die allen unter den Nägeln brennt.

Wir haben für das Projekt eine Mischfinanzierung vorgesehen und stehen auf verschiedenen Beinen. Das eine ist stiftungsbezogen, wir haben zwei Stiftungen, die uns unterstützen. Deren Förderung ist geknüpft an gewisse umweltpolitische Veranstaltungen, die wir hier durchführen. Die konkreten Themen stehen uns dabei frei.

Daneben stützen wir uns auf Spenden der Nähöffnungszeiten. Die Leute kommen her und schätzen selbst ein, wieviel ihnen diese Nähstunde wert ist. Das kann von 2,3,4 bis zu 10 Euro gehen und jeder kann das für sich selbst einschätzen. Und dann gibt es noch die Idee der Kabutzenträger, das ist so etwas wie eine Unterstützungsmitgliedschaft. Menschen, die das Projekt für gut befinden, können zum Beispiel jeden Monat 5-10 Euro beisteuern. An anderen Dingen wie klassischem Sponsoring arbeiten wir noch. Für gespendete Stoffe, Reißverschlüsse, Spiegel oder Nähmaschinen sind wir immer sehr dankbar.

FLV: Welche beiden Stiftungen sind das, die euch fördern?

Das ist die Norddeutsche Stiftung für Umwelt und Entwicklung, die unsere Idee gut fand und die ein wunderbar breites Spektrum hat, in das wir gut hineinpassen, und die Stiftung Mitarbeit, die uns eine Startfinanzierung gegeben hat.

Chancen zur Existenzsicherung verpasst?

FLV: Ich als alter Greifswalder, der natürlich immer das Bekenntnis zur Stadt abzuliefern versucht und auch von anderen einfordert, was nicht zuletzt auch eine ökonomische Sache ist, stelle mir die ganze Zeit eine völlig andere Frage, nämlich nicht die nach der Finanzierbarkeit dieses Projektes, die ich als wirklich realistisch einschätze, sondern vielmehr nach dem Schaffen von Perspektiven zum Hierbleiben. Eure unkommerzielle Fokussierung hat mich ein bisschen verstört, weil ihr offensichtlich nicht versucht, das Projekt mit halbexistenzsichernden Ideen zu verknüpfen, um vielleicht auch ein oder zwei Leute damit satt zu kriegen. Ihr habt euch ja offensichtlich ganz bewusst dafür beziehungsweise dagegen entschieden, oder nicht?

Wir haben schon jetzt gemerkt, dass wir uns in ein gewissen Kulturnetz einbetten. Wir haben versucht, mit dieser Idee eine Nische auszugestalten, aber wir wollen auch nicht andere verdrängen, in diesem Zusammenhang sind zum Beispiel die Kunstwerkstätten zu nennen. Die haben eine ähnliche Richtung, indem sie speziell Kindern und Jugendlichen Handwerk und Kunsthandwerk beizubringen versuchen. Dort wird auch genäht. Und dann gibt es auch Unternehmer und Unternehmerinnen im Raum Greifswald, die mit dem Nähen ihr Geld verdienen.

Die Frage ist, wie wir uns da einbetten. Wir haben die Idee, Kabutze erstmal als gemeinnütziges Projekt zu starten, als offene Werkstatt und Veranstaltungsraum sozusagen. Mit einer kommerzielleren Ausrichtung müssten wir das ganze Projekt anders aufziehen. Zum Beispiel hätten wir den Laden von der WVG sicher nicht zu den jetzigen Konditionen bekommen. Das wären andere Dimensionen, die man dann plötzlich bedenken müsste.

Kabutze Greifswald

FLV: Gerade wenn man irgendwie in einem Kulturnetzwerk eingebettet ist, könnte man doch überlegen, von dort aus hinaus und auch wierderum hinein wirksam zu sein und vielleicht darüber Einnahmen zu generieren.

Ja, wir haben viel darüber nachgedacht, wie wir mit anderen zusammenarbeiten, Kooperationen starten, zum Beispiel mit dem Studententheater. Die Kunstwerkstätten haben die Idee ins Spiel gebracht, dass wir zum Beispiel ein Angebot für Kindergeburtstage erstellen, um mit einem kindgerechten Nähprogramm unterwegs zu sein.

FLV: Es sind überwiegend Frauen, die sich für das Nähen interessieren, oder? Ein Hobby mit Gender Gap?

Anfangs hatten wir auch ein paar Männer in der Gruppe, inzwischen sind aber die meisten aus zeitlichen Gründen ausgeschieden. Es wäre gut, wenn das aufgebrochen werden würde. Vielleicht können wir versuchen, deswegen auch ganz bewusst männliche Workshop-Leiter zu gewinnen.

Nach der Eröffnung machen wir regelmäßig weiter und haben neben den Öffnungszeiten auch an jedem zweiten Montag um 19 Uhr ein offenes Plenum hier im Laden.

FLV: Wieviele Leute betreiben momentan die Kabutze?

Zur Zeit fünf.

Neuer Ausstellungsraum — auch für Kunst

FLV: Ich sehe hier Aufhängungen an den Wänden und ihr habt erzählt, dass in den kommenden Tagen eine Ausstellung kommen soll. Wird sowas regelmäßig stattfinden?

Wir haben unsere Einrichtung hier so angelegt, dass wir die Sachen schnell auf- und abbauen können, keine festen, großen Klotzmöbel, damit wir hier auch unkompliziert eine Ausstellung aufhängen können oder schnell Platz für eine Vortragsveranstaltung schaffen.

FLV: Dann könnte es also durchaus passieren, dass hier die eine oder andere Vernissage oder Abschlusspräsentation stattfinden wird?

Ja.

Kabutze

FLV: Und eine Eröffnungsparty wird es auch geben, eine große Sause?

Ja, am Samstag dem 23.10. gibt es hier Kaffee, Kuchen und die Eröffnung der Ausstellung Von der Weltreise einer Jeans. Diese wurde uns von der Kamapagne für saubere Kleidung ausgeliehen und darin geht es um globale Produktionskreisläufe von Textilien. Dazu sind alle eingeladen, vorbeizukommen und sich umzusehen, wenn man möchte, darf auch schon probegenäht werden.

FLV: Anschließend gibt es noch Schlürfen und Steppen. Dazu habt ihr noch jemanden eingeladen?

Ja, I am not a Band aus Leipzig. Das ist ein Duo, das Elektro und Klassik zusammenbringt.

FLV: Vielen Dank für das Gespräch

Die Kabutze befindet sich an der Ecke Loeffler-Steinbecker-Straße und ist unter kabutze-greifswald.de auch zu finden.

8 Gedanken zu „Im Gespräch mit der Kabutze-Gruppe

  1. sehr nais 🙂
    ich hab schon länger einige dinge die dringen mal geflickt werden müssten, trau mich da aber nich ran…diese nadeln sind so spitz und meine finger so gichtig 😉
    vielleicht find ich ja jetz kompetente hilfestellung in einem angenehmen umfeld 😀

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