Uni-Wahlen: Die Auflösung der Altherrendiktatur?

In dieser Woche finden an der Universität wieder die Gremienwahlen statt und die Studierenden beeinflussen mit ihren Voten die Zusammensetzung des Studierendenparlaments (StuPa), der Fakultätsräte und des akademischen Senats.

Eine „Superwahlwoche“ wie im vergangenen Jahr, als obendrein auch noch die Urabstimmung über die Verabschiedung des umstrittenen Namenspatrons Ernst-Moritz-Arndt für Spannung sorgte, steht uns allerdings nicht bevor und entsprechend gering dürfte leider auch die Wahlbeteiligung ausfallen.

Rekordbeteiligung und schwache Quoten

Im letzten Jahr mobilisierte die Kontroverse immerhin 21,3% der Wahlberechtigten zum Urnengang – eine Rekordbeteiligung im Vergleich zu den Vorjahren, in denen das StuPa jeweils durch den Willen von nur etwa einem Zehntel der Studierenden bestimmt wurde. Aber nicht allein der Greifswalder Namensstreit sorgte für besser fluktuierte Wahlkabinen, auch die kontinuierliche Berichterstattung der webMoritz-Redaktion, die seit etwa zwei Jahren unermüdlich aus den zuweilen wahnsinngewordenen StuPa-Sitzungen tickert, dürfte einen nicht zu unterschätzenden Anteil am gewachsenen hochschulpolitischen Interesse der Wählerinnenschaft haben.

Die Wahlbeteiligung ist allerdings nicht die einzige Quote, die seit Jahren Sorgen macht – auch das durch die Kandidaten abgebildete Geschlechterverhältnis ermuntert zu statistischen Vergleichen und Überlegungen. So gibt es beispielsweise vier verschiedene Listen für die Wahl in den akademischen Senat mit sehr bezeichnenden Frauenquoten. Kandidieren auf der eher linken Liste Solidarische Universität (30,8%) neben den 18 Männern auch 8 Studentinnen, so dürfen der liberale Bund freier Studenten (16,6%) und die konservative Liste Junge Union (18,12%) getrost als Männerbetriebe betitelt werden.

Die folgenden Statistiken sollen einige Aspekte dieser Wahl abbilden:

Neu auf der Agenda: Gender und Gleichstellung

Den Blick auf eine bemerkenswerte Entwicklung öffnet ein Vergleich der Ziele, die sich die Kandidaten der StuPa-Wahlen 2010 und 2011 auf ihre Fahnen schrieben. Wurden die Themen ‚Gleichstellung‘ und ‚Gender‘ bei der vergangenen Wahl bis auf zwei Ausnahmen völlig ignoriert, beziehen sich dieses Jahr gleich mehrere potenzielle StuPistinnen darauf, obwohl insgesamt 17 Kandidierende weniger antreten.

Merkwürdigerweise findet eine Verschiebung statt: die Sitze im Senat sind umkämpfter als die im Parlament und das Kandidatenverhältnis beider Wahlen ist wie auf den Kopf gestellt. Ein Grund für diese Entwicklung könnte ebenfalls bei den tickernden webMoritz-Redakteuren zu suchen sein – wer den Ticker liest, erhält Einblick in eine Debattenkultur, die vielen zuwider ist.

Zurück zu den Frauenquoten. Der Anteil der weiblichen StuPa-Kandidatinnen lag 2010 bei 23,1%, dieses Jahr sind es 31,4%. Die freie Kandidatin Paula Oppermann veröffentlichte einen Flyer mit dem Slogan Rechtskonservative Altherrendiktatur verhindern – Frauen in die Parlamente! und geht damit selbstbewusst nach vorn. Sie will sich für Studierende mit Kind einsetzen und den Kindergarten im StuPa unterbinden.

Hoposaurier ziehen sich zurück

Ein weiteres Novum dieser Wahl ist das Fehlen von Alexander Schulz-Klingauf, Frederic Beeskow und Thomas Schattschneider auf den Listen. Mit wohlverdientem Veteranenstatus im Gepäck, ziehen sich diese drei langjährigen Aktiven auf das hochschulpolitische Altenteil zurück und machen Platz für junges Blut und frische Zellen. Die Zeit wird zeigen, ob sie diesen Schritt bereuen werden.

Eine geringere Wahlbeteiligung als im Vorjahr ist zu erwarten. Dabei ist die Zusammensetzung des Studierendenparlaments nicht wirkungslos, denn hier wird unter anderem die Schaltzentrale bestimmt, die über die Bewilligung und Höhe eingereichter Finanzanträge befindet. Hier wird die Stimme der Studierendenschaft erstritten und daher sei an alle Wahlberechtigten appelliert, die entsprechenden Kreuze zu machen und die studentische Interessenvertretung mit einem Minimum an Legitimität auszustatten.

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Die StuPa-Wahlen finden Montag bis Freitag statt, während die Voten für Fakultätsrat und Senat nur Dienstag bis Donnerstag abgegeben werden können (die jeweiligen Orte und Zeiten sind auf der AStA-Seite zu finden). Eine ausführliche Zusammenstellung der Kandidatinnen liefert wie gewohnt der WahlMoritz.

Marco Wagner zeichnet in seinem Artikel StuPa steht vor Generationenwechsel die nunmehr getrennt beschrittenen Wege von RCDS und JU nach und stellt die Hochschulgruppen vor.

9 Gedanken zu „Uni-Wahlen: Die Auflösung der Altherrendiktatur?

  1. Randnotiz: Der Bund Freier Studenten hat zwar die geringste Frauenquote, aber dafür hat die LHG mit ihren Stupakandidaten die höchste (und wir haben immer noch mehr Kandidaten als der sds, der sich eigentlich solche Quotengeschichten etc. auf die Fahne schreibt)

  2. @PJK: Hilf mir bitte auf die Sprünge! Gibt es noch mehr LHG-Kandidatinnen außer Juliane Hille und Greta Öhler? Gerade Letztere ist ja in Gender-Fragen nicht unbedingt progressiv…

  3. naja, dass das stupa deutlich weniger kandidaten hat als der senat bildet eigentlich nur die wichtigkeit der beiden gremien ab.
    die geringe zahl der kandidaten ist schade, so werden vermutlich nach recht kurzer zeit die ganzen lhgler, rcdsler und juler, die nicht gewählt werden doch im parlament sein.

  4. @ Jockel

    Ich habe nur mal die reine Stupagruppe genommen und die Senatskandidaten ausgeklammert. Da kommst Du dann z. B. bei einer Frauenquote von 50 % bei der LHG und 0 % beim sds an 😉 Nichts, dass es uns interessieren würde, aber fällt unter unterhaltsames Nebenwissen.
    Na ja, progressiv in Deinem Sinne. Als echte Liberale kann sie es natürlich auch nicht ab, wenn sie in ihrer Sprache „bevormunden“ will. Und wenn sich die Genderbewägung mit solchen Konstruktionen wie „männliche Namensgeberin“ selbst ad absurdum führt, sollte man dem eventuell doch Einhalt gebieten.

    off topic: Du als Medienwirksamer. Was Du dir eigentlich im Zuge von Transparenz und Außendarstellung vom neuen Stupa?

    @flo:
    Wenn man die linken Wahlergebnisse einer Universität mit 60 Jahren BRD vergleicht, scheinen linke Gruppierungen nach dem Studium massiv an an Wählerpotential an realpolitische Gruppierungen zu verlieren. Wie erklärst Du dir das?
    Zweite Frage: Du schreibst von „recht kurzer Zeit“. Traust Du deinen linken Kandidaten nicht zu, dass sie eine Legislatur durchhalten? Ja, dass sie, so interpretiere ich Deine Aussage, kurz nach der Wahl wieder ausscheiden? Wieso stellt man solche Leute dann auf und wieso wählt man sie?

  5. Als Hochschulgruppe, die das Referat für Gleichstellung abschaffen will, schlüge ich eher leisere Töne an. ‚männl. Namensgeberin‘ ist übrigens nichts anderes als ‚alle weibl. Studenten‘, nur halt generisches Femininum statt des Maskulinums, das ihr vorgeschlagen habt.

  6. @pjk: 1. je niedriger der bildungsstand, umso konservativer wird gewählt. von daher ist es logisch, dass studierender linker wählen als der durchschnitt
    2. von den linken werden vermutlich ein paar in den asta gehen und dann halt noch der eine oder andere ins ausland.

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