Gastbeitrag: Zum Flüchtlingsheim Wolgast

Zu Besuch im Flüchtlingsheim Wolgast

Ein Gastbeitrag von Daniel Staufenbiel (DIE LINKE)

Bei der Unterbringung der Flüchtlinge in Wolgast Nord hat sich meiner Ansicht nach eine Tatsache gezeigt: Existierende Vorbehalte fußen zumeist auf Unkenntnis. Es ist eine menschlich vollkommen verständliche Reaktion, wenn man Neuem, Unbekanntem und Fremdem gegenüberstehend, zunächst ablehnend reagiert.

Was geschah vorher? 

Dieses Bild zeigte sich uns am 25. Juni 2012, als wir von der Stadtfraktion DIE LINKE im Wolgaster Kleeblattcenter eine öffentliche Veranstaltung zum Thema anboten. Anwesend waren dabei nicht nur Fraktionsmitglieder wie Lars Bergemann und ich, sondern auch die Stadtvertretervorsteherin Brigitte Grugel und die Landtagsabgeordneten Jeannine Rösler und Peter Ritter. Zu diesem Zeitpunkt war nur bekannt, dass etwa 150-200 Flüchtlinge in die Stadt kommen würden. Und es war gerade diese Unkenntnis, die die Vorbehalte wachsen ließ. Dagegen wollten wir etwas unternehmen.

Als Herr Kiesow, damaliger Leiter des schon länger bestehenden Asylbewerberheimes Anklam-Greifswald, zu Wort kam und die Abläufe im Heim und die Bedingungen, unter denen sie stattfinden, schilderte, beruhigte sich die Stimmung der anwesenden Bedenkenträger. Es wurde klar, dass AsylbewerberInnen ebenso Rechte und Pflichten haben. Ihre Kinder müssen in die Schule, Anträge mussten beim Amt gestellt und ihre finanzielle Lage musste gesichert werden sowie vieles mehr. Hinzu kommt, dass die traumatischen Ereignisse, die die meisten von ihnen erlebt haben, verarbeitet und die Betroffenen psychologisch betreut werden müssen.

Es wird klar, dass es sich bei den ankommenden Flüchtlingen auch um Menschen handelt. Und dies hat die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Wolgast, Elke Quandt, auch geäußert: „Öffnen Sie sich den Menschen und ihren Erfahrungen; Menschen, die aus ihren eigenen Ländern flüchten mussten, die zum Teil sehr schlimme Dinge erlebt haben, und sie werden sehen, sie kochen auch mit Wasser!“ Deshalb muss es uns darum gehen, aufzuklären und zu beruhigen.

Worum geht es eigentlich? 

Die Unterkünfte in Wolgast Nord sind bei weitem kein Luxus. Die Wohnungen sind spartanisch, aber nicht menschenunwürdig eingerichtet (siehe Bildergalerie). Die Wolgasterinnen und Wolgaster, die für die gemeinsame Unterkunft umgezogen sind, wurden frühzeitig darüber informiert, konnten entscheiden, ob sie ausziehen und eine neue Wohnung annehmen oder nicht, und ihre gesamten Umzugskosten wurden von der Stadt getragen. Sie hätten sich auch gegen den Umzug entscheiden können.

Im Stadtbild ist es mittlerweile zu sehen, dass die Flüchtlinge in der Stadt sind. Mein Eindruck ist, dass es dabei im Großen und Ganzen keine Probleme gibt. Ganz im Gegenteil: nach Auskunft des Heimleiters, Herrn Wojcechowski, spenden mittlerweile viele Wolgasterinnen und Wolgaster für die Flüchtlinge und beteiligen sich an der Betreuung im Heim, da sie gesehen haben, in welcher Situation die Insassen leben, und nun so Anteil nehmen.

Mit dem erhobenen Zeigefinger auf andere zeigen, ist nutzlos 

Eines möchte ich abschließend sagen: Ja, wir haben ein Problem mit Ausländerfeindlichkeit und, ja, auch mit Neonazis in der Region. Es wäre gefährlich, dies zu ignorieren. Ich bin aber dagegen, so zu tun, als würden morgen die Häuser der Flüchtlinge in Wolgast brennen! Erst recht, wenn diese Aussagen von Leuten kommen, die von außen beobachten und die Lage vor Ort nicht einschätzen können. Man kann die Gefahr auch herbeireden, in dem man solche Szenarien unterstellt.

Meine Erfahrung sagt mir, dass es in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus nichts nutzt, mit erhobenen Zeigefinger auf andere zu zeigen. Wir haben alle gleichermaßen ein Nazi-Problem in Deutschland und es beginnt mit der Ausländerfeindlichkeit in der Mitte der Gesellschaft. Ich möchte, dass unser Land ein weltoffenes und tolerantes bleibt beziehungsweise wird, und dass Ausländerinnen und Ausländer, die zu uns kommen, sich hier wohl und heimisch fühlen.

Daniel Staufenbiel (DIE LINKE) wurde in Wolgast geboren und ist dort aufgewachsen. Er ist seit 1999 kommunalpolitisch aktiv und seit 2012 Wolgaster Stadtvertreter.

17 Gedanken zu „Gastbeitrag: Zum Flüchtlingsheim Wolgast

  1. Das kommt dem Istzustand schon sehr nahe! Vielen Dank an Daniel!
    Schön, dass die bisher veranstaltete Märchenstunde, auf diesem Blog hier, endlich zu ende ist!

    1. Der Gastbeitrag soll die Diskussion ergänzen und eine differenzierte Auseinandersetzung fördern. Ausdrücke wie die „veranstaltete Märchenstunde“ sind diesem Ansinnen nicht nur wenig förderlich, sie relativieren auch die ausländerfeindlichen Vorkommnisse und suggerieren, dass der vielgesehene Panorama-Bericht von vorn bis hinten erstunken und erlogen ist. Auf diesem Niveau ist es mir ehrlichgesagt zu blöd mich mit dir auseinanderzusetzen.

  2. Dieses Hochpreisen der maroden Einrichtung im Heim ist einfach pervers („Die Wohnungen sind spartanisch aber nicht menschenunwürdig eingerichtet“). Bei mir entsteht der Eindruck, dass nach dem kleinen Aufstand des bürgerlichen Pöbeltums in Wolgast alle, die etwas mit der Einrichtung zu tun haben, zeigen wollen, wie scheiße es eigentlich im Heim ist. Dies passiert allerdings nicht um den Zustand zu kritisieren, sondern um die werte Bürger_innen zu beruhigen und den zu zeigen, dass „die da“ im Heim in der „sozialen Hierarchie“ doch noch eine Stufe drunter sind und mehr zu leiden haben.

    Außerdem, wenn der Autor das Problem mit der menschenfeindlichen Einstellung in der Mitte der Gesellschaft erkannt hat, dann sollte er sich mal selbst fragen, was er unter Ausländer bzw. Ausländerin versteht. Mich würde dies auch brennend interessieren.

  3. das risiko, dass nazis versuchen leute umzubringen die ihnen nicht in dem kram passen ist immer da, ganz egal ob irgendwer darüber redet oder nicht. und mehrbettzimmer als „spartanisch aber nicht menschenunwürdig“ zu bezeichnen geht imho auch nur mit beide augen zu und viel gutem willen.
    sehr bizarr übrigens wie die beiden querfronttrolle jetz einem von den linken zujubeln…

    1. Vielleicht weil es mir mehr um Meinungen und Aussagen geht anstatt um die Person, die es gesagt hat. So kommt es dann, dass auch Rechte und Linke in meiner Welt Zustimmung ernten können. Was daran bizarr sein soll weißt nur du selbst… 🙂

      Übrigens, frag dich mal wie die Bevölkerung 1945 hier untergebracht war und was sonst so in der Welt üblich ist. Vielleicht fragst Du auch die Asylbewerber selbst. Ich kenne einige wenige und sie sagen, dass die Ausstattung solcher Heime über allen bekannten Standards liegt. Dazumal die „Einzelhaft“ auch eher dem typisch Deutschen liegt. Die dort Untergebrachten bevorzugen in der Regel eh die gesellige Lebensweise und finden es oft gar nicht schön allein in einem Zimmer zu leben. Ich kenne viele, die die familientypische Lebensweise bevorzugen und auch mal mit 6 anderen auf engem Raum leben.

      1. Die dort Untergebrachten bevorzugen in der Regel eh die gesellige Lebensweise und finden es oft gar nicht schön allein in einem Zimmer zu leben.

        Autsch. Findest du es als weißer, mitteleuropäischer Mann nicht etwas anmaßend, solche Urteile über die Flüchtlinge zu fällen, also andere Menschen, von denen du wenig bis nichts weißt und die nicht im Ansatz mit so vielen Privilegien wie du ausgestattet sind? Bei solchen Sätzen steigt mir die Schamesröte ins Gesicht.

        1. Ich verstehe was du meinst. Aber ob Afrikaner oder Araber, da ist schon ein unterschied zu uns zu erkennen. Und ob das für uns vorteilhaft ist sei mal dahin gestellt. Wir bevorzugen in der Regel Einzelhaltung mit maximal möglicher Fläche. Wer anders aufwuchs und das nicht kennt fragt sich was mit uns nicht richtig ist und warum wir andere Menschen scheuen? Die Scham, sich zu jemand anderem an den Tisch zu setzen oder vor fremden Menschen allgemein empfinde ich nicht als vorteilhaft. Schau Dir das mal bei vielen Arabern an, die haben sich vielleicht noch nie gesehen aber treffen aufeinander wie Freunde. Das treibt mir dann die Schamesröte ins Gesicht wenn selbst an der Supermarktkasse die totale Anspannung herrscht. Verklemmt mit Stock im Arsch könnte man sagen… 😉

          1. es ging in deiner Äußerung allerdings nicht um einen Tisch auf einem Fährschiff oder in einem Café, sondern um die Unterbringung auf unbestimmte Zeit und darum, einen großen Teil von Privatsphäre aufzugeben. Was die Betroffenen wollen, sollte man sie besser selbst ausdrücken lassen — solche Spekulationen darüber, gewürzt mit ethnischen Zuschreibungen, sind anmaßend und rassistisch.

            Ich weiß, was du mit afrikanischer/arabischer Geselligkeit meinst, aber so ausgedrückt kann man das nicht stehen lassen. Vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen mit Menschen aus, bzw. in Nordafrika, kann ich deinen Eindruck außerdem nicht so pauschal bestätigen.

            1. So gesehen hast Du Recht. Aber wer sagt, dass diese Mehrbettzimmer menschenunwürdig sind ist zynisch und verkennt die Realität weltweit. Denn gehupft wie gesprungen ist diese Unterbringung als gehobener Standard zu sehen.

              Die wirklichen Probleme sind völlig anders gelagert. Frag mal die Menschen selbst. Ich kenne Asylbewerber, die Ihre Lebensmittelgutscheine verklingeln um sich ne Fahrkarte nach HH zu kaufen damit sie einfach mal raus kommen. Es ist diese verkackte Isolation. Noch dazu die Rudelhaltung in Massenunterkünften. Und dieser Zwang, nichts zu tun zu haben. Da fällt das Warten viel schwerer.

  4. „Erst recht, wenn diese Aussagen von Leuten kommen, die von außen beobachten und die Lage vor Ort nicht einschätzen können.“

    Journalisten und ihre Realitätskonstruktion sind ein qualifizierter Bestandteil des öffentlichen demokratischen Diskurses. Fremdgeborenen pauschal die Urteilsfähigkeit abzusprechen grenzt leider wieder einmal an lokalpommersche Borniertheit, denn wie Asylsuchende in Deutschland willkommen geheißen und untergebracht werden geht alle Bürger in MV und der Republik etwas an. In Wolgast werden offenbar gesellschaftliche Randschichten als das Maß der Dinge (ehemals Gleichheit) verstanden und von der Linken im Kreis bürgerschaftliches Engagement wie das der studentischen juristischen Beratung torpediert. Eine Vorgängerorganisation der Partei hat das Verdrehen und Verdrängen von Realitäten bis 89 sehr erfolgreich betrieben und den Rechtsextremismus in seiner heutigen Form damit zumindest begünstigt…

  5. „Knallkörper auf Asylbewerberheim in Wolgast geworfen

    Wolgast (nk) Ein lauter Knall und Rauch auf dem Küchenbalkon: Unbekannte haben am Freitagabend gegen 22 Uhr Knallkörper auf das Asylbewerberheim in Wolgast (Landkreis Vorpommern-Greifswald) geworfen. Wie die Polizei mitteilte, wurden keine Personen verletzt. Eine sofort eingeleitete Nahbereichsfahnung mit Funkwagen und zwei Diensthunden blieb ohne Ergebnis. Der Staatsschutz der Kriminalpolizei Anklam hat die Ermittlungen aufgenommen. Sachdienliche Hinweise nimmt die Polizei unter 0395 55822223 oder unter http://www.polizei.mvnet.de entgegen.“

  6. Es ist immer wieder bemerkenswert und erschütternd wie dünn die humanistische Decke bei den sogenannten demokratischen Parteien ist. Diese ganzen Argumente die die unterprivilegierten Bewohnerinnen in Wolgast-Nord beschwichtigen sollen, weil Lebensumstände präsentiert werden, die sich nochmal unter denen der ohne Frage unwürdigen Lebensumständen der sich chauvinistisch und rassistisch äußernden „eingeborenen Bevölkerung“ liegen, zeigen doch, dass diese ganze Sache mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung und den sogenannten Extremisten nicht so ganz stimmen kann, wenn es am Ende die sogenannten Extremisten sind, die darauf beharren, dass das Grundgesetz auch in Wolgast Nord gelten soll.

  7. Pingback: daburnas Logbuch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert