Tanz auf dünnem Eis: Die Gebrüder Löschner stellen sich ihrem Publikum

Am Theater Vorpommern hat die neue Spielzeit  begonnen, es ist die erste unter der Führung des Intendanten Dirk Löschner, der sich im vergangenen Jahr mit seiner Entscheidung, die Verträge eines Großteiles des Ensembles nicht zu verlängern, einen satten Vorschussmalus in der Stadt sicherte.

GEWACHSENE GRÄBEN STATT ABFLAUENDER AUFREGUNG 

Bis heute ist keine Ruhe im Haus eingekehrt, denn Wut und Unverständnis des Greifswalder Publikums verschwanden nicht, sondern führten dazu, dass die Arbeit der beiden Löschners — Bruder Sascha wurde als  Chefdramaturg und schauspielerischer Leiter aus Stendal mitgebracht — von Anfang an und alles andere als unvoreingenommen beäugt wurden. Unter den kritischen Blicken der Kleinstädter, die auf Löschners Provinzialitätszuschreibungen empfindlich reagierten und auf den neuen Wind gespannt waren, liefen die ersten Premieren, die nicht nur für geteiltes Echo bei den Zuschauern, sondern auch für kommunalpolitische  Zwistigkeiten sorgten.

risiko logo theater

Einen Verriss der Premiere von der Ballade vom traurigen Café, der auf dem Blog der Grünen Greifswald Vorpommern veröffentlicht wurde, beantwortete der hiesige CDU-Chef und Kulturexperte Axel Hochschild — der die Premiere seinerseits “beeindruckend” fand — mit dem Vorwurf, dass dieser Text von mehreren Parteimitgliedern der Grünen geschrieben worden sei. Die konnte er nach der Vorstellung dabei beobachten, wie sie „zusammengestanden und getuschelt“ hätten. Am Ende werden die sogar noch ein Glas Rotwein in der Hand gehabt haben!

(Abbildung: modifiziertes Logo zur neuen Spielzeit, Theater Vorpommern)

DER NEUE WIND WEHT — ABER GEGEN DIE LÖSCHNERS

Doch zurück zum Ernst der Lage. Inzwischen mehren sich die negativen Reaktionen des Publikums und man spürt sowas wie einen Graben zwischen den Gästen und der Führungsriege des Theaters, der eher tiefer als flacher wird. Selten las man in so kurzer Zeit so viele negative Rezensionen über das Theater Vorpommern wie jetzt. Im Netz weht ein neuer Wind — gegen die Löschners.

logo theater vorpommernDie haben — abgesehen von den Nichtverlängerten — auch noch das ungewohnt gute Corporate Design des Theaters auf dem Gewissen und gegen einen merkwürdigen Feuerball getauscht, der stadtweit für eine Mischung aus Scham und Häme sorgte. Da bleiben positive Ansätze, wie der Mut zu anderen Formaten oder die ansehnlichen neuen Plakate, häufig leider unsichtbar.

Heute reagierte das Theater Vorpommern endlich auf die anhaltende Kritik und sucht nun den Dialog. Das mag zwar voll modern sein, ist aber in erster Linie allerhöchste Zeit, damit dieses Theater nicht länger gegen sein Publikum spielen muss. Deswegen werden sich am Sonnabend Dirk Löschner (Intendant, Geschäftsführer und Regisseur), Dr. Sascha Löschner (Chefdramaturg und Leiter des Schauspiels) sowie Franz Burkhard (Dramaturg) ihren Kritikern stellen und nachmittags im Theaterfoyer auf Fragen Antworten geben:

„Neue Leitung, neues Ensemble, neuer Wind, Risiko! Die ersten Resultate konntet Ihr besichtigen. Wurden die Erwartungen erfüllt? Der Neustart des Schauspiels und speziell „Die Ballade vom traurigen Café“ sind sehr widersprüchlich aufgenommen worden. Da reicht die Spanne von eifriger Zustimmung bis zu empörter Ablehnung. Wir stellen uns Eurer Kritik und erläutern unsere Konzeption. Also: Stellt uns Fragen, konfrontiert uns mit Eurer Wahrnehmung, Eurer Meinung, wir werden Euch antworten. Offene Fragen erfordern einen offenen Diskurs.“

(Neues Logo, Theater Vorpommern)

FRAGEN, ANTWORTEN, DISKURS UND WEITER?

Man wird am Sonnabend nicht nur sehen, wie ernst es die anwesenden Theaterverantwortlichen meinen, sondern auch die Redlichkeit überprüfen können, mit der die Kritikerinnen bemüht sind, etwas an den gegenwärtigen Zuständen zu ändern. Die letzten Wochen haben auf jeden Fall gezeigt, dass ein Schwank beim Nachmittagskaffee nicht reichen wird, um diese Baustelle endlich abzuschließen und das Theater Vorpommern und seine Gäste wieder zu versöhnen.

Fakten: 27.10. | 16 Uhr | Theaterfoyer

9 Gedanken zu „Tanz auf dünnem Eis: Die Gebrüder Löschner stellen sich ihrem Publikum

  1. Da muss ich mal die beiden Löschners mal etwas in den Schutz nehmen. Die Ballade vom traurigen Café war für mich auch nicht das, was man unter einer gelungenen Theateraufführung versteht, die Verlagerung der Geschichte in die DDR war unnötig und unpassend, Der weiße Heiland vielleicht etwas zu modern inszeniert, aber die anderen Aussagen kann ich nicht nachvollziehen. Der Menschenfeind oder Die Falle sind/waren Übernahmen aus dem Theater Stendal. Gab es negative Kritik? Nicht dass ich wüsste … vom Kinderprogramm übrigens auch nicht. Keinen Kontakt zum Publikum kann man der neuen Führung auch nicht nachsagen. Nach jeder Premiere gibt es eine Premierenfeier, bei der die Verantwortlichen anwesend sind und man mit ihnen in ungezwungener Atmosphäre ins Gespräch kommen kann? Wer von den Kritikern/Kritikerinnen hat bisher von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht? Und es gab übrigens wirklich Leute, denen die Ballade vom traurigen Café gefallen hat, für mich schwer verständlich, aber über Geschmack lässt sich streiten. Dem gesamten Greifswalder Publikum pauschal eine pauschale Ablehnung gegen das Theater zu unterstellen ist daher nicht gerechtfertigt. Ich habe übrigens für die nächsten Wochen fünf Karten für das Theater gekauft und kann an dem offensiven Entgegenkommen der Theaterführung um einen konstruktiven Dialog mit dem Publikum zu führen, nichts Negatives finden. Die früheren Geschäftsführer hätten sich auf solche Diskussionen nicht eingelassen!

    1. und kann an dem offensiven Entgegenkommen der Theaterführung um einen konstruktiven Dialog mit dem Publikum zu führen, nichts Negatives finden. Die früheren Geschäftsführer hätten sich auf solche Diskussionen nicht eingelassen!

      Ich finde das auch sehr gut und vernünftig; halte das für den einzigen Weg.

  2. Im Nordkurier meint Axel Hochschild über Löschner: „Der hat eine Schonzeit verdient. Und ganz allgemein sollte man Kultur von Politik trennen.“ Er dabei vollkommen vergessen zu erwähnen, dass dieser Samariter den alten Schauspielern die selbe Schonzeit gegeben hat…
    Und, um meinen eigenen Senf dazu zu geben, ich verstehe nicht im Ansatz, wie du die neuen Plakate als ansehnlich bezeichnen kannst. Die alten Plakaten waren jetzt auch nicht der Renner, aber die neuen sind ja unzumutbar.

  3. Da ich bedauerlicherweise nicht an der Diskussion am Sonnabend teilnehmen konnte, es gibt ja Menschen, die müssen auch am Wochenende mal arbeiten, war ich gespannt den Artikel darüber in der OZ zu lesen.
    Ich bin immer wieder entsetzt, wie Herr Löschner das Greifswalder Theaterpublikum beleidigt. So sind wir also nun eine Gruppe, die sich dann auch noch erdreistet sich lautstark zu äußern. Ja, hat er denn geglaubt, wenn er ein beliebtes Schauspiel-Ensemble demontiert, dass das zu Begeisterung führt ? Weiß er denn nicht, dass ein Stammpublikum die Seele eines Theater ist, diese Fans ziehen neue Leute ins Theater. Ich spreche da aus Erfahrung.

    1. Frau Hopf,

      Sie schreiben, dass Sie immer wieder entsetzt sind, „wie Herr Löschner das Theaterpublikum beleidigt“. Ich habe am Sonnabend an dieser Gesprächsrunde teilgenommen. Ich bin entsetzt – und zutiefst entsetzt – über Anne Wolf, die in dieser Geprächsrunde einem blinden Teilnehmer gegenüber laut geäußert hat: „Manchmal ist es gut, dass man blind ist.“ Was sagen Sie dazu, Frau Hopf? Grüne dürfen also Menschen beleidigen?

      Ulrike Engel

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