„Rigoletto“ am Theater Vorpommern – Ein gelungener Abend trotz verwirrender Regie

Eine Theaterkritik von Georg Meier

Rigoletto — wir kennen ihn alle: ein Buffone, ein Spaßmacher, der sich gern auf Kosten anderer amüsiert, auch wenn die dann teuer dafür zahlen müssen. Der verliert also seinen einzigen Schatz, seine Tochter, durch eben jene Machenschaften, die ihn selbst auszeichnen. Große Verzweiflung und die Tochter stirbt in einer rekordverdächtig langen Sterbeszene. So der Klassiker.

RIGOLETTO TRÄGT SCHWARZ, ER IST JA AUCH DER BÖSE

Ganz anders am Theater Vorpommern: Die Hofgesellschaft des Herzogs von Mantua ist übersetzt in eine Modegesellschaft der 70er. Das sind aufwendige Kostüme und Tänze, die man gern sieht — das leuchtet ein. Hofgesellschaft in Mantua, das wären ja auch aufwendige Kostüme und Tänze. Das sieht vielversprechend aus, also freut man sich auf Rigoletto. Bestimmt das beste Kostüm. Leider nicht. Rigoletto trägt Schwarz, er ist ja auch der Böse. Und das ist noch nicht alles.

Rigoletto

Wenn man dem Programmheft glauben darf, dann hat er dazu auch noch eine Psychose und Wahnvorstellungen — der Mörder Sparafucile und seine Schwester Maddalena entspringen hier seiner kranken Phantasie. Natürlich wirft das die ganze Geschichte durcheinander. Rigoletto, der Spaßmacher: das funktioniert nicht, wenn die ganze Gesellschaft lustig ist, nur er nicht. Aber auch die plötzlich und heftig einsetzende Tragik funktioniert dann nicht mehr. Ein leichtes Stück mit Verwechslung und Entführung, das mit einem grausamen und widersinnigen Mord endet — wie soll das ohne den leichten Anfang funktionieren? Noch schlimmer: Wie sollen wir einem Rigoletto, der von Anfang an für verrückt erklärt wurde, die Verwandlungen vom bösen Spaßmacher zum überfürsorglichen Vater, seine Verzweiflung und seine Rachsucht abnehmen?

Da all dies nicht mehr funktioniert, sehen wir einen psychotischen Vater, der — nachdem er im Berufsleben schon blöd aufgefallen ist — in einer wahnhaften Episode seine Tochter umbringt. Verrückte sind böse, der Abend ist vergeudet — zum Glück nicht.

Rigoletto

DIE MUSIKALISCHE FEINABSTIMMUNG STIMMT

Diese neue Geschichte ist — sei es, weil sie in sich nicht stimmig ist, sei es, weil sie nicht in drastischen Bildern erzählt wird — nicht stark genug; Francesco Maria Piave und Giuseppe Verdi setzen sich durch. Die Hirngespinste des Rigoletto werden von echten Sängern verkörpert, also sehen wir sie eben als reale Bühnenfiguren. Die Musik und die darin so deutlich angelegten Wandlungen der Figuren sprechen eine deutlichere Sprache als das Programmheft und Regieeinfälle, die zum Teil unfreiwillig komisch sind: etwa, dass Gilda wie ein Jack-in-the-Box in einer Klappe im Boden der Bühne wohnt.

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Vergessen wir also diese verrückte Geschichte und wenden uns der Oper zu. Ab da wird es ein gelungener Abend. Das Orchester spielt engagiert, so dass man vereinzelte Probleme gern verzeiht. Ein kleines Highlight ist der Chor: er hat nicht nur die besten Kostüme, sondern singt auch gut und spielt mit viel Elan. Die Sänger in den kleineren Rollen sind wenigstens solide, meistens gut. Nur Doris Hädrich-Eichhorn als Maddalena geht leider völlig unter in dem Quartett am Anfang des dritten Aktes. Iago Ramos bringt die Tenor-Paraderolle, den Herzog, sicher auf die Bühne. Das schwierige Spiel zwischen zynischem Macho und dann doch plötzlich tatsächlich Verliebtem gelingt ihm gut. Thomas Rettensteiner in der Titelrolle hat viel Kraft — die braucht ein Rigoletto auch. Leider hat er manchmal zu viel Kraft; dann leidet die Vielseitigkeit, wie etwa in der Arie Cortigiani, vil razza dannata. Aber die Regie hat ihm ja auch genug Steine in den Weg gelegt.

Der Star des Abends ist ohne Frage Linda van Coppenhagen als Gilda. Voller Energie und Spielfreude ist sie sofort Mittelpunkt des Bühnengeschehens. Es gelingt ihr, eine facettenreiche Figur auf die Bühne zu zaubern: vom unschuldigen Mädchen in Caro nome (der kleine Aussetzer passte da zum Glück zur Rolle) über den Widerstand gegen den Vater bis zu den dramatischen Stücken im dritten Akt. Und neben ihr laufen die Gesangspartner zur Höchstform auf.

Rigoletto

Die Duette sind das Beste, was der Abend musikalisch zu bieten hat: die Feinabstimmung zwischen den Sängern sowie zwischen Sängern und Orchester stimmt da genau, es ist eine reine Freude. Dafür lohnt es sich, wieder einmal in die Oper zu gehen!

Rigoletto
Tragische Oper in drei Aufzügen von Giuseppe Verdi

Musikalische Leitung: Golo Berg
Inszenierung: Dirk Löschner
Ausstattung: Christopher Melching
Chöre: Anna Töller
Dramaturgie: Stephanie Langenberg

Nächste Vorstellungen in Greifswald: 11.Mai, 2. Juni

Infos und Karten: Theater Vorpommern

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Georg Meier ist Mitglied des Studententheaters StuThe e. V.

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