Die neue Glückseligkeit: Happy Greifswald

Endlich Happy! Seit gestern exponiert sich nun auch Greifswald als Quell ausgelassener Freude und stellt mit einem Videoclip unter Beweis, dass ein paar ausgesuchte Vorpommern allen Unkenrufen zum Trotz lächeln und tanzen können — zumindest manchmal und wenn sie mit vorgehaltener Kamera dazu gezwungen werden.

Happy Greifswald

Seit Wochen geht ein Trend im Netz um, der nun auch mit der üblichen Verspätung die Hansestadt erreicht: Das neue große Ding, das sind getanzte „Städte-Selfies“, in denen die Bewohnerinnen an einschlägigen Plätzen ihrer Wohnorte zum Takt von Pharell Williams‘ Welthit Happy eine flotte Sohle aufs Parkett legen und ein Lebensgefühl überbordenden Glücks inszenieren. Dank Stefanie Ehlers und Lucas Treise gibt es jetzt so was auch für Greifswald. Gestern, am Internationalen Tag der Freude, veröffentlichten die beiden Medienarbeiterinnen einen Youtube-Clip, dessen zielsichere Mischung aus Hüftschwung und Heimatgefühl einen nicht abflauenden Begeisterungssturm bei Facebook auslöste.

JEDE STADT KRIEGT DAS HAPPY, DAS SIE VERDIENT 

Mehr als 20.000 Mal wurde das Video inzwischen aufgerufen — und wer genau hinsieht, erkennt auch die eine oder andere Person lokaler Prominenz, wie zum Beispiel die aus der Castingshow The Voice of Germany (2012) bekannte Popsängerin Isabell Schmidt. Durch die Aula der Universität schwofen Gleichstellungsbeauftragte Ruth Terodde und „Dekandance“ Roland Rosenstock, Fischverkäuferin Frau Lange winkt mit ihrer Räucherware und der Wiecker Superpoller fährt auf und ab. Bestnoten für bewegungsfreudige Lässigkeit gehen ohne Zweifel an Ulrich Rose und in Richtung Studio 54°. Die effektivste Produktplatzierung wiederum gelingt der Band Krach und eine geschmacklose Fliege gilt es darüber hinaus auch zu entdecken. Offenbar kriegt jede Stadt das Happy, das sie verdient.

Glückliche Menschen, so weit das Auge reicht. Doch bei aller berechtigten Euphorie sollte nicht vergessen werden, dass dieses Gefühl eine flüchtige Momentaufnahme ist, ein quietschvergnügter Fliegenschiss in den Weiten des Netzes, der in wenigen Wochen vergessen sein wird. Eines Tages, Baby, werden wir alt sein. Oh Baby, werden wir alt sein.*

21 Gedanken zu „Die neue Glückseligkeit: Happy Greifswald

  1. die eigentliche tragik des ganzen ist doch aber dass auch nach diesem video die erinnerungen an den eigentlichen bagdad döner nicht mehr präsent sind. oder bin ich die einzige die diesem noch hinterher trauert?

    da können auch die zuckersüßen worte von julia engelmann nicht drüber hinweghelfen.

  2. Mhh. 20.000 klicks. Bei der Menge abgefilmter Leute, die bestimmt jedem zeigen wollten „Ich bin auch mit drauf“ bleibt da aber nicht viel echte Öffentlichkeit….
    Ggf. zum Glück…..

  3. Also ich sehe mindestens zwei Fliegen! Ansonsten freu ich mich an der Freude und was Diversität in Hinblick auf Alter, Herkunft, Gender und Klasse betrifft ist dieses Video doch ganz weit vorne für so ne kleine Stadt.

  4. Ich verstehe diesen patzigen Beitrag nicht. Warum? Aus welcher Motivation heraus? Selbst die geäußerte Kritik ist unsagbar halbherzig – nenn’s Kind doch beim Namen und erklär was daran soviel Kind ist, aber was soll denn dieser Quatsch unter vorgehaltener Hand? Wird das hier jetzt ein Insider-Blog? Kann man das nicht privat unter sich machen?Oder wenigstens vernünftig ausführen, wenn hierher muss? Also, für so manches Kommentar in dem Beitrag würde ich mir sehr gern noch ’ne Erklärung wünschen.
    Eigentlich auch schon mal gesehen, dass einiges ursprünglich gar nicht für den Happy Song produziert worden sein konnte, sondern hier ein herrlicher lockerer Schwung über die Zeit vorgenommen wird? Da finde ich die Aufnahmen vom Videodreh zu Kitty von Sometimes‘ Musikvideo bei der Klosterruine beispielsweise plötzlich für wenige Sekunden, das vor über einem Jahr angefertigt wurde… Oder schon mal dran gedacht, dass Krach keine Produktplatzierung betreibt, sondern das eine Anspielung auf ihre Grundlos Glücklich-Aktion sein könnte und damit ganz gut reinpasst?

    1. Du bist ein patziger Beitrag! Im Ernst: Lasst die Leute soviele virale Netzsachen machen wie sie wollen und Videos drehen, bis sie schwarz werden. Das Happy tut keinem weh, grenzt niemanden aus und wurde engagiert umgesetzt. Ich persönlich habe daran überhaupt nichts auszusetzten, kann das höchstens besser als Neubrandenburg und weniger spritzig als Rostock II finden. Was mich stört ist die Inszenierung der happiness und ich bin mir sehr sicher, dass wenn jemand in 4 Wochen exaltiert über den Marktplatz tänzelt, ihn oder sie die volle Wucht des vorpommerschen Argwohns treffen wird.

      Das Krach nicht aktiv ihr Kapuzi reingebracht haben, ist doch klar. Dass das eine Anspielung auf „Grundlos glücklich“ war, habe ich nicht erfasst, gefällt mir aber. Danke für den Hinweis! Die Fliege bei 1:35 finde ich hässlich wie die Nacht, aber Fliegen sind nicht so mein Ding. Sonst noch Fragen?

      1. „Was mich stört ist die Inszenierung der happiness“
        – warum?
        – inwiefern?
        – wo genau?

        Danke, loopz. Es ist fast beruhigend zu sehen, dass ich nicht allein mit der Annahme bin, dass Jockel hier etwas gehörig an dem Video stört. Jeder Versuch, dem Beitrag etwas positives zu verleihen, wird vehement durch gewisse Kritik zu Grunde gemacht…

        Und bei der Fliegen-Sache hatte ich bisher an eine Metapher gedacht. Dass hier tatsächlich dieses kleine Modedingchen ist, das beschimpft wird – autsch, das ist ein schwerer Sturz!

        1. Was meinst du denn konkret mit „gewisser Kritik“ und „jedem Versuch, dem Beitrag etwas positives zu verleihen“?

          warum? inwiefern? wo genau?

          Was mich stört ist die Inszenierung der happiness und ich bin mir sehr sicher, dass wenn jemand in 4 Wochen exaltiert über den Marktplatz tänzelt, ihn oder sie die volle Wucht des vorpommerschen Argwohns treffen wird. Ich habe das Gefühl, dass dieses Video einen sehr flüchtigen Moment festhält, der in dieser Form einzigartig ist. Wenn die Kamera verschwunden ist und ein paar Tage ins Land gezogen sind, wird von der Happy-Botschaft — so angenehm ich eine Umwelt fände, die sich von so was langfristig inspirieren ließe — vermutlich nicht mehr viel übrig bleiben.

            1. Nein, ist er nicht, denn meine pessimistische Einschätzung der Happy-Inszenierungen speist sich ja eben nicht daraus, dass Menschen sich unkonform verhalten und für diese Abweichung in irgendeiner Form sanktioniert werden (Stichtwort argwöhnischer Blick, soziale Kontrolle in der Kleinstadt), sondern sie resultiert vielmehr aus meinen Erfahrungen mit Hypes und Trends im Internet, die so schnell und ohne Spuren zu hinterlassen vergehen wie sie aufgetaucht sind.

              Glaubt mir bitte, ich bin der letzte, der sich nicht darüber freuen würde, wenn Greifswald tatsächlich 24/7 happy wäre.

  5. Mmh, dafür dass du ne recht bissige Satire geschrieben hast kommst du nun aber ganz schön empfindlich rüber, wenn daran Kritik geübt wird. Du sagst doch immer die Leute sollen was machen in der Stadt und die kleinstadt bereichern – Wenn dann mal welche was machen dann wirds gleich blasiert auseinander gepflückt. Das ist schon ein recht provinzielles Mindset. Und ob es so angebracht ist über Geschmack und Aussehen von offensichtlich fröhlich-freundlichen Tänzern so heftig zu urteilen, wie du es tust weiss ich auch nicht. Gut geschriebene Polemik bleibt eben immer noch Polemik und wenn sich darauf Kritik regt solltest du eigentlich nicht überrascht sein.

    1. Also ich muss doch bitten, „recht bissige Satire“ trifft nicht ganz meine Absicht. Der Text ist kein Stück Satire und wirklich bissig ist er auch nicht. Ich möchte ja, dass die Leute was machen und die kleine Stadt bereichern (gerne auch virale Videos), nur liegt mir natürlich noch mehr daran, dass diese Bereicherung nicht bei einer Momentaufnahme bleibt.

      Kritik sehe ich hier natürlich gerne, aber ich war jetzt in der Tat etwas überrascht, weil ich erstens nicht klar ersehen konnte, was mir vorgeworfen wird, und ich zweitens ja keinen bissigen oder satirischen Text zu schreiben versucht habe, bei dem man sich auf sowas einstellt. Irgendwie fühle ich mich etwas missverstanden.

      1. Also ich lese aus deinem Beitrag der keine Satire sein soll, dass das Video verspätet ist und dem Zeitgeist hinterher hinkt, das die Fröhlichkeit affektiert ist. „Offenbar kriegt jede Stadt das Happy, das sie verdient“ schreibst du direkt nachdem du die „geschmacklose“ Fliege kritisierst, damit wird zumindest angedeutet, dass du das Video auch geschmacklos findest. Das kritische Herauspicken eines einzigen modischen Attributs einer Person und das anschließende Mäkeln finde ich persönlich übrigens ziemlich daneben. Und das Ganze dann am Ende noch als „quietschvergnügten Fliegenschiss“ zu bezeichnen führt den ganzen Beitrag schon recht eindeutig in die Polemik-Ecke. Vielleicht warst du einfach auch ein wenig zu sehr von dir selbst angetan und hast das Video zum Anlass genommen mal wieder alle stilistischen Mittel deiner Schreibe aufzufahren. Ich finde ehrlich gesagt, dass du ein wenig übers Ziel hinausgeschossen bist.

        1. Also ich lese aus deinem Beitrag der keine Satire sein soll, dass das Video verspätet ist und dem Zeitgeist hinterher hinkt

          Aber loopz, du solltest das nicht auf das Happy-Video sondern auf die Stadt Greifswald beziehen. Es ist bei der Satellitenlage doch nicht verwunderlich, dass hier alles einen Ticken später ankommt, aber als Greifswalder darf man die Provinzialität seiner Heimatstadt durchaus mal auf die Schippe nehmen, finde ich zumindest.

          “Offenbar kriegt jede Stadt das Happy, das sie verdient” schreibst du direkt nachdem du die “geschmacklose” Fliege kritisierst, damit wird zumindest angedeutet, dass du das Video auch geschmacklos findest.

          Das interpretierst du in meine Worte hinein — ich finde das Video überhaupt nicht geschmacklos, sondern bis auf ein paar Kleinigkeiten sogar richtig gut. Wenn jede Stadt das Happy kriegt, das sie verdient, dann meine ich, dass sich an den Videoinszenierungen ablesen lässt, wie hoch das „kulturelle Kapital“ der Entstehungsorte ist. Und da liegt für mich persönlich Greifswald hinter Rostock II, aber vor Neubrandenburg. Wobei ich wie schon gesagt den Aspekt der Repräsentation sehr gut umgesetzt finde.

          Und das Ganze dann am Ende noch als “quietschvergnügten Fliegenschiss” zu bezeichnen führt den ganzen Beitrag schon recht eindeutig in die Polemik-Ecke.

          Diese Happies sind einfach nicht mehr und nicht weniger als besagter Fliegenschiss im Netzuniversum. Wie gesagt, auch hier geht es nicht um das Greifswalder Happy, sondern die Sache an sich. Wie oft wurde dieser naive Poetry-Slam-Beitrag der Engelmann von Leuten geteilt, die von der dort beschriebenen Utopie mindestens genauso weit entfernt waren wie die Autorin? Und wer ist diese Julia Engelmann? Die kennt doch in einem Jahr niemand mehr und von ihrem Text dürfte den wenigsten noch was im Kopf hängen, außer Baby, eines Tages werden wir alt sein. Man kann diese Happies meiner Meinung nach abfeiern, sollte sich aber bewusst sein, dass man sich damit nicht in die Geschichte einschreibt, sondern 5 Minuten Ruhm (und vor allem gute Laune) produziert. Wie gesagt, ich wertschätze die Mühe, die sich die beiden Videoleute und natürlich all die Beteiligten gemacht haben, wäre aber ungleich glücklicher, wenn die bedingungslose Fröhlichkeit, die in dem Video zum Ausdruck gebracht wird, keine virale Eintagsfliege ist, sondern an Mentalitäten rückt. Und das sehe ich eben nicht.

          Vielleicht warst du einfach auch ein wenig zu sehr von dir selbst angetan

          Keine Sorge, meine Selbstliebe hält sich in überschaubaren Grenzen. Die Verbindung der geäußerten Fliegenabscheu und dem Fliegenschiss war mir aber bis eben noch nicht bewusst — danke für den Hinweis!

          1. Ich will jetzt auch gar nicht ganz „unhappy“ über fünf Minuten „happy“ mit dir diskutieren. Ich frage mich bloß, ob nicht du und eine ganze Reihe der Kommentare sich nicht eben genau mit diesem legendären „Pommerschen Geist“ zeigen, indem als erster Reflex auf dieses Video Kritik an der Dauerhaftigkeit bzw. ein Kommentar zur Flüchtigkeit viraler Videos gebracht werden muss.
            Mir fällt eine Reihe positives ein, was man zu diesem Video sagen könnte:
            1. Greifswald hat sicherlich nicht das kulturelle Kapital von Rostock II (sehr gute Tänzer) aber dafür offensichtlich ganz schön viel soziales Kapital, wenn man die Vielfalt der Tanzenden betrachtet. Vom befliegten Familienvater bis zu einem kompletten VHS Deutsch-Kurs
            2. Die Mühe alle in dieses Video zu integrieren lässt Greifswald weltoffener erscheinen als es meiner Meinung nach ist. Dafür ein Chapeau an die Videomacher
            3. Über das virale Ereignis hinaus wurden hier Menschen inklusive einer sehr alten Dame zum tanzen motiviert. Das ist doch Gemeinschaftsstiftend ohne Ende. Menschen haben sich kennengelernt, Kinder, Jugendliche und Lokalpolitiker ein Forum bekommen und viel geredet und getan wurde miteinander. Das ist meiner Meinung nach gelebte Gemeinschaftskultur, die weit über den viralen Fliegenschiss hinausgeht.

            Ich verstehe immer den Impuls nicht gegen jeden kreativen Kontakt gleich Häme zu setzen. Das gleiche gilt für dieses vielzitierte Engelmann Video, die Leute sollten mal Frühwerke ihrer vielgeliebten Klassiker Autor/innen lesen und sich dann freuen, dass sich eine 21 Jährige poetisch mit der Welt auseinandersetzt. Über Authentizität bei Kunstwerken brauch man doch sowieso nicht sprechen.Oder wie David Grohl so schön gesagt hat: „Musicians should go to a yard sale and buy an old fucking drum set and get in their garage and just suck. And get their friends to come in and they’ll suck, too. And then they’ll fucking start playing and they’ll have the best time they’ve ever had in their lives and then all of a sudden they’ll become Nirvana.“
            Also lassen wir einfach mal ästhetische Äußerungen zu und halten uns mit Bewertungen zurück oder? Wir wollen ja nicht die nächste große Band, Autorin, Filmemacherin schon ganz am Anfang demotivieren und kaputt machen. Let’s suck together!

            tl;dr Lasst uns alle Freunde sein und Kunst machen 🙂 „Happy“

  6. diggis, ich kann sagen: in greifswald habe ich die beschissensten zeiten meines lebens gehabt…mit abstand. von diesen happy videos kann mensch ja halten was will, aber gerade in bezug auf diese einöde aus plattenbauten, spießern und karrierefokussierten nicht-über-den-tellerrand-guckenden-studierenden plus vorpommerscher xenophobie is das schon ein bisschen schräg. zum glück gibts auch noch was anderes und coole leute, aber mir kam das die meiste zeit hier wie sone art exil vor.

    1. Nichts für ungut – ich kann dich sogar zum Teil verstehen – aber wenn ich mir deine Aburteilung der GreifswalderInnen ansehe, erkenne ich keinen Unterschied zu den Pauschalisierungen und Klischeebedienungen mancher provinzieller VorpommerInnen.
      Ich habe hier eine sehr gute Zeit verbracht. Als ich mich für HGW entschied, dachte ich erst, dass mir hier die Ödnis und Monotonie entgegenschlagen wird. Diese Voreingenommenheit hatte sich zum Glück nicht bestätigt, weswegen ich nach meinem Wegzug immer noch regelmäßig diese Hansestadt besuche. Eine Kleinstadt wie HGW mit dem spürbaren universitären Umfeld ist mir sogar tausendmal lieber geworden als die Metropolen, in denen man kaum etwas davon spürt.
      Aber da hat jede/r eine andere Priorisierung.

  7. das „eines tages werden wir alt sein, baby“ is sogar auch noch derbe geklaut. halt auf deutsch übersetzt damit das zdf-publikum nich völlig überfordert is -.-

  8. Pingback: BalticBlog

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