Neonazi Marcus G. wegen Körperverletzung zu empfindlicher Geldstrafe verurteilt

Crosspost mit freundlicher Erlaubnis von Kombinat Fortschritt 

Der Neonazi Marcus G. ist vom Amtsgericht Greifswald der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Greifswalder im Sommer letzten Jahres am Rande einer NPD-Kundgebung auf dem Greifswalder Marktplatz einen Gegendemonstranten in vollem Lauf getreten und dabei erheblich verletzt hatte. Begleitet wurde die Verhandlung von etwa 80 AktivistInnen, die vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung abhielten und die Plätze des Sitzungssaales besetzten. Der Betroffene zeigte sich nach der Verhandlung nicht zufrieden mit dem Urteil.

Solidaritätskundgebung vor dem Greifswalder Amtsgericht

Die Polizei war mit zahlreichen BeamtInnen vor Ort, doch es blieb alles ruhig. G. selbst fuhr begleitet von seiner Freundin und Zeugin Nicole B. und seinem Mitbewohner in einem Taxi direkt vor die Tür des Gerichts. Grinsend begrüßte er anwesende AntifaschistInnen mit Namen, zog es dann aber vor, von PolizistInnen ins Gebäude eskortiert zu werden. ProzessbeobachterInnen, Nebenklageanwalt und Nebenkläger wurden in einer langwierigen Prozedur einzeln kontrolliert und konnten das Gebäude erst danach betreten.

In der Verhandlung berichtete der Geschädigte von erheblichen Verletzungen durch den Sturz, die ihm auch heute noch Schmerzen bereiteten, sowie psychischen Auswirkungen des Angriffs. So überlege er sich heute zweimal, ob er am Abend noch aus dem Haus gehe und welchen Heimweg er nehme. Marcus G. gab zu, getreten zu haben. Angesichts eines Videos, das die Tat und ihre Umstände deutlich zeigt und im Internet veröffentlicht wurde, blieb ihm auch kaum etwas anderes übrig. An seine Gedanken zum Zeitpunkt des Zutretens und die Zeit vor und nach dem Angriff, konnte oder wollte er sich nicht erinnern. Er gab vor, sich wegen seines hohen Adrenalinspiegels und aus Angst um seine Freundin an nichts mehr erinnern zu können. Die Richterin überzeugte das jedoch nicht.

Der ursprünglich aus Berlin stammende G. ist in Greifswald seit Jahren als Anti-Antifa-Fotograf unterwegs und bekannt für Einschüchterungsversuche. Sein rechter Hintergund war jedoch kein Thema, und wurde auch von Seiten der Nebenklage nicht erwähnt. Staatsanwaltschaft und Nebenklage forderten eine Strafe von jeweils 90 Tagessätzen in unterschiedlicher Höhe. Sein Verteidiger plädierte auf Freispruch. Das Gericht verurteilte ihn schließlich zu 80 Tagessätzen zu je 20 Euro Geldstrafe, dazu muss er die Kosten des Verfahrens und der Nebenklage tragen, ist jedoch nicht vorbestraft. Strafmildernd wertete die Richterin unter anderem das Geständnis, strafverschärfend hingegen die „hinterrückse“ Ausführung der Tat. Darüber hinaus kann der Geschädigte auch Schmerzensgeld geltend machen. Gegen die Entscheidung des Gerichts kann binnen einer Woche Berufung eingelegt werden. Der Betroffene zeigte sich mit dem Urteil nicht zufrieden, will aber zunächst über weitere Schritte nachdenken.

Als G. und seine BegleiterInnen durch den Nebeneingang hinaus geschlichen waren, traten sie im Taxi und mit Polizeieskorte den Heimweg an. Dabei zeigte er den KundgebungsteilnehmerInnen zum Abschied den Mittelfinger. Da sowohl G.e, als auch der Geschädigte Studierende der Universität Greifswald sind, könnte es nun noch einmal spannend werden. Denn in der Immatrikulationsordnung behält sich die Uni das Recht vor, Studierende zu exmatrikulieren, wenn sie Straftaten gegen andere Angehörige der Hochschule verüben. Sollte das Urteil gegen G. nun rechtskräftig werden, wäre dieses Kriterium erfüllt, zumal der Verletzte auch Mitglied des Studierendenparlaments (StuPa) ist.

Verurteiler Neonazi auf dem Heimweg im TaxiIn 14 Tagen, am 29. April, steht G. übrigens schon wieder vor Gericht, dann zusammen mit Nicole B. Beide sind wegen der Beschädigung von Wahlplakaten angeklagt.

 (Fotos: Hans Schlechtenberg)

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10 Gedanken zu „Neonazi Marcus G. wegen Körperverletzung zu empfindlicher Geldstrafe verurteilt

  1. „Da sowohl G.e, als auch der Geschädigte Studierende der Universität Greifswald sind, könnte es nun noch einmal spannend werden. Denn in der Immatrikulationsordnung behält sich die Uni das Recht vor, Studierende zu exmatrikulieren, wenn sie Straftaten gegen andere Angehörige der Hochschule verüben. Sollte das Urteil gegen G. nun rechtskräftig werden, wäre dieses Kriterium erfüllt“
    Wie bereits oben formuliert wurde die Tat als Ordnungswidrigkeit gewertet und nicht als Straftat (ab 1 Jahr Haftdauer), insofern ist die Formulierung der Immatrikulationsordnung nicht anwendbar auf den Fall.

    1. In der Immatrikulationsordnung heißt es konkret:

      „Exmatrikuliert werden können Studierende, die Einrichtungen der Hochschule zu strafbaren Handlungen nutzen oder gegenüber Mitgliedern und Angehörigen der Hochschule strafbare Handlungen begehen.“

      Nach meiner Auffassung wäre das theoretisch durchaus anwendbar. Jedoch wird sich die Uni davor hüten.

    2. Körperverletzung soll also nur eine OWi sein? Das ist doch quatsch, straftatsbestände, für die man in der regel nicht in den knast geht, sondern geld zahlen muss, gibt es ja nun einige. Trotzdem sinds ja straftaten.

    3. Schlicht falsch! Eine Körperverletzung ist KEINE Owi, sondern eine Straftat. Wegen einer solchen ist G. verurteilt worden.
      Da aber die Strafe unter 91 Tagessätzen geblieben ist, kann G. sich im Sinne des Bundeszentralregistergesetzes als unbestraft bezeichnen. Aber nur in diesem Sinne!
      Die Immatrikulationsordnung stellt aber nicht auf das Bundeszentralregistergesetz ab, sondern spricht lediglich von „strafbaren Handlungen“. Ob da noch Auslegungsmöglichkeiten bestehen, wage ich zu bezweifeln.

    4. Mir deucht, du bringst verschiedene Begrifflichkeiten durcheinander.
      Das Kriterium der im Mindestmaß von einem Jahr angedrohten Freiheitsstrafe dient der Differenzierung zwischen Vergehen und Verbrechen.
      Beides sind Straftaten.

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