Brinkstraße 16-17 nach Demonstration besetzt

Die von dieser Initiative unabhängige "Brinke WG" ist nun kurzerhand selbst eingezogen

Die Brinkstraße 16-17 ist seit heute Nachmittag besetzt. Was anmutet, wie ein 18 Jahre zu spät abgefeuerter Tweet, ist zumindest gegenwärtig ganz real. Damit kommt nun doch noch etwas Schwung in den öffentlichen Streit um das Häuserensemble, der am Donnerstag vor dem Greifswalder Amtsgericht verhandelt wird.

Zunächst aber zogen etwa 150 Personen, die sich um 17 Uhr am Amtsgericht versammelt haben, mit Schildern, Transparenten und Kinderwagen über den Wall und durch die Innenstadt, wo sie gegen den Abriss der Brinkstraße 16-17 protestierten. In mehreren kurzen Redebeiträgen wurde auf andere gefährdete Häuser entlang der Demoroute hingewiesen. Neben Dompfarrer Gürtler sprachen auf dem Marktplatz auch der Hochschulpolitiker Martin Grimm (SDS) sowie ein unmittelbarer Anwohner der Brinkstraße 16-17. Die Redner sprachen dabei nicht ausschließlich über das bedrohte Gebäude in der Brinkstraße, sondern thematisierten auch den angespanten und überteuerten Greifswalder Wohnungsmarkt im Allgemeinen.

transparent an der brinkstraße 16-17(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Aus dem Lautsprecherwagen dröhnte ein gut zwanzig Jahre alter Protest-Soundtrack mit Hits von Chumbawamba bis Roving Bottles, so dass die ausgewählte Musik sich zumindest im subkulturell-zeitlichen Sinn ganz gut auf die später folgende Aktion einstellte.

Nachdem der Demonstrationszug die Brinkstraße erreichte, dauerte es nicht lange, bis eine kostümierte Person an einem Fenster im Obergeschoss auftauchte und eine Erklärung verlas, die leider nicht sehr gut zu verstehen war, deren Inhalt sich aber mit den in diesem Kontext zur Genüge gedroschenen Schlagwörtern von A wie Abriss über G wie Gentrifizierung bis W wie bezahlbarer Wohnraum zusammenfassen lässt.

Die „Brinke WG“ erklärte ihren kurzfristigen Einzug und hat das Obergeschoss des Hauses okkupiert. Die frischgebackenen Hausbesetzer beschreiben sich selbst als eine bunt gemischte Gruppe, die mit der Besetzung den Abriss des Ensembles zu verhindern sucht und für eine soziale Wohnungspolitik demonstrieren möchte. Sie besteht nach eigenen Angaben sowohl aus Greifswalder Bürgern, die in den 1980er Jahren den Flächenabriss in der Hansestadt mitbekommen haben und dessen Wiederholung verhindern wollen, als auch aus Zugezogenen, denen die herzliche Atmosphäre in der „Brinke“ geholfen habe, sich in dieser Stadt willkommen zu fühlen.

Brinke WG: „Wenn ziviler Ungehorsam als einziger Weg bleibt, dann gehen wir dieses Risiko ein“

Gemeinsam mit vielen Bürgerinnen der Stadt habe man auf vielen Wegen versucht, den Abriss zu verhindern. Da all diese Bemühungen nicht gefruchtet haben, sieht die „Brinke WG“ ihren Einzug in das Haus als letzte Möglichkeit, um das Ensemble vor der Abrissbirne zu retten. In einer ersten Stellungnahme geben sich die Besetzenden kämpferisch und überzeugt von ihrem Vorhaben: „Wenn Eigentum dazu berechtigt, ein funktionstüchtiges Haus verfallen zu lassen um dieses kulturhistorisch bedeutsame Zeugnis anschließend abzureißen, dann fällt es uns nicht schwer, die moralische Berechtigung dieses Eigentümers in Frage zu stellen. Wenn bezahlbarer Wohnraum gegen überteuerte Eigentumswohnungen eingetauscht werden soll, dann stellen wir uns quer. Wenn ziviler Ungehorsam nach dem Ausschöpfen aller rechtlichen und Dialog-Möglichkeiten als einziger Weg bleibt, dieses Unrecht aufzuhalten, dann gehen wir das Risiko hierbei gerne ein.“

Am Donnerstag findet am Greifswalder Amtsgericht die Verhandlung zwischen Mieter Hubert Ende, der sich vor einigen Jahren mit dem Bioladen Sonnenmichel in der Brinkstraße 16-17 einmietete und Investor Roman Schmidt, der den Gebäudekomplex abreißen und einen Neubau errichten möchte, statt. Es ist unwahrscheinlich, dass das Gericht zuungunsten des Hausbesitzers entscheiden wird.

Die „Brinke WG“ betont, dass sie trotz politischer Sympathien unabhängig ist von der „Initiative Brinke 16-17 erhalten“. Wer über die Besetzung informiert bleiben und etwas mehr über die Beweggründe der Besetzenden erfahren möchte, kann sowohl auf dem eigenen Blog, als auch bei Twitter am Ball bleiben.

16 Gedanken zu „Brinkstraße 16-17 nach Demonstration besetzt

  1. Greifswald ist auch nicht so groß. Mensch kann auch einfach hingehen. Hab gehört die freuen sich immer über Nachtisch, den wir gemeinsam beim Mittagsteilen teilen können.

  2. Wehe da zieht einer aus wenn es ungemütlich wird. Besetzung ist auch zwischen Weihnachten und Sylvester. Kleiner Tip: Jetzt losziehen und Kohlen besorgen.

    Ich halte die Besetzung, wie so ziemlich alles in diesem speziellen Fall, für einen unüberlegten und sinnlosen Schnellschuss.

    Mal sehen wie lange sie durchhalten. Ich behaupte: Wenn es nachts kalt wird gehen die ersten heimlich nach Hause. 😉

  3. an klaus: Wenigstens unternehmen die etwas und sitzen nich schon 6.40 zu Hause vor ihrem Computer. Besser lebendig als eingestaubt…
    Ich drücke jedenfalls alle Daumen und wünsche Durchhaltevermögen

    1. Du hast Recht. Früh aufstehen um den Lebensunterhalt zu bestreiten liegt Dir fern.
      Überhaupt, arbeiten… Da ist eine Wohnungsbesetzung erstmal günstiger. Und man kann länger schlafen.

      Wenn man bedenkt, was nur Denkende vermögen, dass die Zeitangabe hier um 2h addiert werden muss.
      Es war also wirklich schon 8:40 Uhr als ich den Kommentar schrieb. Unglaublich 🙂

  4. Ja, das alles muß uns zu denken geben. Besetzerinnen, die um drei uhr nachts angebKich ohne strom bloggen.
    Kunden und kundinnen, die bei Besetzern kaufen, aber aus allen Wolken fielen, würde jemand ihre Wohnung besetzen oder gar Verträge mit ihnen in Frage stellen. und das alles in der Wolke „sonnenmichel ist lieb“ und “ das Haus ist so schön“ bis „ich will Freiraum, aber andere sollen dafür zahlen“ Das Haus ist angeblich so wertvoll, ist aber eines von vielen Dutzend die in den Greifswalder Vorstädten rumstehen, nur blöd, dass weder Kommunaler noch Landesdenkmalschutz ein Denkmal erkennen können. Und selbstverständlich würde Herr Ende woanders seinen Laden führen, aber die Kunden wollen ja, dass er Hausbesetzer ist.
    Möchte wissen, wer von den tollen Unterstützern dieser letztendlcih Dauerstraftat denn noch in historoischer Hütte mit Holzofen und Außenklo wohnt, oder sind die etwa alle aus Bequemlichkeit in moderne Gebäude gezogen?

    1. Rein technisch betrachtet ist es kein Problem, die Artikel automatisiert zu einer bestimmten Uhrzeit zu veröffentlichen. Dann gibt es natürlich die Option, dass man mit vollen Akkus durch die Nacht kommt oder einen externen Multiakku hat, mit dem die Geräte nachts aufgeladen werden. Und schlussendlich könnte es ja auch sein, dass die Besetzenden ihren Strom selbst erzeugen, z.B, mit nem umgebauten Fahrrad oder einem Mini-Fusionsreaktor. Insofern gibt es durchaus einige Details, die zu denken geben können.
      Wenn das Haus eins von vielen Dutzend seiner Art in Greifswald sein soll, dann kannst du sicher ohne Probleme 23 weitere Objekte — ich gehe mal davon aus, dass du „zwei“ meinst, wenn du vielen Dutzend schreibst“ — aufzählen, oder?

      Und schließlich: Außentoilette und Kohle-/ Holzofen ist nicht so wild und überhaupt kein archaisches Drama. Habe so 12 Jahre in der Fleischervorstadt gelebt und würde es auch wieder tun.

      1. hahaha. mal ein Zitat?: Lach dich glücklich, aber lach alleine!
        Wer lustig ist, kann ja mal durch dein Bloggebiet ziehen und die bauweise dokumemntieren. Das wäre dann nur eine der Vorstädte.
        (Wo war denn der Protest, als Bäcker Marquard fiel? 500m weiter und kein Hahn kräht! Das ist doch alles verlogen und verklausuliert.)
        Und du wohnst ja, deinen Worten zufolge komfortabler, scheint auch selbst gewählt?! (und sei dir auch von Herzen gegönnt). Nur Deine Antwort wiederlegt ja nicht die Diskrepanz.

        Und wo wir schon bei Wohnraum sind:
        Mir schwirrt da die Tatsache im Kopf herum, dass auf der Fläche viel mehr Wohnraum entsteht, als dort je saniert (selbstredend auch (und sogar im Umfaeld) preistreibend, egal ob durch Schmidt oder Ini saniert) werden könnte. das hat einen entlastenden Effekt auf den Wohnungsmarkt. Sollten wir nicht für mehr Wohnungsbau demonstrieren? Damit nicht nur Studis, sondern auch Familien mal wieder ne Wohnung abbekommen.

        Und die Teuerung im Wohnraum kommt auch vom energiesparenden Hausdesign, dass hier im Blog doch alle wollen?!
        Oder ist hier der Wunsch nach Kohlebefeuerten Dünnwandwohnungen vertreten?

        1. Na dann zieh mal durch Bloghausen und zähle historische Gebäudesensemble dieser Art, denn es geht nicht nur um die Geschosshöhe sondern auch um die angeschlossenen Gebäude und Gewerberäume auf der Rückseite. Ich bin gespannt, wieviele du da zusammenkriegst.

          Ich finde den Vergleich zwischen Bäckerei Marquardt und der Brinke16-17 schon schwierig, viel schwieriger finde ich aber, einer Gruppe, die seit 1,5 Jahren für den Erhalt eines Hauses kämpft, vorzuwerfen, dass sie ein anderes Gebäude fallen lässt.

          Zu meiner persönlichen Wohnsituation:
          Ich musste damals leider umziehen und konnte mein Wohnungskriterium „Ofenheizung“ ärgerlicherweise nicht auf dem Greifswalder Wohnungsmarkt verwirklichen, so dass ich jetzt etwa das Doppelte an Miete bezahlen muss. Meine Antwort mag die Diskrepanz vielleicht nicht unbedingt widerlegen, aber sie zeigt vielleicht, dass der Bedarf an günstigem Wohnraum größer sein kann als von dir gedacht und dass die Beweggründe nicht unbedingt durch Bequemlichkeit bestimmt werden, sondern manchmal auch einfach Aufgrund des Angebots.

  5. Die Entgegensetzung von wohlmeinenden Stadtentwicklern und vergangenheitsfixierten Besetzungsromantiker_innen geht doch auch irgendwie an einem der Kernprobleme vorbei: Abriss und Neubau geschehen nicht aus Nächstenliebe und Humanismus, sondern sind ein Geschäft für den Eigentümer. Und der macht erstmal kein Geschäft bei dem er weniger verdient, wenn er auch die Möglichkeit hätte mehr zu verdienen. Schaut er nicht auf seinen Profit, bleibt er nicht lange erfolgreich in diesem Geschäftsfeld, in dem er nicht allein operiert.

    Auf der anderen Seite gibt es absolut keinen Grund warum Räumungsbetroffene sich den Kopf von Investoren zerbrechen sollten. Der Wunsch nach bezahlbarem Wohnraum in einer selbstgewählten Umgebung ist absolut nachvollziehbar und legitim. Worauf es ankommt ist die Art und Weise in der dieser Widerspruch bearbeitet wird.

    Und wenn ich das recht verstanden habe, hat die Initiative da einige Schritt unternommen um für sich eine akzeptable Lösung zu finden und gleichzeitig den Interessen des Eigentümers Rechnung zu tragen, während der Eigentümer einstweilen darauf setzt, dass Zeit und Gerichte schon für ihn spielen werden. Das kann der so machen, das ist seine freie Entscheidung. Dass die Initiative und die Besetzer dann aber ihrerseits nicht klein beigeben und die Auseinandersetzungen auf Ebenen heben, die ihnen eine bessere Ausgangslage verschaffen könnten ist soo unnachvollziehbar nun auch nicht.

    Über den Kreis der unmittelbar betroffenen hinaus wirft die ganze Sache natürlich auch für das Publikum die Fragen auf: In welcher Stadt wollen wir eigentlich leben? Wessen Beitrag zur Stadt wird wie gewürdigt? Wer braucht eigentlich welche Art von Stadtentwicklung? Sind Bewohner_innen eines Quarties nur Mieter_innen oder Abzahler_innen von Raten für eine Eigentumswohnungen oder lebt ein Viertel erst durch die Menschen, die es bewohnen (sei es nun mit Mietvertrag, Eigentumstitel oder ohne sogenannten festen Wohnsitz)?

    1. Wer hat denn wann an der Bauleitplanung teilgenommen? Wo waren die Menschen, die ihr Viertel gestalten wollten? Alles Diktatur hier, oder wie? Schwarzbauten hat Herr Schmidt doch wohl nicht errichtet?

      Die Einflußnahme der Gemeinde kann sehr groß sein, hier war sie offensichtlich seit Jahren nicht gewollt. Auch von den BesetzerInnen haben wir in den letzten Jahren niemanden in Ausschüssen oder Bürgerschaft mit Engagement gesehen.

      Herr Ende hatte die Möglichkeit zu kaufen und hat sie ausgeschlagen, von der Ini war da niemand, der es übernommen hätte. Da ist das Haus an Schmidt verkauft worden, der den ganz normalen Weg gegegangen ist und seine Pläne beantragt und(!!!!!) bewilligt bekommen hat.

      Es scheint ein unfaires Heulen, das da nun einsetzt. Nein, es ist eher sogar Machtmißbrauch. Nur weil ich nicht will, soll ein anderer nicht dürfen. Weit weg von jeder Idee eines demokratischen Miteinander. Ganz Kleinbürgerlich. Aber schön links angemalt.

      Deiner Logik folgend sollten demnächst also die Nationalen einfach mal „linke“ Räume besetzen und einer dem „Volksempfinden“ sinnvolleren Verwendung zuführen?
      Eigentum ist ein ganz wichtiges Recht, um in Frieden zusammen leben zu können. Auch das Recht auf Land/Wohneigentum. Herrn Schmidt das einfach abzusprechen führt in ganz fatale Wege!

      Sollen demnächst die Majorität der normalen Bauern die Äcker der Lieferanten vom „bioladen“ übernehmen, weil sie sicher der Meinung sind, da für die Gesellschaft mehr rausholen zu können?

      Oder soll hier dem Ladendiebstahl im Sonnenmichl das Wort geredet werden, weil es ja eh kein zu achtendes Eigentum gibt, wenn die Mehrheit das so will?

  6. Aalso mal ganz grundsätzlich, ich habe bewusst nicht polemisch formuliert und ich schätze es wird der Wahrheitsfindung nicht abträglich sein, wenn wir dabei bleiben. Ich kann aber auch hässlich, wenn ich soll. 😉

    „Es scheint ein unfaires Heulen, das da nun einsetzt. Nein, es ist eher sogar Machtmißbrauch. Nur weil ich nicht will, soll ein anderer nicht dürfen. Weit weg von jeder Idee eines demokratischen Miteinander. Ganz Kleinbürgerlich. Aber schön links angemalt.“

    Dein Kommentar insbesondere auch die spätere Passage über das Privateigentum liest sich ja fast so als sei in Greifwald eine Räterepublik ausgerufen worden und als wenn demnächst wieder mal ne Bodenreform ansteht. 😀 Ob das alles so schlechte Ideen wären, möchte ich hier mal außen vor lassen. 😉 Schauen wir uns doch einfach das komplette Bild zu dem Ist-Zustand an, den du bereits begonnen hast zu schildern. Der Schmidt ist den vorgesehenen Weg gegangen und über Details dieses Prozesses befindet demnächst das Gericht. Die Initiative und die Besetzer_innen haben bislang gute Presse bekommen, das ist für die Aktenlage beim Gericht allerdings unerheblich. Und wenn wir uns nun noch darauf einigen können, dass de facto in Greifswald noch nicht der Kommunismus eingeführt wurde, so sieht die ganze Angelegenheit doch schon halb so dramatisch aus, oder?

    Wo die von der Initiative und den Besetzer_innen meiner Meinung nach einen Punkt hätten, ist das Argument, dass ein Recht zum Kaufen immer auch vorraussetzt, dass genügend Kapital vorhanden ist. Wer keines hat, schaut halt in die Röhre – so weit, so normal der kapitalistische Alltagsvollzug. Nun kann man aber schon die Frage stellen, ob das immer sinnvolle Ergebnisse bringt, wenn nur die Rationalität des Marktes herrscht? Wie verändert sich bspw. ein Quartier, wenn Eigentumswohnungnen in erster Linie als Anlagemöglichkeiten fungieren und nicht dem Zweck dienen Menschen, die dort im Stadtteil schon leben bezahlbaren Wohnraum zu geben?

    1. Das ist ja schön, dass Du nicht hässlich magst, ich auch nicht.

      Wir brauchen keine Räterepublik, funktioniert auch nicht richtig. Zu viel Funktionärstum, was hinten raus kommt. Aber dieses Geheule, es würde etwas Schönes (?) durch etwas Hässlicheres, Neues ersetzt ist eben so dumm, weil andere Kommmunen (und ihre BürgerInnen) vorgemacht haben, wie ein gewünschtes Erscheinungsbild geschützt werden kann. Wir brauchen auch nicht so weit zu laufen, in der Innenstadt war der Konsens gegen Satelitenschüsseln und Solaranlagen (da hätten die Ausschüsse auch so einige andere Sünden verhindern können, wenn sie gewollt hätten).
      Hier ein Loop zu Deinem vorletzten Satz: Die Satzung hierzu hieße „Veränderungssperre“ und wurde nicht gewünscht oder beantragt.

      Deinen letzten Absatz finde ich schön, drum will ich stärker drauf eingehen:
      Der Fall geht im Urschleim auf den Bioladen zurück, der dort nur (!!!) reinwollte, weil es billig war. Wäre da schon ordentlich Miete gezahlt worden, wäre es ggf nie zum Verkauf gekommen. Aber: geschenkt.
      Nun war das Angebot an Ende: Kauf doch. Da hätte Ende Kapital sammeln, leihen etc können. Wollte er nicht: sollte billig für alle bleiben.
      Hätten alle zusammenlegen können, aber Solawi wollte keine Miete zahlen, Cafe sollte auch schwarz laufen usw usw. Freiraum halt für lau.
      Das geht nicht mal im Klex: wer Party machen will, muss zumindest die Kosten tragen.
      Wie Du darauf kommst, daß es hier um Anlagemöglichkeiten geht, ist mir schleierhaft. Die Wohnraumknappheit ist zum Greifen nah und der Einzelverkauf von Wohnungen ist eine legetime Finanzierungsform (zur Verteilung der Risiken).
      (Von den Beteiligten wollte offensichtlich keiner die Risiken eingehen, das Objekt zu kaufen und zu entwicklen. Und wenn es jetzt heißt: Der Preis war von Spekulation getrieben, mir fallen doch gleich diverse Objekte ein, in die dann ersatzweise hätte investiert werden können.)

      In der Tat gibt es inzwischen vielfältige Modelle, zusammen Wohnraum zu finanzieren. Aber auch hier sprang niemand übers Stöckchen.

      Die Stadt (wir BürgerInnen) wollten ja lieber eine Stadthalle als neue kommunale Wohnungen in der Innenstadt. Die Möglichkeit besteht fort, wird aber nicht wahrgenommen.

      Ich verstehe diese Schuldzuweisungen an Schmidt nicht. Wer sich so erfolglos um seinen (?) Stadtteil bemüht, sollte sich an die eigene Nase fassen. Es gibt und gab Regeln, die halt niemand in die Hand genommen hat.
      Ehrlich wäre sich zu diesen Versäumnissen zu bekennen. Oder zu sagen: Die Mehrheit war dagegen. Und dann wäre die Frage, warum die Minorität die Majorität beherschen will.

      Worauf läuft es am Ende raus: Schmidt sucht sich Hilfe bei der Polizei, im dümmsten Fall zahlt die Allgemeinheit die Zeche und HGW hat doofe Presse.
      Andere, schlimmere Szenarien will ich nicht malen.
      Und wer hilft Herrn Ende, wenn er am Ende kräftig zahlen muß? Gibt es schon einen Unterstützerfond? Oder ist die Solidarität bei ihm schon da zu ende, bei ihm zu solchen Preisen einzukaufen, daß er nichtmal ein anderes Geschäft leisten kann?

  7. Unter dem Strich lese ich bei dir an vielen Stellen eine Haltung durch die sagt, es ist jetzt nun mal wie es ist. Chancen wurden vertan, Prozesse sind gelaufen wie sie gelaufen sind und das isses nun wo wir sind. Get over it!

    Warum mir die Initiative und die Besetzer_innen sympathisch sind, ist aber der Punkt dass sie – wenn auch spät – sagen, so wie es ist, soll es nicht bleiben.

    Im Grunde rührt das an einem uralten Problem mit dem sich die Theoretikerinnen und Theoretiker der Demokratie von Anfang an also seit der griechischen Antike herumplagen. Du machst dir Sorgen um eine Diktatur der lauten Minderheit auf Kosten der schweigenden Mehrheit. Das Desinteresse an Prozessen und Abstimmungsverfahren interpretierst du zumindest von dem daraus resultierenden Effekt her als eine implizite Form der Zustimmung. Das ist soweit nachvollziehbar und wie bereits erwähnt ein klassisches Argument. Wenn deine Konsequenz aber generalisiert würde, so stellt sich die Frage, wie in einer Demokratie überhaupt ein Wandel zustande kommen können soll, wenn nicht durch eine lautstarke Minderheit, die durch politische Überzeugungsarbeit eine neue Mehrheit wird (oder daran scheitert). Überzeugungen sind ja nicht vorraussetzungslos und ohne Diskussion in der Bevölkerung vorhandenund müssen nur wie eine Art volonté générale zum Ausdruck gebracht werden.

    Letztlich würde ich sagen, dass von der Möglichkeit für beliebige Minderheiten Einspruch erheben zu können der demokratische Charakter eines Gemeinwesens abhängt. Damit ist nicht gesagt, dass solche Einsprüche am Ende immer zum angestrebten Erfolg führen.

    P.S.: Eine Räterepublik würde man ja gerade dann bilden, wenn man im Einverständnis mit vielen anderen dem Funktionärstum einer revolutionären Avantgarde nicht so sehr über den Weg traut, wie den Fähigkeiten der Menschen, die sie betreffenden Angelegenheiten alleine zu regeln. 😉

  8. Ganz allgemein: Erfreulich, dass dieses Ereignis so viel Denkarbeit provoziert. Auch, dass der Zynismus sich in Grenzen hält. Er scheint dennoch notwendig, weil Rationalität in dieser Debatte nicht genügt.
    Wie dem auch sei – ich sehe, dass bereits einige Aspekte ausführlich erörtert wurden und sich die Diskussion nun generalisierender Kritik zuwendet. Das mag ebenfalls notwendig sein, weil mit einem weiteren Fokus die Wichtigkeit und Legitimität solch direkter Aktionen umso deutlicher werden kann. Nun aber das Konfliktfeld „linker“ gegen „nationaler“ Räume gleich mitthematisieren zu wollen, führt zu weit. Dazu gleich noch Ladendiebstahl im „Sonnenmichel“ als legitime Protestform anzubieten, verstehe ich mal als wütendes Geträller eines Rohrspatzes, dem die Melodien ausgegangen sind. Sollte sich trotzdem wer moralisch dazu legitimiert fühlen, dann sage ich: Nur nicht erwischen lassen! Da ließe sich’s vor Gericht sonst nur mit Mundraub als Motivation aus der Affäre stehlen.
    Aber um mal wieder zu einer konstruktiveren Ebene zurückzukehren: Eine Besetzung entfernt nicht das Eigentum von seinem Eigentümer. Das dürfte klar sein und den gravierenden Unterschied zum Diebstahl deutlich machen. Eine Besetzung wirft erst einmal nur Ansprüche auf, wie mit dem Eigentum umgegangen werden soll. Dabei mag die phonetische Nähe von „besitzen“ und „besetzen“ zu dem Irrtum beitragen, dass durch eine Besetzung gleichzeitig Besitzansprüche formuliert werden. Vor ein paar Jahrzenten mag dieser Irrtum auch gar kein Irrtum gewesen sein, aber so wie ich den Fall Brinkstraße 16-17 wahrnehme, geht es den Besetzer_innen darum Herrn Schmidt unter Druck zu setzen seine Rolle als Eigentümer zu hinterfragen. Ein Gericht würde das sicherlich nicht tun, das wurde schon richtig festgestellt. Doch in der ganzen Debatte um diesen Gebäudekomplex fällt mir stark auf, was auch gesamtgesellschaftlich kaum noch hinterfragt wird und im Grundgesetz verankert ist: Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (Art. 14, Abs. 2 GG) Da es sich im Falle einer Immobilie um Eigentum mit sozialer Relevanz handelt, steht der Eigentümer ganz eindeutig in sozialer Verantwortung. Weil es in Greifswald jedoch immer mehr an für die Allgemeinheit bezahlbarem (!) Wohnraum mangelt, muss die Aufmerksamkeit dann auch stärker darauf gelegt werden. Hier nur auf ein ordnungsgemäßes Genehmigungsverfahren zu pochen, ist ungenügend. Und ob Herr Schmidt dort nun ein mehrgeschossiges Mehrfamilienhaus, Eigentumswohnungen oder was auch immer geplant hat (die Medien scheinen sich da nicht einig zu sein), ist erst einmal zweitrangig, denn wenn er keine Dialogbereitschaft zeigt, wage ich zu unterstellen, dass er diese Verantwortung ignoriert. Die Initiative „Brinke 16-17 erhalten!“ hingegen wirbt für ihre Sache zumindest mit der klaren Formulierung zur Bereitstellung von sozialem Wohnraum. Darüber hinaus besteht die Intention diesen Gebäudekomplex auch zum Entfaltungsraum für andere Initiativen und Projekte werden zu lassen, was als zusätzlicher Beitrag zum Gemeinwohl verstanden werden kann. Dass es eben auch an diesen Räumen mangelt, dürfte spätestens im Ringen um die Stralsunder Straße 10-11 deutlich geworden sein.
    In diesem Kontext von Minderheitendiktatur sprechen zu wollen, halte ich für ebenso wenig haltbar, wie das Beharren auf Bürgerbeteiligungsverfahren. Zum Ersten lässt sich schon einmal festhalten, dass sich bereits 1000 Unterzeichner_innen fuer den Erhalt der Brinkstraße 16-17 ausgesprochen haben. Außerdem sind die Menschen der Initiative, ihre Unterstützer_innen sowie die Besetzer_innen meines Erachtens eher als die öffenlich wahrnehmbaren Akteure zu betrachten, hinter denen eine ganze Nachbarschaft steht, die sich ein derartiges Engagement nur nicht mehr trauen oder vielleicht auch einfach nicht mehr genug Kraft dafür hat. Und wenn jetzt schon das Fass der Demokratiedebatte offen ist, dann lässt es sich mit der Mehrheits-/Minderheitsdiskussion nahtlos zum Zweiten überleiten. Was sagt es denn über das Vertrauen in die hiesige Politik, wenn die Wahlbeteiligung in der Kommune nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung erreicht? Dass es so wenige Menschen fuer sinnvoll erachten sich in Ausschüssen und Bürgerschaften zu engagieren mag vielleicht auch daran liegen, dass, wenn sie es denn einmal versuchen, sie nicht mit dem Gefühl verbleiben, dass ihre Vorschläge ernst genommen werden. Und wem wird hier überhaupt Verlogenheit unterstellt? In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass sich die Greifswalder CDU noch im Mai diesen Jahres mit einer Mahnwache für den Erhalt von Baudenkmälern stark gemacht hat. Ganz vorne mit dabei war übrigens ein Schild auf dem geschrieben stand: „EIGENTUM VERPFLICHTET“. Konkret wurden zwar Gebäude der Innenstadt addressiert, doch lässt sich daraus zumindest eine zweifelhafte Gewichtung bezüglich dem Erhalt von historischer Bausubstanz erkennen. Inkonsistente Politik lautet daher meine Anklage, wenn sich der Oberbürgermeister nun der Bitte verweigert als vermittelnde Kraft an einem Runden Tisch der Konfliktparteien nachzugehen. Mögen Runde Tische „Instrumente der Zivilgesellschaft“ sein, worauf soll das Instrument der Mahnwache denn bitte hinweisen? Selektive Anteilnahme – wenn’s nicht interessiert, wird sich’s schnell wieder auf dem Verwaltungssessel bequem gemacht.Wenn also befürchtet wird, dass Greifswald negative Presse auf sich ziehen würde, dann könnten die sogenannten Vertreter der Stadt ja auch darauf hinwirken, dass eines der Tauschgrundstücke akzeptiert werden würde. So bekäme doch jeder, was er will. Die Initiative und die Besetzer_innen ihr Häuschen, Herr Schmidt seinen Baugrund und die Familien ihre Eigentumswohnungen!
    Außerdem: Wie wichtig ist das Argument des Kapitalinteresses? Jeder soll leben können, aber immer im Respekt vor den Bedürfnissen der Mitmenschen. Doch wenn die Bevölkerung nicht mehr mitbestimmen soll, bedeutet das im Umkehrschluss, dass dann dem Markt die Entscheidungshoheit zufällt? Wenn so argumentiert wird, dann darf auch nicht außer Acht gelassen werden, was Tourist_innen an Städten wie Greifswald fasziniert. Nämlich der Duft und Charme der Historie. Doch auch wenn die zwar ordentlich Geld in die Kassen der Stadt spülen, sind sie noch schneller wieder weg, als die tausenden Student_innen, fuer die Greifswald nach wie vor nur eine Durchgangsstation ist. Es wäre utopisch zu glauben, dass sich das so schnell ändern wird, aber die gegenwärtige Stadtentwicklung lässt auch leider nicht vermuten, dass sich das überhaupt ändern soll. In dieser Hinsicht möchte ich die bereits gestellte Frage „In was für einer Stadt wollen wir eigentlich leben?“ noch einmal aufgreifen. Sollte eine Stadt wirklich nur Wohnraum bieten, oder sollten wir sie nicht vielmehr als einen Lebensraum verstehen? Sicher, Wohnraum ist hier knapp, ganz besonders aber sozialer Wohnraum. Und in der Debatte um die Brinkstraße 16-17 wird doch wieder einmal deutlich, dass es in Greifswald sowohl daran, als auch eben an Lebensräumen mangelt. Bestimmt könnten in einem mehrgeschossigen Neubau mehr Menschen wohnen, als in den vorhandenen Räumlichkeiten des Vorstadthauses. Doch zum Einen wäre es zu einseitig in dieser Problematik nur auf die Brinke zu zeigen, wo an anderer Stelle Wohnraum für Parkplätze (!) weichen soll bzw. reichlich ungenutzter Leerstand eine künstliche Knappheit vermuten lässt, zum Anderen sind es doch die Lebenswelten, in denen Menschen miteinander in Kontakt treten können, die einen echten Lebensraum schaffen und ihn lebenswert machen. Dabei ist nicht einmal die Rede von architektonischer Ästhetik und innerstädtischer Lagerfeuerromantik, sondern von einem Klima der Begegnung.
    Und wo wir gerade beim Klima sind und in anderen Kommentaren die energetische Effizienz angesprochen wurde. Nur denken alleine reicht halt auch nicht, wenn Mensch sich nicht informiert. Eigentlich traurig, dass das noch immer erklärt werden muss, aber auch alte Gemäuer wie diese lassen sich energetisch sanieren. Außerdem gibt es diverse technologische Errungenschaften, mit denen sich langfristig der Energiebedarft weiter senken lässt und wer glaubt, Mensch müsse im 21ten Jahrhundert einen Kachelofen noch mit Kohle beheizen, der sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht. Apropos Kachelofen. Mit ein bisschen Glück bleibt die Brinke ja stehen, und wer würde sich dann nicht über einen duftenden Bratapfel aus dem Kachelofen freuen, an dem mensch sich auch geich noch die Füße wärmen kann?!

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