Kunstpause: „Zwei Männer – ein Meer“ im Pommerschen Landesmuseum

Gastbeitrag von Maria-Friederike Schulze

Zwei Männer - ein MeerMan kommt fast nicht drum herum: Die passend zu den ausgestellten Werken meerblaue farbintensive Werbekampagne zur Ausstellung Zwei Männer – ein Meer überschwemmt Greifswald in ähnlicher Weise, wie es 2007 die Feininger-Sonderausstellung mit ihren gestalteten Bierdeckeln und Stadtbussen tat. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die aktuelle Sonderausstellung, in der bis zum 28. Juni ausgewählte Werke der deutschen Expressionisten Max Pechstein und Karl Schmidt-Rottluff in Greifswald präsentiert werden.

Das Drumherum

Ergänzt wird die Ausstellung zu den beiden Brücke-Künstlern durch ein umfangreiches Begleitprogramm, für das verschiedene (lokale) Akteure und Institutionen ins Boot geholt wurden. Neben unzähligen thematischen Führungen und Vorträgen, unter anderem von zwei Pechstein-Enkeln, werden auch von Studierenden des Caspar-David-Friedrich-Instituts produzierte Audio-Guides angeboten.

Sonderausstellung: Zwei Männer ein Meer

In Kooperation mit dem Institut für Deutsche Philologie finden Lesungen statt und sowohl das Kino auf Segeln als auch der Filmclub Casablanca konnten als Partner gewonnen werden. Ein bisheriger Höhepunkt war sicherlich die Lesung mit dem Deutschen Buchpreisträger Lutz Seiler, über die in der vergangenen Woche wortreich auf dem Fleischervorstadt-Blog berichtet wurde. Auch Schülerinnen und Schüler der Stadt wurden direkt in die Vorbereitungen der Ausstellung mit einbezogen: Innerhalb der Ausstellungsräume, die sehr umfangreich mit Informationsmaterial ausgestattet sind und zum Selbststudium einladen, wurde im Obergeschoss eine Art interaktiver Zeitstrahl-Tisch eingerichtet, der von Schülerinnen und Schülern des Humboldt-Gymnasiums gestaltet wurde und einige originelle Daten und Fakten parat hält.

Tischzeitstrahl im Pommerschen Landesmusem

Aber auch alle anderen dürfen mitmachen: Innerhalb der Ausstellung lädt die offene Werkstatt, deren farbenfrohe Wände ebenfalls in einem Schülerprojekt entstanden sind, kleine und große Gäste an verschiedenen Stationen zum Gestalten, Malen, Zeichnen, Stempeln, Texten und Verweilen ein. Unter dem Motto „Mein Meer – starke Bilder von der Ostsee“ können eigene Ostsee-Fotografien eingesendet werden; ausgewählte Arbeiten werden im Museum präsentiert und begleiten die Ausstellung. Für eine derart umfassende Kooperation, Vernetzung und Öffnung gebührt den Macherinnen ein großes Lob, nicht zuletzt, weil damit möglichst viele unterschiedliche Besuchergruppen zur Teilhabe an kultureller Bildung im Museum ermuntert werden.

Offene Werkstatt im Pommerschen Landesmusem

Mehr Schein als Sein?

Das Begleitprogramm findet sein Ende jedoch nicht in Vermittlungs- und Kreativangeboten, sondern wird mit ergänzenden kulinarischen Einfällen lokaler Restaurants gekrönt: Fischbrötchen und Expressionismus-Törtchen im Museum sind sicherlich Ansichtssache – zumindest aber haben sie den Beigeschmack der zunehmend zu beobachtenden und scheinbar unumgänglichen Eventisierung von Kunst- und Kultur, bei der die Grenzen zwischen Inszenierung und Vermarktung zu verschwimmen drohen. Doch diese heikle Klippe umschifft das Pommersche Landesmuseum dann aber in letzter Sekunde: Was die Fischbrötchen anbelangt, so kann Kuratorin Birte Frenssen vor Pechsteins Gemälde Ein Hecht und anderen Werken überzeugend darlegen, dass Angeln und Malen mehr gemeinsam haben, als man denkt – und so bekommt der kombinierte Genuss schließlich doch seine Berechtigung.

Vor allem aber hält der Inhalt der Ausstellung, was die umfangreich inszenierte Verpackung verspricht: Es ist schon eine beachtliche Leistung, eine so umfassende Sammlung an expressionistischen Gemälden, Zeichnungen und Drucken, aber auch privaten Bildern und Postkarten Max Pechsteins und Karl Schmidt-Rottluffs hier in Greifswald zu präsentieren. Ausgehend von Pechsteins Sonnenuntergang (1926), welcher bereits Teil der Dauerausstellung in der Gemäldegalerie des Pommerschen Landesmuseums war, wurden die Werke, seit das Berliner Brücke-Museum 2011 seine Unterstützung zusagte, über mehrere Jahre aus verschiedenen Sammlungen zusammengetragen.

Das Darin — die Bilder

Diese Bilder allein sind Grund genug, sich Zeit für einen Museumsbesuch zu gönnen; nicht nur wegen ihrer stilgeschichtlichen Relevanz, sondern schon aufgrund ihrer beeindruckenden Farbintensität, die kein Digital- oder Printmedium je wiedergeben kann – auch der qualitativ hochwertige Ausstellungskatalog muss leider aufgrund seiner raffinierten Falttechnik ohne großformatige Abbildungen auskommen.

Die ausgestellten Originale zeigen exemplarisch die Bandbreite typischer Gestaltungsmittel der Künstlergruppe Die Brücke, die sich 1905 in Dresden gründete und später nach Berlin umsiedelte. Unter dem von Gründungsmitglied Ernst-Ludwig Kirchner formulierten Motto: „Als Jugend, die die Zukunft trägt, wollen wir uns Arm- und Lebensfreiheit verschaffen gegenüber den wohlangesessenen älteren Kräften. Jeder gehört zu uns, der unmittelbar und unverfälscht das wiedergibt, was ihn zum Schaffen draengt“ entstand ein eigener Stil, der die Entwicklungen der Moderne mit prägte. In Anlehnung an das große Vorbild van Gogh, ist es vor allem der Drang nach Ablösung vom realistischen Vorbild hin zum Ausdruck subjektiver Empfindungen und Emotionen, der die Bildgestaltung bestimmt. So gehören expressiv gesteigerte, nach Autonomie strebende Farben, starke Kontraste und der sichtbare Pinselduktus ebenso zu den Markenzeichen der Brücke-Künstler wie die Reduzierung der Formen auf das Wesentliche und der Verzicht auf traditionelle Regeln der Perspektive oder der Proportionen.

Ausstellung "Zwei Männer -- ein Meer"

Bilder wie Schmidt-Rotluffs Spiegelnder See (1936) weisen den Weg hin zur Abstraktion. Auch die Auseinandersetzung mit der Kunst von Naturvölkern, die schon Gaugin inspirierte, schlägt sich erkennbar in den ausgestellten Malereien, Holzschnitten und den kleinen Steinskulpturen Schmidt-Rottluffs nieder. Gäste, die sich kunsthistorisch weniger bewandert fühlen, brauchen jedoch keine Berührungsängste zu haben, denn was in der Ausstellung präsentiert wird, ist nicht nur der Expressionismus der Brücke-Künstler, sondern auch die Liebe der beiden Maler zum Meer, zum Angeln und zur Ruhe der Pommerschen Abgeschiedenheit gegenüber der hektischen Großstadt.

Der Ausklang

Dieser Ruhe wird auch im Pommerschen Landesmuseum Raum gegeben: Etwas versteckt über der offenen Werkstatt lädt dort eine von Lucas Treise mit visuellen Farbklängen unterlegte Soundcollage des Klangperlentauchers Martin Hiller zum Luftholen nach der Begegnung mit der farbintensiven Malerei ein. Nebenan kann meditativ in Sand gekritzelt werden – Entschleunigung pur, die sonst häufig zu kurz kommt, auch in einer Kleinstadt.

Installation im Pommersches Landesmuseum

Mit der Sonderausstellung Zwei Männer – ein Meer ist dem pommerschen Landesmuseum eine sehr interessante und mit Liebe zum Detail aufbereitete Ausstellung gelungen, die nicht nur durch die Werke an sich, sondern auch durch ihre museumspädagogischen Angebote überzeugt.

Öffnungszeiten:

  • Dienstag bis Sonntag (Nov.-April: 10-17 Uhr, Mai-Okt. 10-18 Uhr)
  • Sonderöffnungszeiten im Rahmen der Sonderausstellung: siehe Begleitprogramm
  • Eintritt: 7/5,50 EUR (erm.), Familienkarte 15 Euro
  • Sparkassenkunden und Bahncard-Inhaber zahlen den ermäßigten Preis (Nachweis erforderlich)

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Maria-Friederike Schulze ist Kunstlehrerin und betreibt den Fachblog kunst-unterrichten.de. Sie hat bis 2009 an der Universität Greifswald Kunst und Englisch studiert.

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