Arena der Alltagsakrobaten — Susanne Kreckel feiert am Theater Vorpommern eine „Show des Scheiterns“

Eine Theaterkritik von Florian Leiffheidt

In einer Zeit, in der Fernsehprogramme Paare anhand ihrer nackten Körper zu verkuppeln suchen, in der es Filme braucht, um auf die Gefahren von überperfektionierten Vorstellungen hinzuweisen — in so einer Zeit erscheint die jüngste Inszenierung von Susanne Kreckel am Theater Vorpommern wie nahezu perfekt gesetzt.

MACHTkörper oder „Die Show des Scheiterns!“, eine Inszenierung, welche am vergangenen Freitag auf der Bühne des ausverkauften Rubenowsaals Premiere feierte, entstand in einer Arbeit Kreckels mit einem Team aus theaterinteressierten Bürger*innen Greifswalds, ein Umstand, welcher sich als Glücksfall erweisen sollte. Jung neben alt, heimisch neben zugezogen, Abiturientin neben Wissenschaftler — so viel sei zu der Konstellation der Darstellenden gesagt.

MACHTKörper Theater Vorpommern

Sie alle präsentieren ihre Geschichten von bzw. Erlebnisse mit ihren Körpern und allen erdenklichen Widrigkeiten, die durch gesellschaftliche Vorstellungen von Optimierung, Schönheits- und Gesundheitswahn entstehen können. Es werden zeitgleich jene Probleme verhandelt, welche der Körper seinen Besitzenden zu bescheren im Stande ist. Und, so viel steht fest, es ist ein Fest, diesem Zirkus der Alltagsakrobaten, diesem Panoptikum physischer wie psychischer Problemfälle zuzusehen. Hereinspaziert in die Manege der (vermeintlich) Missgebildeten!

Zwischen Alltagsbanalität und Intellekt

Dass das Konzept dieser herrlich-absurden Freakshow aufgehen kann, ist vielen Faktoren geschuldet, die in ihrer Summe für einen mehr als nur rein unterhaltsamen Theaterabend sorgen. Da ist der Text, welcher sowohl Banalitäten des Alltags als auch sprachlich höchst kunstvolle Einfälle bereithält. Da ist das wunderbar trashige Kostümbild von Pauline Stopp, der bekannten Greifswalder Künstlerin und Insomnale-Preisträgerin 2016, welches trotz schrillen Leuchtens seine Figuren keineswegs zu großer Lächerlichkeit preiszugeben versucht. Im Gegenteil, die Figuren erscheinen in ihren schrill-bunten Kostümen bei allerersten Lacher als ernst zu nehmende Figuren samt komisch-tragischer Geschichten — vom Schminktutorial bis zum Suizid ist es dabei manchmal nur eine Frage von wenigen Sätzen.

Körper als Thema – Körper als Mittel – Körper als Gegner?

Man muss resümieren, dass es der Inszenierung, der Regie, ja, dem gesamten Team um Susanne Kreckel, gelungen ist, ein wahres Fest der Körperlichkeit auf die Bühne zu bringen. Es wird geredet, geatmet, geschrien, gelaufen — das Leben wird zu einem buchstäblichen Lebens-Lauf (bei dem man nur nicht stolpern sollte!). Es werden herrlich berührende Szenen neben brüllend komische gestellt. Etwa, wenn sich sozusagen ein Chor der Kranken bildet, der sich von einer Krankenschwester geradezu durchdiagnostizieren lässt.

Den Darstellenden beim Präsentieren dieser Bilder zuzusehen, ist ein wahrer Genuss. Wie sie in ihren Figuren ihre Geschichten präsentieren, wie sie von einem nicht von dieser Welt stammenden Wesen, das eine Mischung aus Zirkusdirektor und Menschensammler zu mimen scheint (grandios: Johannes Hertel!) — all das beweist, was Theater zu leisten im Stande sein kann. Und das ohne Einsatz von riesigen technischen Hilfsmittel.

MACHTKoerper

Der Körper ist das Thema – gleichzeitig ist er aber auch das Hauptmittel von Kreckels Hommage an den körperlichen Makel. Die Inszenierung wird in wunderbarer Weise durch humorvolle, aber auch melancholisch anmutenden Musik von Christian Blume begleitet, der mit seiner Bärengeschichte für einen der berührenden stillen Momente des Abends sorgt. Ein rundum gelungener Theaterabend voller bunter Farben und voller kluger wie unterhaltsamer Einfälle, der mit jubelndem Applaus endete.

„MACHTkörper oder Die Show des Scheiterns!“ 

Inszenierung: Susanne Kreckel
Bühne/Kostüme: Pauline Stopp
Dramaturgie: Sascha Löschner
Musik: Christian Blume

Besetzung: Christian Blume, Jenni Duckwitz, Toni Fleischer, Laura Fouquet, Wiebke Gueldenpenning, Johannes Hertel, Maia Holzmann, Kathrin Lubig, Manu Malveiro, Alexandra von Swiontek, Christine Winckler

Termine:

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Florian Leiffheidt studiert derzeit Germanistik und Philosophie in Greifswald. Er absolvierte Dramaturgie- und Regiehospitanzen am Theater Vorpommern, u.a. bei Katja Paryla und Uta Koschel. Zudem inszenierte er 2012 am Studententheater Ionescos „Unterrichtsstunde“ und war bis 2013 bei der „Opernale“ tätig.

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