Ergebnisse der Kommunalwahl: Zehn Parteien in der Greifswalder Bürgerschaft

Das Auszählen der Stimmzettel zog sich gestern bis weit nach Mitternacht hin. Inzwischen stehen die vorläufigen Ergebnisse der Wahlen fest. Die große Siegerin des gestrigen Tags heißt CDU — die Christdemokraten konnten nicht nur die Europawahl erwartungsgemäß für sich entscheiden, sondern sind gleichfalls sowohl im Kreistag als auch in der Greifswalder Bürgerschaft wieder stärkste politische Kraft.

Trotzdem hat die CDU in der Bürgerschaft Federn gelassen und im Vergleich zur Kommunalwahl 2009 mehr als fünf Prozentpunkte verloren (25,3%), so dass die Fraktion nun nur noch über 11 Sitze statt über 13 Sitze verfügen wird. Auch DIE LINKE verliert zwei Sitze und wird trotz des zweitbesten Wahlergebnis (19,4%) in Zukunft nur noch 8 statt 10 Bürgerschaftssitze besetzen.

(greifswald.de)

Die SPD verzeichnete minimale Stimmengewinne und stellt wiederholt die drittstärkste Partei in der Bürgerschaft (14,2%). Wie in der vorherigen Legislaturperiode werden die Sozialdemokraten auch in den kommenden Jahren sechs Sitze besetzen. Die Grünen haben 0,2 Prozentpunkte verloren (10,6%), behalten jedoch ihre fünf Sitze im Rathaus.

Die große Wahlverliererin ist die FDP, die — dem Bundestrend folgend — im Vergleich zur letzten Kommunalwahl (8,6%) fast fünf Prozentpunkte verlor. Nur 3,7% der abgegebenen Stimmen konnten die Liberalen, die damit nur noch zwei statt vier Sitze besetzen werden, auf sich vereinigen. Zu den Verlierern gehört weiterhin die Bürgerliste Greifswald (7,4%), die an ihr Ergebnis von 2009 (10,1%) nicht mehr anknüpfen konnte und sich jetzt mit drei Sitzen begnügen muss.

Die Kompetenz für Vorpommern (KfV) erreichte zwar ebenfalls drei Sitze (7,2%), dürfte aber angesichts ihres teuren Wahlkampfs — kolportiert werden Wahlkampfausgaben in mittlerer fünfstelliger Höhe — ihr anvisiertes Ziel verpasst haben. Mit der KfV, der AfD (5,7%, zwei Sitze), der Piratenpartei (3,8%, zwei Sitze) sowie der Alternativen Liste (2,1%, ein Sitz) wurden vier neue politische Organisationen in die Bürgerschaft gewählt, in der damit nun insgesamt zehn Parteien und Wählerinnengruppen vertreten sein werden. Die beiden Einzelbewerber Matthias Bahner und Chris Patzke konnten nicht genügend Stimmen auf sich vereinen — sie schaffen es als einzige Kandidaten nicht in die Bürgerschaft.

Die Wahlbeteiligung lag bei 42,4 Prozent (2009: 39,8%) Die endgültigen Wahlergebnisse werden am Mittwoch um 18 Uhr vom Gemeindewahlausschuss im Rathaus präsentiert.

Zotensammlung zur Greifswalder Kommunalwahl 2014

Am Sonntag wird mal wieder gewählt. Dann können die volljährigen Greifswalder Wahlberechtigten insgesamt sieben Stimmen vergeben, denn zusätzlich zur Europawahl finden hierorts auch Abstimmungen über die zukünftige Zusammensetzung der Bürgerschaft und des Kreistags Vorpommern-Greifswald statt. 

Bei der Wahl der Greifswalder Bürgerschaft konkurrieren insgesamt 150 Kandidierende aus zehn Parteien (CDU, SPD, Linke, Grüne, FDP, Piratenpartei, AfD) und Wählergruppen (Alternative Liste, Bürgerliste, Kompetenz für Vorpommern) um 43 Sitze. Dazu kommen zwei Einzelbewerber, unter anderem Matthias Bahner, der vor zwei Jahren wegen seiner früheren NPD-Mitgliedschaft aus der Piratenpartei ausgeschlossen wurde. Im Gegensatz zur Kreistagswahl hat die NPD bei der Bürgerschaftswahl keinen Kandidaten aufgestellt.

Never ending Wahlkampfstory: zerstörte Wahlplakate

Wahlkampf, das ist auch die Zeit, in der die Fallzahlen politisch motivierter Sachbeschädigungen in die Höhe schnellen und Wahlplakate zerstört oder beschmiert werden. Bei der vergangenen Bundestagswahl waren davon neben der NPD besonders solche der LINKE, SPD und der Grünen betroffen, die zum Teil mit persönlichen Drohungen und antisemitischen Zeichnungen beschmiert wurden. In diesem Jahr gestaltet sich die Situation ganz ähnlich und doch ein bisschen anders.

Den Beginn machte die Alternative für Deutschland, die sich Ende April über die fortlaufende Zerstörung ihrer Wahlplakate beklagte. Der stellvertretende Vorsitzende der AfD-Vorpommern-Greifswald, Dr. Matthias Manthei, ist der Ansicht, dass die AfD offenbar die einzige Partei in Deutschland sei, die „planmäßig und organisiert verfolgt“ würde. Bleibt zu hoffen, dass Manthei nicht vom Glauben abgefallen ist, falls er die Anekdote seiner sächsischen Parteikameraden mitgekriegt haben sollte, die Bernd Luckes Konterfei auf Pappen klebten, welche bis zu deren Entwendung einer anderen Partei — nämlich der LINKEN — gehört haben sollen. Die einzige Partei, die unter der Zerstörung ihrer Wahlwerbung leidet, ist die AfD dabei wohl nicht!

So meldete Mitte Mai die LINKE, dass sie von einem Bürger darüber informiert wurde, dass ihre Wahlplakate in der Ladebower Chaussee von Wahlkampfhelfern der CDU um 90° gedreht und damit für die Autofahrenden so gut wie nicht mehr wahrnehmbar gemacht worden seien. Pikantes Detail: Die plakatierenden Christkonservativen sollen mit einem Firmenwagen des CDU-Fraktionsvorsitzenden Axel Hochschild unterwegs gewesen sein. Eine Besichtigung vor Ort habe schließlich ergeben, dass „tatsächlich alle Plakate der LINKEN und FDP um 90 Grad gedreht wurden. Augenscheinlich nur an den Laternenmasten, wo die CDU vorher plakatiert hat.“ Hochschild soll später zwar telefonisch eingeräumt haben, dass man beim Plakatieren auch die Plakate anderer Parteien schon mal berühren oder bewegen würde, den Vorwurf des gezielten Drehens der Konkurrenzplakate habe der Malermeister aber vehement abgestritten. Nur eine Woche später meldet sich Hochschild in einer Pressemitteilung zu Wort, in der er feststellt, dass sich „Übergriffe“ auf CDU-Wahlplakate häufen würden. Besonders oft habe es Plakate mit dem Motiv „Graffiti? Nein danke!“ erwischt. Für den Fraktionsvorsitzenden ist der Fall klar: „Wir scheinen mit unserem Graffiti-Plakat den Finger in die Wunde gelegt zu haben“.

Beschmiertes Wahlplakat Ibrahim Al Najjar SPD

Unter Angriffen auf ihre Plakate zur Kommunalwahl litt auch die SPD. Besonders schwer hat es Kreistagsmitglied Ibrahim Al-Najjar getroffen: In der Nacht von Donnerstag zu Freitag sollen über 40 seiner Plakate in Schönwalde II — er ist der einzige SPD-Kandidat mit eigenen Plakaten — zerstört worden sein. In der Gützkower Straße hängt seine Wahlwerbung zwar noch, wurde aber beschmiert und zeigt den in Syrien geborenen Kommunalpolitiker mit zusammengewachsenen Augenbrauen und dem obligatorischen Hitlerbart. Schlussendlich bleibt noch die FDP zu erwähnen, deren Wahlwerbung in der Greifswalder Südstadt vor zwei Wochen sprichwörtlich in Flammen aufging. Zerstörte Wahlplakate sind offenbar ein Problem, mit dem fast alle Parteien und Listen zu kämpfen haben.

Farce I: Grüne Krise und alternative Spalter

Im März wurde es amtlich: Die Grünen werden bei der Kommunalwahl mit anderen Kandidaten antreten als in der Vergangenheit. Der progressiv-aktionistische Flügel um Gregor Kochhan, Ulrich Rose und Michael Steiger wurde aus der Partei gedrängt — beziehungsweise hat sich aus der Partei drängen lassen — und ist inzwischen neuorgansiert als Alternative Liste. Bei der AL geht es wie gehabt mit lauter Polemik auf dem AL-Blog und realem Engagement auf der Straße weiter. Ob der Einzug in Bürgerschaft und Kreistag klappt, wird am Sonntag feststehen. Auf jeden Fall wird diese Spaltung Stimmen kosten.

Als ob das nicht schon genug wäre, geraten die Grünen zudem durch eine Erklärung eines früheren Mitarbeiters der Landtagsabgeordneten Ulrike Berger in Misskredit, die ein weiteres Negativlicht auf die parteiinternen Auseinandersetzungen der Grünen wirft. Am Ende dieser traurigen Soap hat ein Landtagsmitglied mit dem Arbeitsschwerpunkt Inklusion einen (leicht behinderten) Angestellten entlassen. Die Erklärung des Mitarbeiters, der seiner Partei zuvor die Mitgliedschaft aufkündigte und sich zukünftig auch keiner anderen Partei anschließen möchte, ist natürlich in höchstem Maße subjektiv und mit Vorsicht zu genießen, zeichnet aber trotzdem kein gutes Bild von den Grünen. Das Datum der Veröffentlichung ist offenbar nicht allein wahlkampftaktisch motiviert, sondern ergibt sich auch durch die zeitliche Fügung des angestrebten Parteiausschlussverfahrens.

Farce II: SPD-Unternehmer Norbert Braun und sein Nein zum Mindestlohn

Norbert Braun SPD Greifswald

Der Unternehmer Norbert Braun (SPD) sorgte Anfang Mai für Aufregung. Es ging um die Schließung von zwei seiner Firmen (RügenGut/Garz, Seafood/Valluhn) im Dezember 2013. Braun erklärte, er hätte die beiden angeschlagenen Unternehmen aufgrund des Mindestlohns schließen müssen, der vielen Arbeitnehmern ab dem kommenden Jahr bezahlt werden soll. Eine Sanierung der angeschlagenen Unternehmen sei bei diesem Lohnniveau nach Auskunft Brauns gegenüber der Ostsee-Zeitung nicht möglich gewesen — 80 Arbeitsplätze wurden aufgelöst.

Bei der CDU erkannte man das Polemikpotenzial dieses Themas und veröffentlichte einen bissigen Text mit dem uncharmanten Titel Ob ROT oder Braun– auf uns könnt ihr nicht bau’n! auf dem parteinahen Pommernblog. Die peinliche Leistung des Sozialdemokraten wird nur dadurch noch übertroffen, dass er nach wie vor verspricht, sich für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen einzusetzen.)

Farce II: CDU-Mahnwachen und harte Worte gegen untätige Investoren

Eine ähnliche Farce lieferte dann zu Wochenbeginn nochmal die CDU mit einer Mahnwache zur Rettung Greifswalder Baudenkmäler ab. Unter dem Slogan „Sanieren statt spekulieren!“ zogen Hochschild und Konsorten durch die Innenstadt. Viele Investoren hätten Geld nach Greifswald gebracht, doch es gäbe leider auch schwarze Schafe, für die nur der eigene Vorteil zähle, die auf steigende Grundstückspreise spekulierten und wertvolle Baudenkmäler verfallen lassen würden. Sascha Ott, Vorsitzender des CDU-Ortsverbandes Innenstadt, findet „eine solche rücksichtslose Profitgier […] widerlich“.

Die Christdemokraten versprechen, dass sich die neue Bürgerschaftsfraktion dafür einsetzen wird, dass sanierungsunwillige Eigentümer zur Rechenschaft gezogen werden: „Die maroden Baudenkmäler müssen nun endlich instandgesetzt werden. Das Recht auf Eigentum ist zwar die Grundlage unserer Wirtschaftsordnung. Aber wenn das Ende der Fahnenstange erreicht ist, werden wir auch über Enteignungsverfahren nachdenken“, wie Vorsitzender Axel Hochschild erklärte. So einen Tonfall hätten sich wohl viele Greifswalder gewünscht, als die CDU noch einen besseren Draht zum Investor Douglas Fernando (Petruswerk) hatte, der das denkmalgeschützte Gesellschaftshaus in der Stralsunder Straße 10 über Jahre verfallen ließ.

Praktische Infos zur Kommunalwahl

Die Wahllokale werden morgen früh von 8 Uhr bis 18 Uhr geöffnet sein. Zum Wählen wird ein Ausweisdokument und idealerweise auch die Wahlbenachrichtigung benötigt — letztere ist aber nicht zwingend erforderlich. Die Zwischenergebnisse werden ab 18 Uhr online veröffentlicht; in diesem Jahr zum ersten Mal auch mit einer für Smartphones optimierten Darstellung. Nach der Stimmenzählung der Europawahl werden die abgegebenen Voten für Kreistag und Bürgerschaft gezählt. Mit den ersten Wahlergebnissen sei nach Auskunft der Stadt nicht vor 20 Uhr zu rechnen, die Ergebnisse zur Bürgerschaftswahl würden vermutlich erst nach Mitternacht vorliegen. Morgen werden außerdem Korrespondenten der Forschungsgruppe Wahlen und des Umfrage-Instituts Infratest dimap unterwegs sein, die im Auftrag der ARD Befragungen zu den Europawahlen durchführen werden.

Wer sich abends auf einer Wahlparty amüsieren will, geht in die Brasserie Hermann (Die Grünen, FDP), ins Fellini (Bürgerliste), ins da Gianni (Kompetenz für Vorpommern), ins Sofa (Die Linke), In den Friedrich (CDU), in den Alten Speicher (AfD) oder ins Ravic (SPD).

Greifswald wählt, aber was macht Sebastian Jabbusch?

Kennt noch jemand webMoritz-Gründer und Arndt-Gegner Sebastian Jabbusch? Diese Zotensammlung zur Greifswalder Kommunalwahl soll mit einem von ihm verantworteten Video zur Europawahl,  das mittlerweile auch ausgezeichnet wurde, und dem eindringlichen Appell, morgen bitte wählen zu gehen, schließen.

(Fotos: Fleischervorstadt-Blog)

Neonazi Marcus G. wegen Körperverletzung zu empfindlicher Geldstrafe verurteilt

Crosspost mit freundlicher Erlaubnis von Kombinat Fortschritt 

Der Neonazi Marcus G. ist vom Amtsgericht Greifswald der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig gesprochen worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Greifswalder im Sommer letzten Jahres am Rande einer NPD-Kundgebung auf dem Greifswalder Marktplatz einen Gegendemonstranten in vollem Lauf getreten und dabei erheblich verletzt hatte. Begleitet wurde die Verhandlung von etwa 80 AktivistInnen, die vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung abhielten und die Plätze des Sitzungssaales besetzten. Der Betroffene zeigte sich nach der Verhandlung nicht zufrieden mit dem Urteil.

Solidaritätskundgebung vor dem Greifswalder Amtsgericht

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