Nach Widerspruch: Milderes Urteil gegen Robin-Wood-Aktivisten

Das Amtsgericht Greifswald verurteilte heute zwei Anti-Atom-Aktivisten wegen Nötigung zu zwei Geldstrafen von insgesamt 1360 Euro. Die beiden Mitglieder der Umweltschutzorganisation Robin Wood ketteten sich während des Castortransports im Dezember 2010 an die Schienen zwischen Greifswald und Lubmin und verzögerten mit der medienwirksamen Aktion den Castor um fast sechs Stunden.

Geringere Geldstrafen und kein Eintrag ins Führungszeugnis

Mit diesem Urteil wurde die Geldstrafe auf fast ein Sechstel der ursprünglich veranschlagten Summe von 3600 Euro pro Angeklagter reduziert. Neu bewertet wurde außerdem der durch die Aktion entstandene Sachschaden, der statt auf 25.000 Euro nur noch auf 250 Euro beziffert wurde. Da nicht ermittelt werden konnte, wer den — offenbar schon lange vor der Ankettaktion ins Gleisbett gebrachten — Betonblock befestigte, wurden die Vorwürfe wegen Sachbeschädigung und Störung öffentlicher Betriebe nicht anerkannt.

(Foto: chris grodotzki, 2010)

Mit diesem Urteil ist keine Eintragung mehr ins polizeiliche Führungszeugnis der Betroffenen verbunden. Die Verhandlung wurde von Unterstützerinnen begleitet, die mit einem öffentlichen Frühstück auf den Prozess aufmerksam machten. Greifswald TV war bei der Verhandlung zugegen und veröffentlichte schon heute Nachmittag einen Beitrag dazu.

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  • Pressemitteilung Urteil im Lubmin-CASTOR-Prozess (blockmin, 11.06.12)

Öffentliches Frühstück zum Castor-Prozess: „Gerichte sind zum Essen da!“

Am Montag wird vor dem Amtsgericht Greifswald der Einspruch zweier Robin-Wood-Aktivistinnen wegen den gegen sie verhängten Geldstrafen in Höhe von jeweils 3.600 Euro verhandelt. Im Dezember 2010 verzögerten die beiden Atomgegner kurz vor Lubmin  mit einer medienwirksamen Ankettaktion einen Castor-Transport um fast sechs Stunden.

Die beiden betroffenen Aktivistinnen sprachen am vergangenen Freitag auf einer Informationsveranstaltung über den ihnen gemachten Prozess und beklagten den in ihren Augen überzogenen und ungerechtgfertigten Strafbefehl von 120 Tagessätzen á 30 Euro, der für die beiden Umweltschützer neben der finanziellen Belastung auch einen Eintrag ins polizeiliche Führungszeugnis bedeutet. Sie verstehen diesen Prozess als politisch und haben das Gefühl, dass an ihnen abschreckendes Exempel statuiert werden soll.

Castor Lubmin Robin Wood

(Foto: chris grodotzki)

Um regelmäßig über die Aktion und vor allem deren Folgen zu berichten, wurde eigens ein Blog eingerichtet. Wer sich partout nicht mehr an den winterlichen Castortransport 2010 erinnern kann, sei auf diese Nachrichten-Kompilation öffentlich-rechtlicher Medien verwiesen.

Die Verhandlung soll am Montag um 9 Uhr beginnen. Um die beiden mutigen Aktivisten auch im Gerichtssaal zu unterstützen und gleichzeitig den vorbeilaufenden Passanten nahezubringen, um was es morgen geht, soll vor dem Amtsgericht ein öffentliches Frühstück stattfinden, zu dem ab 8 Uhr alle Leute eingeladen sind. Um die Mitnahme von Lebensmitteln und Esswerkzeugen hierfür wird gebeten.

Kommt, schafft eine Atmosphäre der Unterstützung und passt auf, dass das kleine Rabauke nicht alles alleine verspeist!

Fakten: 07.05. | 8 Uhr | Amtsgericht Greifswald (Lange Str. 2a, Sitzungssaal 10)

Diagonalquerung: Ein Verkehrsprojekt spaltet die Stadt *Update*

Die Diskussion über die Diagonalquerung auf der Europakreuzung hört nicht auf. Nachdem Grüne, Linke und SPD einen erneuten Anlauf unternommen haben, das innovative und vom Finanzausschuss der Stadt Greifswald befürwortete Verkehrsprojekt umzusetzen, avancierte das Thema in den letzten Tagen zum Dauerbrenner in den Leserbriefspalten der Ostsee-Zeitung.

WEM GEHÖRT DIE STADT? 

Die startete nicht nur eine Umfrage, bei der inzwischen über 3200 Stimmen — bislang votierten 58% für das Vorhaben — abgegeben wurde, sondern bot ihren Leserinnen auch den Raum, ihre Meinung über die Diagonalquerung öffentlich zu machen. Dabei treten leider nicht unbedingt die sachlichen Beiträge in den Vordergrund — um Verkehrsplanung scheint es vielen Diskutanten nicht zu gehen und die zum Teil berechtigte Kritik an dem Projekt geht unter.

Vielmehr wird die Debatte von einigen dazu genutzt, sich geräuschvoll zu positionieren — jedoch nicht in der Frage, ob es Radfahrerinnen zukünftig erlaubt sein soll, die Europakreuzung diagonal zu passieren, sondern eigentlich in der grundsätzlichen Entscheidung wir oder ihr. Diese Grenzziehung findet nicht zum ersten Mal statt; sie ließ sich schon während der Auseinandersetzungen um Ernst-Moritz-Arndt oder während der Proteste gegen die beiden Castor-Transporte beobachten.

Da meldeten sich Leserbriefautoren wie der EWN-Senior Leonhard Bienert, der im Dezember 2010 die heutige Landtagsabgeordnete Ulrike Berger (Grüne) am liebsten von den Polizisten  nackt über die vorpommerschen Äcker gejagt gesehen hätte, zu Wort. Das Projekt sei ein „Karnevalsscherz“, „Schwachsinn“, und dürfe nur umgesetzt werden, wenn sich zukünftig alle Radfahrer überall an die Verkehrsordnung hielten, sonst solle man lieber ein Transportband für Fußgänger in die Innenstadt setzen.

 „UNDISZIPLINIERTHEITEN VON RADFAHRERN NICHT LEGALISIEREN!“

Die CDU Greifswald lehnt das Projekt trotz anfänglicher Zustimmung ab, weil der geschaffene Nutzen nur einer einzigen Verkehrsgruppe zugute käme — bei der 25 Millionen Euro teuren Bahnparallele verursachte diese Behauptung damals weniger Bauchschmerzen. Auch der Seniorenbeirat schaffte es auf die erste Seite des Lokalteils und Sprecher Berndt Frisch (FDP) forderte zeitungsöffentlich, dass „Undiszipliniertheiten von Radfahrern“ nicht legalisiert werden dürfen. Im Gegensatz zum Seniorenbeirat hat sich der Stadtelternrat  bislang noch nicht zum Verkehrsprojekt geäußert, wieso auch? „Diagonalquerung: Ein Verkehrsprojekt spaltet die Stadt *Update*“ weiterlesen

Greifswald goes WDR: Dokumentation über Greifswalder Anti-Atom-Protest

In der vergangenen Woche wurde im WDR eine Dokumentation ausgestrahlt, die sich jenen Initiativen und Bewegungen widmet, welche zuletzt von vielen großen Medien mit dem Siegel wutbürgerlich abgewertet wurden.

Neue Kultur — alte Bewegung

Der Film Protestbürger von Jo Angerer und Mathias Werth zeigt an drei Beispielen, die quer über die Bundesrepublik verteilt sind, auf, wie aus enttäuschten Bürgerinnen entschlossene und vor allem organisierte Akteure wurden.

die story atom protestbuerger

Sei es in Duisburg, wo schon seit fünf Jahren um eine geplante Kohlenmonoxid-Pipeline gestritten wird, die zwischen zwei BAYER-Werken verlaufen soll, oder im bayrischen Garmisch, wo einheimische Bauern um ihre sensiblen Wiesen kämpfen, die von Bauvorhaben im Zuge der Olympischen Winterspiele 2018 bedroht werden: „Es rumort in Deutschland. Zahllose Menschen gehen auf die Straße, um zu demonstrieren: Lehrer, Hausfrauen, Sekretärinnen, Rentner. Menschen vor allem aus der bürgerlichen Mitte. Sie protestieren gegen Atomkraft, gegen Großprojekte vor der eigenen Haustür. Menschen mucken auf, weil sie sich bedroht fühlen. Weil sie Entscheidungen in Behörden als willkürlich empfinden und den Politikern nicht mehr vertrauen. Eine neue Protestkultur entsteht.“ (WDR)

Bürgerinitiativen sind freilich keine gänzlich neuen Protestbewegungen, neu ist hingegen das Feld, aus dem sich immer mehr Unterstützerinnen rekrutieren. Und ungewohnt sind auch Zuspruch und Engagement der älteren Mitbürger, die sich dazu entschlossen haben, sich doch nochmal einzumischen und auf die Straße zu gehen.

„Erlebnisse unter Nachbarn“

Neben Duisburg und Garmisch war Greifswald der dritte Schauplatz, an dem man sich für die Dokumentation auf die Suche nach Protestbürgerinnen machte. Hier hefteten sich die Journalisten an die Fersen Nadja Tegtmeyers, die ihrerseits das Anti-Atom Bündnis NordOst mitgründete und sich während des Castortransports im Februar 2011 von den Kameramännern begleiten ließ.

In den Teilen der Dokumentation, die Greifswald betreffen, sind Szenen von der großen Demonstration und der Kundgebung auf dem Markt zu sehen. Ex-Scherben-Managerin Claudia Roth wird kurz interviewt, aber vor allem geht es um die Anti-Atombewegung und Nadja Tegtmeyer, die plötzlich auf den Schienen zwischen Greifswald und Lubmin sitzt, um kurz darauf von der Polizei weggezerrt zu werden.

Anti-Atom-Protest in Greifswald

Protestbürgertum, damit charakterisiert der Film Menschen, die „ihre Heimat gegen die Interessen von Industrie und Politik verteidigen. Je mehr sich Bürger von demokratischen Entscheidungsprozessen abgeschnitten fühlen, desto verhementer artikulieren sie ihren Widerstand. Ihr Protest schafft aber auch etwas Neues – ein Gemeinschaftsgefühl unter Gleichgesinnten, ein neues Erlebnis unter Nachbarn.“ (WDR)

Die 43 Minuten Filmdauer sind nicht vergeudet. Wer auf explizit Greifswalder Szenen wartet, muss sich bis Minute 13:00 gedulden, wird dann aber rasch bedient.

Nach dem Castor: Kletteraktivist vor Gericht

Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wird morgen vor dem Amtsgericht Greifswald der Fall eines Castorgegners verhandelt, der sich beim Castor-Transport im Dezember 2010 an einer Kletteraktion beteiligte, in deren Verlauf es drei Demonstranten gelang, Bäume in Gleisnähe zu erklimmen.

Von Seiten der Atomkraftgegnerinnen wird scharf kritisiert, dass man diese Angelegenheit gerichtlich bearbeitet, bevor die gleichsam eingereichte Klage des Aktivisten zur Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner Ingewahrsamnahme verhandelt wird.

Hierfür ist gegenwärtig noch das Wolgaster Amtsgericht zuständig.

KLETTERFREUDIGES EICHHÖRNCHEN STOPPT DEN CASTOR

Die mittlerweile als das Eichhörnchen berühmt gewordene Kletteraktivistin Cécile Lecomte war an dieser Aktion ebenfalls beteiligt und berichtet darüber ausführlich auf ihrer Internetseite. Sie war es auch, die später aus Protest gegen die Inhaftierung in der Gefangensammelstelle aus dem Frauenkäfig heraus kletterte, und so für reichlich Wirbel und vielleicht sogar für eine beschleunigte „Haftentlassung“ sorgte. Cécile steht unter besonderer polizeilicher Beobachtung und wurde in der Vergangenheit auch überwacht und sogar präventiv in Gewahrsam genommen.

Nach Informationen von Lubmin Nixda geht es morgen konkret um den Widerspruch eines festgenommenen Aktivisten gegen einen Strafbefehl von 30 Tagessätzen. Der Prozess ist öffentlich und Unterstützung erwünscht!

Fakten: 31.05. | 13 Uhr | Amtsgericht Greifswald | Saal 10

Danke für die Unterstützung, Axel! Wann kommt der nächste Müll?

Die der Atomkraft wohlgesonnene Greifswalder CDU-Fraktion zu den noch immer sichtbaren Spuren des Widerstands gegen die beiden Castor-Transporte, die im vergangenen Vierteljahr durch Greifswald in das nahegelegene ZwischenLager der Energiewerke Nord bei Lubmin rollten: „Seit den Castor-Demonstrationen ist die Stadt mit Aufklebern übersät die gegen den Castortransport aufrufen. An Abfalltonnen, Straßenlaternen und Straßenschildern sind gelbe Aufkleber mit dem Symbol der Anti-Atom Bewegung aufgebracht.“

„Ich rufe die Grünen dazu auf, für die Entsorgung zu sorgen, damit wir wieder eine saubere und schöne Stadt haben“

hochschild axel cdu hgw

In die dazugehörige Pressemitteilung wurden auch ein paar Zeilen des CDU-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzenden und stellvertretenden CDU-Kreisverbandsvorsitzenden Axel Hochschild geflochten. Der Malermeister, frisch wiedergewählte Vizepräsident des Bundesverbandes Farbe Gestaltung Bautenschutz und Obermeister der Maler- und Lackierer Innung Greifswald – all dies in Personalunion – brüskiert sich ungewohnt unterrierhaft über den noch sichtbaren Widerstand gegen die Atompolitik:

„Wir freuen uns, dass die Menschen von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen. Was uns allerdings stört ist, dass nach einer solchen Demonstration das Stadtbild unseres schönen Greifswalds mit diesen unzähligen und schwer zu beseitigenden Aufklebern verunstaltet wird […]. Es kann doch nicht angehen, dass die Bürger Greifswalds, welche überwiegend auch gar nicht an den Demonstrationen teilgenommen haben, nun dafür bezahlen sollen, dass der zurückgelassene Schmutz und Unrat beseitigt wird. Wer die Verunstaltungen mit zu verantworten hat, soll diese auch beseitigen! Ich rufe die Grünen und Frau Berger als Mitorganisatorin dazu auf, für die Entsorgung der zahlreichen Aufkleber in der Stadt zu sorgen, damit wir wieder eine saubere und schöne Stadt haben!“

Castor Aufkleber

Machen wir gemeinsam Frühjahrsputz!“

Indes sendet der Literaturverein pom-lit positive Signale an den Malermeister und verspricht eine eigene Säuberungsaktion, wenn sich der CDU-Mann erfolgreich des Atommüllproblems annimmt: „Einverstanden, Herr Hochschild! Sie beseitigen die strahlenden Abfälle, die ohne mein Mittun und Wollen durch Greifswald gekarrt und in der Nähe meines Badeplatzes in Lubmin deponiert wurden, und spätestens am darauffolgenden Wochenende übernehme ich persönlich die Entfernung aller Anti-Castor-Aufkleber. Machen wir gemeinsam Frühjahrsputz! Was halten Sie davon?“ Klingt doch nach einem vernünftigen Vorschlag!