Alles halb so wild: Greifswalder Brunnenfarbe ist ungefährlich

Die Protestaktion, mit der in der vergangenen Woche in Greifswald auf das Versagen der europäischen Flüchtlingspolitik hingewiesen werden sollte, wurde in den sozialen Netzwerken heftig diskutiert. Nun teilt die Stadtverwaltung mit, dass beide Brunnen nicht mit gefährlichen Chemikalien gefärbt wurden.

Rotgefärbtes Wasser, Holzkreuze, aufgeschüttete Erde und eine Stadtverwaltung, die ebendiese Brunnen mit Bauzäunen absperrt und damit der Festung Europas einen metallenen Nachdruck verleiht, zumindest symbolisch. Viele fanden die Protestaktion angemessen und gelungen, andere störten sich daran: Die meisten wegen der Beschädigung öffentlichen Eigentums und einem möglicherweise dadurch entstandenen Schaden in Höhe von 7000 EUR — eine Zahl, die die Stadtverwaltung unmittelbar nach der Aktion prognostizierte und die noch zu hinterfragen ist –, andere kritisierten das Engagment für Flüchtlinge und bezeichneten die Aktivisten in ihren Erregungsbeiträgen auf Facebook ganz selbstverortend als „Brunnenvergifter“.

Fischmarkt Greifswald Brunnen Flüchtlingspolitik(Foto: @fk589)

Wie die Stadtverwaltung heute mitteilt, handelt es sich bei dem Farbstoff, mit dem das Wasser beider Brunnen am Fischmarkt und am Rubenow-Platz gefärbt wurde, um keine gefährliche Chemikalie. Das habe eine unmittelbar nach Entdecken der Tat eingeleitete Laboruntersuchung ergeben. Ein anderes Ergebnis wäre auch nur sehr schwer vorstellbar gewesen. Nach Information des Tiefbau- und Grünflächenamts könne das blutrote Wasser bedenkenlos abgelassen werden. Anschließend würden die Brunnen mit Kärchern gereinigt und die Filter überprüft. Sollte sich zeigen, dass die Filter wieder sauber werden, könnten die Brunnen im Laufe der Woche wieder befüllt und in Betrieb genommen werden.

Protest gegen deutsche Flüchtlingspolitik lässt Greifswalder Brunnen bluten

Heute Nacht fanden an mehreren Stellen in Greifswald Aktionen statt, mit denen auf das Sterben tausender Flüchtlinge im Mittelmeer hingewiesen werden sollte. Symbolisch wurde unter anderem das Wasser des Brunnens auf dem Fischmarkt blutrot gefärbt. In einem Bekennerschreiben, das im Folgenden in kompletter Länge wiedergegeben wird, erklären die Aktivistinnen ihre Beweggründe.

Wir haben heute auf öffentlichen Plätzen der Innenstadt und am Greifswalder Hafen Gräber angelegt und das Wasser zweier zentraler Brunnen Rot gefärbt. Mit diesen Aktionen möchten wir Sie auf das durch die Regierung gebilligte, sogar unterstützte Sterben tausender Flüchtlinge im Mittelmeer und eine deutsche Flüchtlingspolitik aufmerksam machen, die aus Abschreckung und Ausgrenzung besteht.

Wer nicht ertrinkt wird eingesperrt

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Tschetschenische Familie bei Abschiebung aus Greifswald getrennt

Gastbeitrag von der Gruppe Defiant 

In den frühen Morgenstunden kam es heute in Greifswald zu einer Abschiebung nach Dublin-II-Verfahren. Gemeinsam mit zwei Mitarbeiter_innen der Ausländerbehörde holten Polizeibeamte eine sichtlich aufgelöste Frau und ihren 15-jährigen Sohn aus dem hiesigen Flüchtlingsheim, um sie, wie eine Woche zuvor den Rest der Familie, nach Polen abzuschieben.

VERSTOSS GEGEN DIE MENSCHENRECHTE

Bereits am vergangenen Dienstag betraten uniformierte Beamte die sogenannte „Gemeinschaftsunterkunft“ in der Spiegelsdorfer Wende, um die hier untergebrachte sechsköpfige tschetschenische Familie abzuschieben. Einer der vier Söhne (15 Jahre) versteckte sich und blieb unauffindbar. Aus nicht nachzuvollziehenden Gründen entschieden die beteiligten Beamten daraufhin die Familie zu trennen und erst einmal Vater und die anwesenden Söhne (10, 10 und 21 Jahre) nach Warschau zu schicken, während der (re)traumatisierten Mutter ein zweiter Abschiebetermin für sich und den verbliebenen Sohn mitgeteilt wurde. „Diese willkürliche Entscheidung stellt in unseren Augen eine klare Verletzung der Menschenrechte dar“, so Katharina Lang, Pressesprecherin der antifaschistischen Gruppe Defiant „und wir verurteilen sie zutiefst!“

Abschiebung von zwei Tschtschenen aus der Gemeinschaftsunterkunft in GreifswaldWie tausende Flüchtlinge floh auch diese Familie aus Angst vor Gewalt und Folter im Zuge der Tschetschenienkriege. Die Gesellschaft für bedrohte Völker berichtet im Menschenrechtsreport Nr. 68 vom „Verschwindenlassen“ vermeintlicher Kadyrow-Gegner und ihren Angehörigen, von Folter in Haftanstalten und an geheimen Orten, sowie massiver Verstöße gegen die Frauenrechte als Beispiele „besonders gravierender Menschenrechtsverletzungen“. Auch die UNHCR weißt in einer Stellungnahme vom Januar 2002 (PDF-Dokument, 163 kb) auf „weit verbreitete schwere Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Recht im Konfliktgebiet“ hin. Aus verlässlichen Quellen lägen Berichte über „Folter, Massenexekutionen, willkürliche Inhaftierungen, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen, Misshandlungen, weitreichende Zerstörungen und Plünderungen von Eigentum vor“.

Und doch wird kaum ein Asylverfahren für Menschen aus der Russischen Föderation inhaltlich entschieden, da in der Regel die Dublin-II-Verordnung greift, nach welcher Flüchtlinge automatisch in sogenannte sichere Drittstaaten abgeschoben werden, sofern sie dort auf der Flucht zuerst registriert wurden. Statt der Asylgründe wird also nur noch der Reiseweg geprüft, der die meisten Tschetschenen über Polen nach Deutschland führt. „Tschetschenische Familie bei Abschiebung aus Greifswald getrennt“ weiterlesen

Fassaden zu Leinwänden! Hauswandkino im Rahmen der Interkulturellen Woche

Im Rahmen der Interkulturellen Woche findet heute Abend kritisches Kino im öffentlichen Raum statt. Ausgerüstet mit mobiler Technik und bestückt mit Kurzfilmen und Filmausschnitten, die das Verhältnis von Migration, Gesellschaft und Kultur ausleuchten, geht es gemeinsam durch die Greifswalder Innenstadt.

Kinderwagen Kulturkombinat lädt ein(Bild: HI HGW)

Das Programm wird von zwei Moderatorinnen begleitet, die die jeweiligen Beiträge kurz vorstellen und dazu anregen, sich näher mit dem Thema Alltagsrassismus auseinanderzusetzen. Wer nicht pünktlich ist, kann jederzeit an einer der sechs geplanten Stationen dazustoßen; nach etwa zwei Stunden wird der Spaß allerdings auch schon wieder vorüber sein. Klappstühle werden als komfortsteigerndes Mitbringsel empfohlen, Klappspaten wurden explizit ausgeladen. Das Spektakel beginnt auf dem Marktplatz und setzt sich dann in der Innenstadt fort.

Fakten: 27.09. | 20.30 Uhr | Marktplatz | frei

Streit um Traditionsschiff: Lovis vorerst vor dem Abtakeln gerettet?

Im Kampf um den Erhalt ihres Segelschiffs kann die Crew der Lovis kurz durchatmen. Wie der NDR heute berichtete, sollen sich am Donnerstag Vertreter von Interessenverbänden der Traditionsschiffe und des Bundesverkehrsministeriums darauf geeinigt haben, dass alle Schiffe, die zum Ende der Saison 2012 ein Sicherheitszeugnis hatten, nun „bis zum Erscheinen einer neuen Richtlinie für Traditionsschiffe einen zweijährigen Bestandsschutz erhalten, bei dem ausschließlich Sicherheitsfragen neu überprüft werden.“

ÄRGER MIT DER BERUFSGENOSSENSCHAFT VERKEHR 

Wie eine ganze Reihe anderer Traditionsschiffe, geriet zuletzt auch der Greifswalder Bildungslogger in die bürokratischen Mühlen der Verkehrsberufsgenossenschaft, die der Lovis den seit 1998 angepassten Status als Traditionsschiff aberkennen wollte und ihren historischen Wert in Frage stellte, um sie in eine andere Schiffsklasse einzugruppieren.  Doch eine andere Einstufung — zum Beispiel als Berufsschiff — ist mit erheblich höheren Auflagen, beispielsweise einem Kapitänspatent und strengeren Sicherheitsbestimmungen, verbunden. Für die ehrenamtlich arbeitende Crew der Lovis wäre das wohl nicht zu stemmen und sie würde vermutlich dem traurigen Vorbild von mehr als der Hälfte der einst 200 norddeutschen Traditionsschiffe folgen, die in den letzten fünf Jahren ihren Betrieb einstellen mussten.

Lovis Pressefoto(Foto: Lovis, Pressefoto)

Die Berufsgenossenschaft Verkehr prüft nicht nur die Sicherheit der Schiffe, sondern bewertet auch deren Gemeinnützigkeit und die inhaltliche Ausgestaltung der Fahrtkonzepte. Nach Aussage von Ulrich Schmid, dem Leiter der Dienststelle Schiffssicherheit der Berufsgenossenschaft, hätte die Lovis bei allen drei Kriterien erhebliche Schwierigkeiten: Sie sei nicht mehr brandsicher, das Betriebskonzept hätte „Schlagseite zum Gewerblichen“ und es handle sich bei dem Bildungslogger auch nicht um einen originalen Nachbau des Schiffes. Gegenüber der taz beklagte er, dass es „immer mehr Traditionsschiffe, die gar keine Traditionsschiffe sind“, gäbe. „Streit um Traditionsschiff: Lovis vorerst vor dem Abtakeln gerettet?“ weiterlesen

Beginn der AStA-Ringvorlesung „Integration“

Heute beginnt die gemeinsam von Universität und AStA veranstaltete Ringvorlesung Integration, die mit ihren sechs Vorträgen einen — zweifelsohne überschaubaren — „Beitrag zur Integration ausländischer Studierender und Menschen mit Migrationshintergrund in Greifswald leisten“ soll.

Ringvorlesung Integration

Im Eröffnungsvortrag wird heute Abend Erwin Schindler (BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) über die Bedingungen für erfolgreiche Integration und die Tätigkeiten des BAMF referieren. Im Zuständigkeitsbereich des Bundesamts liegen unter anderem Entscheidungen über Asylanträge und Abschiebungen von Flüchtlingen.

Im Zwei-Wochen-Takt geht es dann mit Vorträgen von Dr. Robert Riemer (Uni Greifswald, Geschichte der Migration), Prof. Dr. Helmut Klüter (Uni Greifswald, Migration im deutsch-polnischen Grenzgebiet), Prof. Dr. Peter F. Titzmann (Uni Zürich, Psychische Probleme bei Migranten), Anna Salgo (Uni Greifswald, Integration durch Sprache) sowie von Dirk Arnold (Uni Greifswald, Darstellung von Migranten in den Medien) weiter.

Die Ringvorlesung findet bis zum 24. Juni jeden zweiten Montag von 18 Uhr bis 20 Uhr im Audimax (Rubenowstr.1, HS 3) statt.