Die Quasselstripppe und das hilflose Schweigen

Ein Nachruf von Gabriel Kords und Carsten Schoenebeck

Sebastian Ratjen – 45, Zahnarzt, FDP. Klingt nicht gerade nach Paradiesvogel. Bunt und schrill war es trotzdem immer da, wo er in den letzten 25 Jahren in Greifswald aufkreuzte. Und lustig. So viel Spaß an der Politik, so viel Spaß an Menschen, hatten nur wenige. Sebastian war Clown und Kämpfer in einem. Sein Herz brannte für Greifswald und seine Einwohner. Sein früher Tod hat deswegen unzählige Menschen in Greifswald und anderswo erschüttert und bewegt.

Als erstes stand die Nachricht auf einer privaten Facebookseite. Der Abschiedsgruß von einem engen Freund. Dann dauerte es nicht lang. Wie ein Lauffeuer wanderte die Botschaft durch die Stadt, viele Greifswalder bekamen Anrufe, Kurznachrichten, Mails. Stimmt das? Ist Sebastian tot? Ja, ist er. Pause. Am morgigen Freitag, einen knappen Monat später, nimmt Greifswald um 12 Uhr in der Propsteikirche St. Joseph Abschied von einem, der die Stadt vielleicht nicht in dem Sinne geprägt hat, wie es Politiker üblicherweise gerne haben: Es gibt keinen prunkvollen Neubau, keine Umgehungsstraße und kein Denkmal, das auf alle Zeit mit dem Namen Sebastian Ratjen verbunden wäre. Aber Sebastian Ratjen war eben auch kein üblicher Politiker. Wahrscheinlich wären ihm Denkmäler um seiner selbst willen ohnehin nicht wichtig gewesen. Sondern wichtig dürfte ihm, dem Menschenfreund, vor allem gewesen sein, ein größeres oder kleineres Denkmal in den Herzen „seiner“ Greifswalder hinterlassen zu haben – und das hat er. „Die Quasselstripppe und das hilflose Schweigen“ weiterlesen

Und misch‘ die da oben richtig auf. Zum Tode von Günter Grass

Lieber Günter Grass, in großer Dankbarkeit und tiefer Trauer denken wir heute an Dich. Ohne Deine Initiative und langjährige Unterstützung gäbe es das Koeppenhaus nicht. Mach’s gut — und misch die da oben richtig auf… 

Am 23. Juni 1906 wird Wolfgang Koeppen in der Bahnhofstraße 4 geboren. Als im Jahr 1999 die Hanse- und Universitätsstadt das Haus erwirbt und aufgrund der hohen Sanierungskosten nur ein Abriss geboten scheint, berichten die Lübecker Nachrichten auf ihrer Kulturseite von dem desolaten Zustand des Hauses. Glücklicherweise nimmt auch Nobelpreisträger Günter Grass Notiz von dieser Meldung. Ebenso wie sein Schriftstellerkollege Peter Rühmkorf, schätzt Günter Grass Wolfgang Koeppen als einen bedeutenden deutschen Romancier der Nachkriegszeit. Sie gründen die Wolfgang- Koeppen-Stiftung, um die Erinnerung an den Schriftsteller und sein Werk wachzuhalten. In Gerhard Schröder finden beide einen weiteren Prominenten, der sich für die Sicherung und den Erhalt von Koeppens Geburtshaus stark macht. Bund und Land renovieren das Haus und im November 2002 beziehen die neuen Mieter, das Literaturzentrum Vorpommern und das Wolfgang-Koeppen-Archiv, das so genannte „Koeppenhaus“.

Günter Grass Greifswald(Foto: Literaturzentrum Vorpommern)

Seit über 12 Jahren betreibt das Literaturzentrum mit rund 100 Veranstaltungen das Koeppenhaus und wird bei der Ausrichtung der jährlichen „Greifswalder Koeppentage“ zu Ehren des Autors Wolfgang Koeppen durch die Wolfgang-Koeppen-Stiftung ebenso unterstützt, wie 2006 bei einer bundesweiten Petition zum Erhalt des Hauses, nachdem die Fördermittel gekürzt werden sollten. 2011 konnten wir Günter Grass zuletzt bei den Koeppentagen in Greifswald begrüßen als Teilnehmer der Diskussion „Jeder ist Lobbyist. Das Spannungsverhältnis von Interessen und Demokratie“.

Unser Dank gilt Günter Grass für die jahrelange großzügige Unterstützung und Begleitung der Arbeit im Koeppenhaus. Unsere Gedanken sind bei seiner Frau, seiner Familie und seinen Wegbegleitern.

Literaturzentrum Vorpommern im Koeppenhaus, Greifswald, 13.04.2015