Offener Brief: Weihnachtsgeschenke für Greifswalder Radfahrerinnen

Offener Brief des ADFC Greifswald an den Oberbürgermeister der Stadt

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

der ADFC bedankt sich im Namen der Greifswalder Radfahrer für das große Weihnachtsgeschenk, die Asphaltierung der Robert-Blum-Straße und der Rudolf-Petershagen-Allee. Beide Straßen sind Teil der Fahrradachse Greifswalds. Das für Radfahrer fast unbefahrbare Großpflaster vor dem Theater wurde bei allen Diskussionen und Befragungen von Radfahrern als zentrales Problem benannt, aber auch der bauliche Zustand der restlichen Blumstraße und der Petershagen-Allee hat sich von Jahr zu Jahr verschlechtert.
Daher sind wir hocherfreut, dass die Universitäts- und Hansestadt Greifswald die Fahrradstraße nun in einen guten und ihrer Bedeutung adäquaten Zustand versetzt hat.

Die Euphorie des ADFC wird aber durch die zweite neuere Baumaßnahme für den Radverkehr getrübt — die Umlaufsperren an der Salinenstraße auf der Hauptradroute über den Ryck. Abgesehen davon, dass diese Sperren den technischen Regelwerken widersprechen, die zumindest eine Durchfahrtmöglichkeit für Lastenräder und Kinderfahrradanhänger fordern, bleibt für den ADFC die Frage offen, warum Fußgängern und Radfahrern an dieser Stelle der Weg versperrt wird. 

ADFC Greifswald Museumshafen

Das Bahngleis kann nicht der Grund sein, denn dieses kann auf 200 Metern frei von Fußgängern gequert werden und auch Autos (und Radfahrer) auf der Salinenstraße können ungehindert die Gleise queren (oder sollen dort noch Umlaufsperren für Autos nachgerüstet werden?). Und falls die Sicherheit der Radfahrer hier doch der Grund für die Sperren sein sollte, wird durch diese kein Radfahrer davon abzuhalten sein, sich mit seinem Rad vor den Zug zu werfen – wenn er es denn möchte (er muss allerdings gegebenenfalls lange warten). Das zweite Weihnachtsgeschenk der Stadt möchten wir daher gern umtauschen.

Mit freundlichen Grüßen,
Gerhard Imhorst | ADFC

Greifswald erobert DIE ZEIT

In der ZEIT vom 29.10.2009 ist der ausführliche Artikel Die kleine Einheit von Christoph Dieckmann erschienen, der sich auf städtepartnerschaftliche Spurensuche begibt. Derlei Verbindungen zu anderen Städten kann Greifswald reichlich vorweisen: zum Beispiel nach Kotka (FI), Lund (SWE), Hamar (NOR), Newport News (USA) und schließlich auch nach Osnabrück.

Dieckmann skizziert die Entwicklungen Greifswalds und Osnabrücks in den zurückliegenden 21 Jahren, so alt ist inzwischen die Partnerschaft zwischen der drittgrößten Stadt Niedersachsens und Greifswald. Er erwähnt auch die mittlerweile zum Mythos gewordene friedliche Übergabe Greifswalds durch Rudolf Petershagen an die Rote Armee 1945.

Dazu kommt eine Prise friedliche Revolution 1989, ein Bissen Bürgermeistergeschichte und ein längerer Absatz zum in letzter Zeit etwas ins Straucheln geratenen Chef der HanseYachts AG, Michael Schmidt. Schließlich werden wichtige Ereignisse, wie zum Beispiel die Übergriffe auf Andersdenkende und Ausländer in den 1990ern oder die Greifswalder CDU-Spendenaffäre sehr verkürzt aneinandergereiht:

„Wir hörten von Siemens-Schmiergeldern pro CDU, vom altbundesdeutschen »Eliten«-Import und einem Milieu namens Osnabrück-Filz, von zweifelhaften Grundverkäufen, von Protesten gegen das geplante Kohlekraftwerk bei Lubmin, von den dunklen neunziger Jahren, als Asylbewerberheime und ausländische Studenten angegriffen wurden. Stetig wuchs die rechte Szene. Im Jahr 2000 wurde ein Obdachloser totgeschlagen, worauf Oberbürgermeister von der Wense — Wessi, CDU — verfügte, es sei genug. Am 14. Januar 2001 vereinte die Demo gegen Rechts 7000 Greifswalder. „

Lesenswert ist der Artikel auf jeden Fall, insbesondere was die Verquickungen mit Osnabrück betrifft. Sogar Ernst-Moritz Arndt und der Widerstand gegen den kontroversen Namenspatron der Universität werden erwähnt. Die Stadtgeschichte Greifswalds wird zusammengerafft und in Relation zu den Niedersachsen gestellt. Hier gibt es einiges zu erfahren — auch für jene, die behaupten, schon alles zu kennen.

Interview mit Rudolf Petershagen *Update*

Die Rudolf-Petershagen-Allee ist allgemein bekannt, aber wer wird durch die Benennung eigentlich geehrt? Der im Januar 1945 zum Stadtkommandanten ernannte Wahlgreifswalder Rudolf Petershagen -er lebte seit 1938 in der Hansestadt- zeichnete 1945 für die kampflose Übergabe der Stadt an die Rote Armee verantwortlich.

Eine Greifswalder Delegation, der unter anderem als Parlamentäre der Rektor der Universität Prof. Dr. Carl Engel, der Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Prof. Dr. Gerhardt Katsch und der stellvertretende Stadtkommandant Oberst Dr. Max Otto Wurmbach angehörten, handelte in der Nacht vom 29. zum 30. April 1945 im brennenden Anklam die Kapitulation der Stadt aus.

in aufruhr - rudolf petershagenPetershagen befand sich anschliessend bis 1948 in russischer Kriegsgefangenschaft, wurde 1955, nach einer vierjährigen Haftsstrafe wegen Spionage, zum Ehrenbürger der Stadt ernannt. Die Verurteilung erfolgte übrigens vor einem amerikanischen Militärgericht. Petershagen verstarb im April 1969.

Der politisch rechte Ehrenbürger der Stadt war allerdings auch 1938 als Kompaniechef an der Besetzung der Tschechoslowakei beteiligt. Nach Kriegsende war er in Greifswald beim Aufbau der Nationaldemokratischen Partei (NDPD) beteilligt, die als politische Heimat ehemaliger Wehrmachtsoffiziere und unverdächtiger Nazis gegründet worden war. Später wurde er Kreisvorsitzender der Partei (lesenswerte Quelle: wikipedia).

Der Beitrag Zerstörung und Rettung in letzter Minute – Das Kriegsende in den Nachbarstädten Anklam und Greifswald (2005) von Deutschlandradio Kultur lässt die damaligen Ereignisse Revue passieren. Petershagens Autobiographie „Gewissen in Aufruhr.“ wurde übrigens 1961 von der DEFA verfilmt.

Das eingebundene Video ist aus dem Jahr 1963. Zu sehen sind ein paar wenige Eindrücke des damaligen Stadtbilds, unter anderem vom Marktplatz und vom Fischmarkt. Zudem gibt es ein Interview mit Petershagen und dem damals offensichtlich ebenfalls beteiligten Matusov. Das Interview fand, wie die feierliche Übergabeverhandlung Greifswalds, im Rathaus  statt.