Native Advertisment: Anzeigenblätter verwandeln Titelseiten in Werbeflächen

Kostenlose Anzeigenzeitschriften sind rätselhafte Medienprodukte, die ihren Lesern kaum inhaltlichen Mehrwert bieten und stattdessen auf Schmusekurs mit regionalen Unternehmen gehen — zumindest, sobald diese Anzeigen schalten. 

In Greifswald gibt es mit dem Stadtgespräch, das vor einer Weile die Besitzerin wechselte und nun vom gleichen Verlag wie das Vorpommern Magazin herausgegeben wird, nur noch zwei klassische Vertreter dieses publizistischen Genres. Beide Zeitschriften ähneln sich sowohl inhaltlich als auch optisch und haben große Mühe, einzuhalten, was ihr hochglänzender Umschlag verspricht. „Native Advertisment: Anzeigenblätter verwandeln Titelseiten in Werbeflächen“ weiterlesen

Modezar Krafczyk und der schlechte Journalismus

Jens Krafczyk, Inhaber des gleichnamigen Herrenausstatters, sah sich in den vergangenen Wochen zweimal heftiger Kritik bezüglich seiner Werbeaktivitäten ausgesetzt – sowohl hier auf dem Fleischervorstadt-Blog als auch in einem OZ-Artikel Anke Lübberts.

Der Verleger verteidigt seine Werbekunden

Auf den Artikel in der Lokalzeitung musste er gar nicht selber reagieren, denn einer seiner Werbepartner sprang in die Bresche. Rainer Mutke (SPD), gescheiterter Oberbürgermeisterkandidat bei der Wahl 2008 – er konnte damals lediglich 5,7% der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen – und Herausgeber des Vorpommern Magazins, dessen Internetpräsenz bis heute nicht über das hier entsteht bald… hinausgekommen ist, schrieb am 15. Juni einen Leserbrief und erklärte der Öffentlichkeit, wie Werbung funktioniere:

Die zentrale Funktion von Werbung ist es, Aufmerksamkeit für Produkte, Marken, Dienstleistungen zu erregen. Das scheint Jens Krafczyk mit seiner Anzeigen-Kampagne „Männerträume“ für sein Herren-Modegeschäft gelungen zu sein — siehe den umfänglichen Beitrag in der OZ. Dass Werbung häufig polarisiert und provoziert, liegt in ihrer Intention.

mutke
(Foto: Vorpommern Magazin)

Darüber hinaus ist sie, wie vieles andere, schlicht Geschmackssache. Zu den Kritikpunkten „Sexismus/ Chauvinismus“ mit Bezug auf die Darstellung des weiblichen Geschlechts: auch der männliche Körper, z.B. von Sportlern oder Schauspielern, spielt heutzutage in Campagnen zunehmend eine stärkere Rolle — durchaus im Sinne einer zunehmenden Gleichbehandlung. Schlussendlich gilt die deutsche Werbung im internationalen Maßstab als recht konservativ sowie eher langweilig und eine subjektiv-kritische Auseinandersetzung mit der Darstellung von Nacktheit im Jahr 2010 erinnert buchstäblich an „viel Lärm um nichts“ oder — wie Friedrich der Große sagte — „jeder soll nach seiner Façon selig werden“.

Wirklich transparent hätte Mutke gehandelt, wenn er in seinem Leserbrief eingeräumt hätte, dass er als Herausgeber an den von Krafczyk selbstgestalteten Anzeigen verdiene. Und als Verleger wäre es von ihm ehrenwert gewesen, den Modefachmann auf die urheberrechtlichen Unwägbarkeiten der bisherigen Anzeigenmotive aufmerksam zu machen.

Krafczyk amüsiert sich über die Ostsee-Zeitung

Vielleicht hat Mutke Krafczyk diesen Hinweis gegeben, denn die Männerträume 58 des aktuellen Vorpommern Magazins bedienen sich nicht urheberrechtlich geschützten Materials, vielleicht zum ersten Mal in der Geschichte der Kampagne.

Krafczyk beantwortet den OZ-Artikel auf seine Weise, kein Leserbrief, keine Einsicht, stattdessen eine Werbeanzeige, die ihn höchstpersönlich bei der Lektüre des Lokalblattes zeigt. In einer Montage hievte Krafczyk das Thema und eine seiner Anzeigen – übrigens eine andere als im von ihm zitierten Artikel – auf die so neugestaltete Titelseite des Mantels und ätzt:

Dinge, die ein Mann unbedingt tun sollte: sich einmal mit schlechtem Journalismus auseinandersetzen…

Humor und Bissbereitschaft lassen sich Krafczyk wohl nur schwer absprechen, so tumb die tausendfach und allerorten anzutreffende Gedankenkette auch ist, die  Artikel mit anderer Meinung zuerst als schlechten Journalismus abstempelt, um sie schließlich als auf Bild-Niveau oder sogar noch darunter zu brandmarken.

(Bild: dsn)

Zumindest reagiert er auf den Artikel, diskriminiert niemanden mit seiner aktuellen Werbeanzeige und ist obendrein noch Eigentümer des verwendeten Fotos. Auch der Seitenhieb an die Ostsee-Zeitung kann erheitern. Mann darf also auf die Träume N°59 gespannt sein und hoffen, dass der Modezar nicht wieder blind um sich polarisiert.

Von Männermode und Männerträumen

Der Greifswalder Herrenausstatter Krafczyk hat mit der Werbekampagne „Männerträume“ inzwischen schon über 50 verschiedene Anzeigen veröffentlicht. In Sachen Frauenverachtung und Sexismus sind die einzelnen Werbeträger in der Hansestadt beispiellos. Eine Einsichtnahme.

Er hat es geschafft. Jens Krafczyk mühte sich Anfang der Neunziger Jahre noch auf dem Marktplatz als Grünpflanzenverkäufer ab, heute versprüht er den lebemännischen Esprit eines Modezars und nennt mit seinen Männermoden ein erfolgreiches Geschäft sein Eigen.

Von der Milch zur Mode

gold krafczykAuf der Homepage seines Unternehmens gibt Krafczyk freimütig über seinen beruflichen Werdegang Auskunft und erzählt die Geschichte vom Aufstieg des Kuhmelkers zum Herrenausstatter.

Im Geschäftsleben machte er in der Vergangenheit immer wieder mit ausgefallenen Werbeaktionen auf sich aufmerksam, von Bodypainting bis Velotaxi war alles dabei. Sein Logo zierte regelmäßig Schülerzeitungen und die Eintrittskarten zu den Bällen der Pennäler.

Auch im monatlich erscheinenden und vom früheren Oberbürgermeister-Kandidaten Rainer Mutke herausgegebenen Vorpommern-Magazin, schaltete Krafczyk Anzeigen seiner in Serie gegangenen Werbekampagne Männerträume. Hier erfährt die ganz offensichtlich männliche Zielgruppe „Dinge, die ein Mann in seinem Leben unbedingt tun sollte„.

„Ich tu dir weh“ „Von Männermode und Männerträumen“ weiterlesen

Der Ikarus der Hansestadt

Der parteilose Einzelbewerber Olaf Tammert (ex-CDU) ist weit über das Ziel hinausgeschossen. Am 31.01. sah er sich noch als möglichen Wahlsieger (32%), der Arthur König überholen kann (30%). Im Interview mit GTV machte er die ZuschauerInnen glauben, die anderen vier KandidatInnen hinter sich lassen zu können.

sollte ich Oberbürgermeister am 13. April werden, und davon gehe ich aus…

Nun ist das vorläufige Endergebnis bekannt und Olaf Tammert lief als letzter ins Ziel (4,9%), wurde sogar vom blassen Rainer Mutke (SPD, 5,7%) überholt. Tammert lässt sich aber nicht einfach so entmutigen, gegenüber der Ostsee Zeitung gab er kämpferisch bekannt:

ich freue mich auch, dass fünf Prozent der Greifswalder Veränderungen wollen. Für die Kommunalwahlen 2009 will ich deshalb ein starkes Bündnis zusammenstellen.

Immerhin scheint sein Anliegen transparenter Politik von ihm umgesetzt zu werden, zumindest punktuell, denn er veröffentlichte am 10.04. seine Wahlkampfaufwendungen:

Werbung in den digitalen Medien: 1700,00 €
Printmedien: 1500,00 €
Flyer: 100,00 €
Plakate: 199,00€
Domainjahresgebühr: 1,92 €

olaf tammert aus greifswald im wahlkampf

Wahlwerbung in digitalen Medien könnte z.B. die Anzeigen in seiner Online-Zeitung Greifswald News sein, dann wäre das Geld wie in einem Bild von M.C.Escher von A nach B nach A geflossen. Die 1,92€ Jahresgebühr der Domain sind vergleichsweise wenig. Fraglich ist hingegen, ob damit die Seite tammert.de gemeint ist, oder obwahlen2008.de. Ich berichtete am 04.04. schon von merkwürdigen Zusammenhängen beider Seiten.

Den Schritt, seine Wahlkampfkosten vor der Wahl zu veröffentlichen, verstehe ich auch als Wahlkampf, da er sich als transparenter und sparsamer Politiker geriert. Darüber hinaus fände ich es aber sehr spannend, die Wahlkampfaufwendungen der anderen vier KandidatInnen zu kennen. Man darf gespannt sein, wie es mit der Personalia Tammert weitergeht, gerade im Hinblick auf die bevorstehenden Kommunalwahlen 2009.

Oberbürgermeisterwahl 2008: KandidatInnen im Gespräch

Gestern fand im Hauptgebäude der Uni die Podiumsdiskussion mit den Oberbürgermeister-KandidatInnen statt.

Veranstaltet vom AStA-Greifswald und moderiert von einem etwas blassen Thomas Schattschneider und einem manchmal haspeligen, aber trotzdem keck-souveränen Alexander Köcher, der mit selbstbewusstem Witz den KandidatInnen das Wort abschnitt und so mehr oder minder penibel der Einhaltung des zeitlichen Rahmens Sorge trug.

Die Veranstaltung hangelte sich die ersten 90 Minuten durch ein im Vorfeld erstelltes Fragen-Korsett, dass einen flüssigen Ablauf ermöglichte und Unterschiede zwischen den KandidatInnen aufzeigte. Eigentlich gibt es keine Neuigkeiten vom gestrigen Abend zu berichten, alles blieb im erwarteten Rahmen, von wenigen Ausnahmen abgesehen.

König entspannt, aber nicht überzeugend

Der amtierende Oberbürgermeister Arthur König gehört nicht zu den Ausnahmen. Er klopfte sich – einem Märchenonkel gleich – auf die Schulter und verwies auf die Leistungen und Ergebnisse der vergehenden Legislaturperiode. König hat die Wiederwahl beinahe in der Tasche und dieser Umstand verlieh ihm eine sehr entspannte Aura.

Inhaltlich konnte er allerdings nicht überzeugen. Da war die Sache mit dem Verkauf der WVG-Anteile, die Idee, Tourismus zu fördern, ein Steinkohlekraftwerk zu befürworten und zu guter Letzt die Sache mit seinem Prestige-Millionengrab Stadthalle.

Gesichtsloser Geostratege

Zu Rainer Mutke (SPD) müssen nicht viele Worte verloren werden. Viele seiner Antworten zielten ins Leere und verloren sich. Auch Mutke befürwortet das Kraftwerk, allerdings begründete er dessen Notwendigkeit mit geopolitischen und -strategischen Überlegungen. Europas Energiezukunft soll zukünftig von Lubmin aus gesichert werden.

Der Kumpeltyp

Birgit Socher, als Kandidatin der LINKEN, vergaß nie zu erwähnen, dass sie als einzige Frau ins Rennen ginge. Allerdings wirkte sie nicht wie eine Kämpferin emanzipatorischer Ideen, im Gegenteil.

Sportbegeistert und ein wenig gluckenhaft, trotzdem symphatisch, duzte sie mit fester Blickrichtung gen Moderation die imaginäre FragenstellerIn und zeigte die Grenzen des Gestaltungsspielraums für OberbürgermeisterInnen auf; Kommunalpolitik leicht erklärt!

Phrasen des Ringkämpfers

Olaf Tammert muß man eigentlich hoch anrechnen, dass er die studentische Zuhörerschaft weitesgehend ignorierte und seinen Wahlkampf auch an diesem Ort an die nichtstudentischen Bewohner der Neubaugebiete adressierte. Positiveres bleibt über den ehemaligen Ringer nicht zu berichten.

Widersprüchliche Argumentationen (z.b. beim Thema Gewerbesteuer) und sich permanent wiederholende, wahlkämpferische Phrasendrescherei strapazierten die Geduld des höflichen Publikums. Er wirkte an diesem Abend mehr als deplatziert und ließ sich sogar zu kämpferischen Gesten (Faust in die Luft recken), gewürzt mit einer großzügigen Portion Pathos, hinreißen, die man — medial vermittelt — eher von Auftritten hitzköpfiger Populisten kennt.

Oppositionelle Eloquenz

Ulrich Rose hatte den Gestus eines klassischen Oppositionspolitikers inne. Eloquent, informiert, zynisch und von den herrschenden Zuständen sichtlich angepisst, schien es so, als wäre ihm bewußt, dass das Gros seiner Stimmen studentischer Natur sein wird. Umso sympathischer fand ich seine Vorstellungen davon, was mit den — durch das abrupte hauptwohnsitzliche Ummelden von Studenten in die Stadtkasse fließenden — 1,6 Millionen Euro anzustellen sei.

Während die anderen KandidatInnen das Geld (bzw. einen Teil davon) zugunsten der Studenten ausschütten wollten, verwies Rose auf die grassierende Kinderarmut in Greifswald und erklärte die Bekämpfung dieses strukturellen Problems (z.b. durch die Erstausstattung mit Schulmaterialien) zum allgemeinen Interesse der Stadt. Roses Beiträge wirkten normativer und unterschieden sich dadurch von den Anderen. So erklärte er seine Vorstellungen von staatlicher Daseinsfürsorge und leitete aus diesem Verständnis seine Vorschläge ab.

Seine Ideen über die zukünftige Gestaltung des Verkehrs in der Stadt entspringen dem Geist eines modern-ökologischen Vernunftsmenschen und der Erfahrung eines Fahrradfahrers.

Die Veranstaltung war sehr gut besucht, das Publikum höflich, neugierig und duldsam. Nach 90 Minuten moderierter Diskussion wurde von der Möglichkeit der direkten Fragen an die KandidatInnen rege Gebrauch gemacht. Der AStA hat eine rundum erfolgreiche Veranstaltung organisiert und durchgeführt, dafür gebührt ihm Respekt. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die BewerberInnen für das höchste Amt der Stadt Gelegenheit hatten, sich und ihre Positionen vorzustellen. Nach meiner Einschätzung gelang es allerdings allein Ulrich Rose, nachhaltig für seine Ideen und Zielsetzungen zu werben.