Streetart: Künstler würdigen langjähriges Engagement von Axel Hochschild

Der diesjährige Kommunalwahlkampf ist gelaufen, doch eine Woche nach dem Votum über die zukünftige Zusammensetzung der Greifswalder Bürgerschaft wurde Axel Hochschild, dem Fraktionsvorsitzenden der hiesigen CDU-Garde, ein ganz besonderes Denkmal gesprüht.

In der Domstraße, unweit der Stelle, wo einst eine korporierte Banksy-Adaption ihr temporäres Zuhause fand, wurde ein fast lebensgroßes Konterfei des Greifswalder Malermeisters an die Wand gebracht. Gut möglich, dass jemand Hochschild auf diesem Weg zur gewonnenen Wahl gratulieren wollte — denn das Thema Streetart war zentraler Gegenstand des erfolgreichen CDU-Wahlkampfes („Graffiti? Nein Danke!“), und das nicht erst seit diesem Jahr.

Im Gegenteil: Schon länger organisiert der Greifswalder CDU-Stadtverband gemeinsame Putzaktionen, bei denen die Konservativen einen Vormittag im Jahr durch die Greifswalder Innenstadt stromern und Ampeln und Regenrinnen von Aufkleber befreien — zumindest, solange dabei die Sonne scheint.

(Foto: Fleischervorstadt-Blog)

Bislang verzichtete Hochschild darauf, sich als kunstsinniger Freund urbaner Kultur zu exponieren, und nutzte dieses Thema vielmehr zur Abgrenzung im Kommunalwahlkampf: „Wenn Herr Rodatos von der Piratenpartei diese Sachbeschädigungen als ‚Kunst‘ oder ‚Kultur‘ bezeichnet, fehlt mir dafür jedes Verständnis und es ist bei mir die Toleranzgrenze erreicht.“

Doch die frisch gesprühte Würdigung seines langjährigen Engagements für Greifswald könnte dieses tradierte Feindbild zwischen den Kunstschaffenden und dem Kommunalpolitiker nun nachhaltig verschieben und dafür sorgen, dass diese überaus gelungene Arbeit länger an der Wand bleibt, als es der adaptierte Banksy mit den küssenden Burschenschaftern vermochte.

„Streetart: Künstler würdigen langjähriges Engagement von Axel Hochschild“ weiterlesen

Unser Knut heißt Stinkibär!

Wie die Ostsee-Zeitung am Wochenende auf der Titelseite des Greifswalder Lokalteils verkündete, hat der hiesige Tierpark einen neuen Bewohner und damit folglich eine animale Aufstockung erfahren.

Die Prominenz der Tiere

Tiere als Popstars und Heldinnen der Medien sind kein neues Phänomen. Schon 1943 eroberte ein Hund mit dem Film Lassie Come Home die Herzen der Zuschauenden. Kaum zwanzig Jahre später tobte der immerfröhliche Delphin Flipper über die Bildschirme und das Pferd Mister Ed begann zu sprechen.

Auch in Deutschland brachten es einige wenige Tiere zu zweifelhaftem Ruhm, beispielsweise der Geißbock Hennes, seines Zeichens dickfelliges Maskottchen des 1.FC Köln, der inzwischen in siebenter Generation den kickenden Geißböcken Glück bringen soll. Dann ist da noch Problembär Bruno, der im Sommer 2006 durchs deutsche Sommerloch tapste und schussendlich von einer Gewehrkugel niedergestreckt wurde.

Ein halbes Jahr später wurde eine ganze Republik tierlieb gemacht, als in Berlin ein von seiner Mutter abgestoßenes Eisbären-Jungtier von seinem Pfleger Thomas Dörflein aufgezogen wurde. Die Berliner Zeitungen berichteten beinähe täglich über Knuts Entwicklung, aber auch im Ausland machte Cute Knut von sich reden, und zwar von Houston über Irland und Indien bis nach China.

Stinktier ohne Drüsen

Der Greifswalder Tierpark darf sich also über Zuwachs freuen. Der neue Bewohner heißt ganz gattungsnah Stinkibär und wohnte bis vor drei Wochen noch in Stralsund. Nachdem sich das fünfjährige Tier eingelebt habe, soll es die Kinder in der Zooschule begeistern. Wenn es sich bei dieser Einrichtung allerdings nicht um eine Abendschule handelt, könnte dieses Unterfangen aufgrund der Nachtaktivität von Stinktieren schwierig werden.

(Foto: Peter Binder/OZ)

Um das geruchsintensive Sekret des Tieres solle man sich aber nicht sorgen, denn Stinkibär wurden schon die entsprechenden Drüsen entfernt. Ein amputativer Eingriff übrigens, der gegen das Tierschutzgesetz (§6) verstößt, wenn er nicht nach tierärztlicher Indikation geboten ist. Für jene, die es genau wissen wollen: Gründe hierfür können zum Beispiel Analdrüsenentzündungen und starke Verstopfungen sein.

Laut telefonischer Auskunft des Tierparks ist es derzeit noch nicht möglich, Stinkibär in Augenschein zu nehmen, da dieser sich noch in Quarantäne befände. Er würde höchstens zufällig und in Begleitung seiner Pflegerin zu entdecken sein. Aber auch das soll sich ja ändern. Eine genaue Aufstellung der Öffnungszeiten und Eintrittspreise findet sich auf der Homepage des Heimtierparks.

Stinkibär everywhere

Da die Prominenz Stinkibärs im Gegensatz zu Knuddel-Knuts Popularität nicht zur Sonderbriefmarke der deutschen Post gereicht, keine Apothekenzeitung sein Konterfei auf das herausnehmbare Poster bannen und kein TV-Team eine Dokumentation über den Vierpföter drehen wird, gibt es für Fanatikerinnen eine Schablonenvorlage – natürlich nur für den Gebrauch im eigenen Wohnzimmer.

Und warum jetzt diese lokaljournalistisch anmutende Aufregung und so viele Wörter um einen Neuzugang im Tierpark? Ganz einfach, denn Stinkibär ist einer von uns: liebenswürdig, übelriechend und nachtaktiv!

Gegenöffentlichkeit und politische Stencils

Es ist keine vier Monate her, dass der temporäre Greifswalder Kilian Riebes seine Masterarbeit am hiesigen Institut für Politik- und Kommunikationswissenschaften einreichte. Inzwischen darf er seinen Namen mit einem wohlverdienten M.A. schmücken.

Politische Stencil-Graffiti als Teil von Gegenöffentlichkeit lautet der Titel seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem zeitgenössischen Phänomen, das als urbane Begleiterscheinung gedeutet werden kann und seit einigen Jahren auch in Greifswald Fuß gefasst hat, wie zum Beispiel die Fotodokumentationen von daklebtwat zeigen.

Riebes durchstreifte bei der Erhebung seiner über sechshundert Stencil-Motive allerdings nicht die Hansestadt Greifswald, sondern die deutsche Kapitale Berlin. Er dokumentierte, analysierte und klassifizierte die Ergebnisse einer „unautorisierten Produktion visueller Zeichen im öffentlichen Raum“ und erforschte die Straße als kulturellen Aktionsrahmen.

Von Massenmedien und Kommunikationsguerilla

Der Zuschreibung von Streetart als gegenöffentlich stellt er allerdings eine theoretische Auseinandersetzung mit verschiedenen Konzeptionen von Öffentlichkeit voran. Von Massenmedien und Gate-Keepern über Nachrichtenwerttheorie, Medienaktivismus, Kommunikationsguerilla und störenden Eingriffen in die kulturelle Grammatik wird ein weites kommunikationswissenschaftliches und kultursoziologisches Feld aufgetan.

Bemerkenswert ist neben der thematischen Mannigfaltigkeit der Stencil-Graffiti auch die Auswertung des Datenmaterials und dessen Kategorisierung. Hierbei wird zum Beispiel zwischen ablehnenden und zustimmenden Positionen unterschieden, die durch die erfassten Bilder zum Ausdruck gebracht werden. Sehr erhellend ist auch die Darstellung von Gewalt in Streetart.

Auf dem eigens eingerichteten Blog stellt Riebes nicht nur seine Masterarbeit zum Download zur Verfügung, er bietet außerdem eine am Thema orientierte Literatursammlung an, die zukünftige Netzrecherchen verkürzen soll. Auch in den verlinkten Bildergalerien finden sich Perlen der Eroberung des öffentlichen Raumes.

Wer sich für Streetart interessiert, sollte sich die Arbeit herunterladen, sie ausdrucken und sich in Ruhe zu Gemüte führen. Insbesondere die theoretischen Ausführungen und Überlegungen zum Thema (Gegen)Öffentlichkeit und Aktivismus eröffnen neue Perspektiven auf das zumeist nächtliche Treiben mit Schirm, Charme und Schablone.

(Fotos: Kilian Riebes)