Eindrücke von der Greifswalder Auftaktdemonstration zum Castor 2011

Die heutige Auftaktdemonstration erfreute sich einer Beteiligung, die manche in dieser Form sicher nicht erwartet hätten. Gegen 13.30 Uhr füllte sich der Marktplatz. Kurz vorher bemühte sich noch die Feuerwehr, ein am Gebäude des Ballhaus Goldfisch befestigtes Banner zu entfernen.

Nach zwei Redebeiträgen von Nadja Tegtmeyer und einem Vertreter der Nachttanzblockade aus Karlsruhe setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung und bewegte sich lautstark, gut gelaunt und kämpferisch zum Busbahnhof, wo eine Zwischenkundgebung stattfand. Nach kurzem Aufenthalt ging es über die Brinkstraße, die Europakreuzung und den Hansering zurück zum Ausgangspunkt in der Innenstadt, wo schließlich Renate Backhaus (BUND) sprach.

1600 Menschen beteiligten sich an der Demonstration gegen den Castor

Nach Angaben der Polizei soll die Demonstration 1600 Menschen stark gewesen sein. Diese Informationen entspricht auch den zwischenzeitlich unternommenen Zählungen. Die Organisatorinnen zeigen sich zufrieden und bedankten sich bei allen, die heute mit dabei waren.

Für die kommende Woche des Atom-Widerstands wird eine entsprechende Infrastruktur des Protests eingerichtet, inklusive Volksküchen, Infopoint, Bettenbörse und Aktionstraining. Detaillierte Informationen sind auf der Internetseite des Anti-Atom-Bündnis NordOst abrufbar.

Inzwischen sind auch die ersten Videos online, exemplarisch sei dieses verlinkt:

Der Widerstand gegen den Castor geht auf die Straße

Wie bereits Anfang Januar angekündigt, wird in der nächsten Woche wieder Atommüll ins sogenannte Zwischenlager bei Lubmin transportiert werden. Hierbei sollen fünf Castorbehälter aus Karlsruhe überführt werden, die insgesamt 140 Glaskokillen enthalten.

Zweite Großdemonstration binnen dreier Monate

Lokale Anti-Atom-Aktivistinnen mobilisieren seit Wochen zu Protest und Widerstand gegen diesen Transport und rufen dazu auf, sich an der morgigen Demonstration zu beteiligen. Es ist der zweite große Anti-Atom-Protest in Greifswald binnen drei Monaten, denn schon im Dezember 2010 gingen über 2000 Menschen auf die Straße.

Atom Widerstand Greifswald

(Foto: Feldweg)

Am Sonnabend beginnt um 14 Uhr auf dem Markt die Auftaktdemo, die über die Lange Straße, den Karl-Marx-Platz und die Bahnhofstraße durch die Goethestraße, die Anklamer- und Brinkstraße schließlich über den Hansering und die Bachstraße zurück zum Ausgangspunkt führen wird.

Redebeiträge sind von Nadja Tegtmeyer (Anti-Atom-Bündnis NordOst), Holger (Nachttanzblockade Karlsruhe), Simone Leuning (AG Schacht Konrad), Pfarrer Matthias Gürtler (Ev. Kirchengemeinde) und Renate Backhaus (BUND) angekündigt, für einen musikalischen Beitrag sollen die Stormbirds sorgen. Es wurde auch eine Google Map eingerichtet, auf der neben der Route auch Parkplätze und die Orte der Zwischenkundgebung und des Abendprogramms vermerkt sind.

Aktionstag als Warm-up für den Castor

Die ganze Veranstaltung wird mit Sicherheit wie beim letzten Mal von einem Großaufgebot der Polizei begleitet und es ist nicht auszuschließen, dass von Seiten der Polizei der Protest gegen Atomkraft wieder gefilmt wird. Außerdem ist zu erwarten, dass Presse und Fernsehen bildreich berichten und viele Menschen zusätzlich private Aufnahmen machen werden. Wer darauf keine Lust hat, sei an dieser Stelle nochmal daran erinnert, an diesem Tag die für solche Bedenken anzuratende Kollektion aufzutragen. „Der Widerstand gegen den Castor geht auf die Straße“ weiterlesen

Wir und Ihr — wie sich das Anzeigenblatt „Land & Leute“ in die Atomdebatte einmischt *Update*

Das Bild des imaginierten Mobs, der zornig und zugleich hilflos Fackeln und Forken in die Höhe streckt, wurde jetzt schon mehrfach  verwendet, um eine Atmosphäre, einen Gefühlscocktail, zu beschreiben, der in der jüngeren Greifswalder Vergangenheit immer dann angerührt wurde, wenn identitäre Stellungskriege geführt werden, wie zum Beispiel bei der Debatte um den Namenspatron der örtlichen Universität, Ernst-Moritz-Arndt, oder bei der Kontroverse um das atomare Endlager Lubmin.

Scheiterhaufen statt Schmelztigel

Bislang fanden die aus der verklärenden Besinnung auf tragende Eckpfeiler der eigenen Biographie resultierenden, agressiven Verlautbarungen und entsprechenden Ressentiments in den Leserbriefspalten der Ostsee-Zeitung und in den Pressemitteilungen der CDU Greifswald ihr Zuhause. Jjetzt positioniert sich mit Land & Leute ein weiteres publizistisches Organ und gießt Öl ins Feuer der Anti-Atom-Diskussion. Scheiterhaufen statt Schmelztiegel!

Im editorialen Vorweg! des in Vorpommern erscheinenden Anzeigenblättchens wendet sich Herausgeber Claus Schwarz auch in der aktuellen Ausgabe wie gewohnt an seine Leserinnenschaft und schwadroniert diesmal über den Anti-AKW-Widerstand, der sich jetzt für den kommenden Castor-Transport Mitte Februar warmlaufe.

Die papiergewordene Diffamierung der sich gegen die Atommülltransporte engagierenden, sozial-ökologischen Bewegung zielt dabei wie gewohnt distinktiv auf das Misstrauen gegenüber dem Fremden, auf das Unterscheiden von Innen und Außen, von Ihr und Wir. Wann ist man Greifswalder genug, um sich für hiesige Belange einsetzen zu dürfen und aus dem prekären Status des wahlweise „ideologisch vorbelasteten Wichtigtuer-Studenten“ (Hans-Jürgen Schumacher), des „Westprofessors“ oder der Demonstrantin, die man in anderen Ländern „nackt übers Feld gejagt hätte“ (Leonhard Bienert), entlassen zu werden?

Desinformation und Diffamierung — liegt Rostock jetzt im Wendland?

Claus Schwarz glaubt, dass das Castor-Thema „von ‚AktivistInnen‘ aus dem Wendland und aus Berlin gesteuert“ würde, die „als treibende Kraft hinter den Aktionen“ stünden, und stützt diese Vermutung auf die falsche Behauptung, dass die tatsächlich auf das Rostocker Anti- Atom-Netzwerk (RAN) registrierte Webadresse LubminNixda.de Eigentümer im Wendland hätte. Auch das bundesweite Anti-AKW-Portal ContrAtom sei nicht von hier. Nebenbei bemerkt: Greenpeace und Robin Wood sind es auch nicht.

land und leute editorialDie Tatsache, dass zur Auftaktdemonstration des letzten Castor-Widerstands auswärtige Demonstranten gereist sind, verführt Schwarz, der belegfrei auf „regelrechtes Berufsdemonstrantentum“ hinweist, zu der Annahme, „dass die Bürger der Region offensichtlich eine andere Einstellung zum Thema haben“. Weiter verweist auf die vergangene Rolle des Kernkraftwerks als dominierender Arbeitgeber. Wer dort angestellt gewesen sei, könne eine „realistischere Einschätzung der Lage“ vornehmen  „als diejenigen, die ihre Aufgabe darin sehen, Katastrophenszenarien zu kultivieren und Ängste zu schüren“.

Er unterstellt den AKW-Gegnern, „wohlfeilen Profit für eigene Interessen zu erhoffen“, allen voran dem Ministerpräsidenten Erwin Sellering, dem es zwar frei stünde, zu demonstrieren, in „diesem speziellen Fall aber vielleicht doch eher ohne Bodyguard und Dienstwagen und ausnahmsweise in der zweiten Reihe“.

Fundierte Diskussion statt politischem Aktivismus

Wer selbst bei der Auftaktveranstaltung zugegen war, hat vielleicht vom Ministerpräsidenten, der sich zu Fuß inmitten des Demonstrationszuges bewegte, Notiz genommen und womöglich auch die hiesigen Sprecher und Rednerinnen der Kundgebung, wie zum Beispiel Nadja Tegtmeier (Anti-Atom-Bündnis), Dr. Hans-Jürgen Abromeit (Bischof der Pommerschen Ev. Kirche), Oskar Gulla (BI Kein-Steinkohlekraftwerk-in-Lubmin) oder Konrad Ott (Professor für Umweltethik/Uni Greifswald), gehört. Abschließend fordert der Schwadroneur, dass „der durchschaubaren Zielen dienende, populistische Aktivismus einer sachlichen, fundierten Diskussion Platz“ machen müsse, die „vor allem von der Bürgern der Region geprägt werden sollte„.

Wo genau diese sachlich fundierte Diskussion stattfinden soll, verrät Schwarz nicht. Am Ende sieht er gar sein eigenes Blatt, bei dem sich übrigens genauso wie bei LubminNixda.de der Ort der presserechtlichen Verantwortung von der Adresse der Domain-Registrierung unterscheidet, als Debattenarena.

Land & Leute: Parteipolitisches Podium und „redaktionelle“ Schmeicheleien für die Anzeigenkunden

Dass diese Wunschvorstellung albtraumhaft wäre, steht außer Frage. Ein kritischer Blick in das Anzeigenblättchen offenbart, wie Land & Leute zwischen parteipolitischem Populismus und anzeigehungrigen Schmeicheleien privatwirtschaftlicher Unternehmen laviert.

In der Jahreswechselausgabe darf zum Beispiel der Greifswalder Oberbürgermeister Arthur König (CDU) in einem Grußwort die eigene Arbeit verklären und behaupten, dass die Stadt „in den vergangenen Jahren solide gewirtschaftet“ hätte. Kein Wort vom Millionengrab Technisches Rathaus – stattdessen ist er voll des Lobes für die wirtschaftlich höchst diskutable Stadthalle und das 60.000 Euro teure Leitbild, das die Prognos AG für die Stadt schrieb.

Die Verzahnung von „redaktionellen“ Anbiederungen an regionale Unternehmen und nebenstehenden, nicht als Werbung gekennzeichneten Anzeigen ebendieser Firmen, macht das Wirtschaftskonzept dieser Publikation noch deutlicher. Exemplarisch seien hier einige Beispiele aus der erwähnten Jahreswechselausgabe angeführt, die aufzeigen sollen, wie kritisch der dort praktizierte Hochleistungsjournalismus aussieht.

Ewig reproduzierter Ausschluss: Ihr vs. wir

Angesichts der Tiefe, mit der das frühere Kernkraftwerk in die Biographien und Identitäten vieler Ansässigen eingeschrieben ist, darf eine sachliche Diskussion über das Thema Atomkraft und radioaktiver Müll ohnehin nicht erwartet werden. Die ewig reproduzierten Ihr-Wir-Grenzziehungen generieren immer wieder Auschlüsse aus den geführten Diskursen und erzeugen eine Atmosphäre mentaler Verschlossenheit und paralysierter Abwehrhaltung, die alles andere als einladend und weltoffen daherkommt.

Der nächste Castor-Transport wird Mitte Februar stattfinden, eine große Demonstration auf dem Greifswalder Marktplatz, für die auch via Facebook mobilisiert wird, ist bereits für den 12. Februar angemeldet worden. Selbstverständlich sind Aktivistinnen von außerhalb gern gesehene Gäste, denen über die eingerichtete Bettenbörse von LubminNixda auch ein Schlafplatz vermittelt werden kann. Wer ortsansässig ist und den Protest mit der Bereitstellung seines Sofas unterstützen möchte, kann sich dort registrieren und auf diese Weise helfen.

*Update* 25.01.2011

Der Herausgeber von Land & Leute hat heute bereits drei E-Mails geschrieben und darin die Verwendung des inzwischen entfernten Redaktionsfotos untersagt und ein durch Vollzitation des Editorials 07/2010 verletztes Urheberrecht moniert. Achtet bitte in euren Kommentaren darauf, was ihr schreibt und ob ihr gegebenenfalls dadurch Rechte Dritter verletzt.

Ich selbst lese  die emsigen Versuche von Klaus Schwarz, diese Kritik an seinem Anzeigenblättchen zu stören, als Bestätigung und empfehle, diese aufgebrachte Mühe in die Erstellung redaktioneller Inhalte zu stecken. 

Nach dem Castor ist vor dem Castor

Wie bereits im vergangenen Jahr angekündigt, war der Castor-Transport Mitte Dezember 2010 nicht der letzte seiner Art, der ins ZwischenEndlager Lubmin rollte.

Aktivisten der Initiative Lubmin niX da! brachten vor einigen Tagen in Erfahrung, dass der geplante Transport von Karlsruhe hierher zwischen dem 15. und dem 18. Februar vonstatten gehen wird. Die Atomgegnerinnen erwarten fünf Behälter, die aus dem Badischen sogenannte Atomsuppe bringen, ein bei der Aufarbeitung abgebrannter Brennelemente verbleibender, hochradioaktiver Säure-Plutonium-Uran-Cocktail.

Castor Greifswald

Gegen diesen Transport und die Nutzung von Lubmin als vorläufiges Endlager wird wieder bundesweit mobilisiert. Die Vorbereitungen des Widerstands beginnen morgen mit dem ersten Anti-Atom-Plenum des neuen Jahres. Hier ist jede Unterstützung willlkommen und gern gesehen.

Organisiert Euch und spuckt der Lobby in die Atomsuppe!

Fakten: 06.01. | 18.30 Uhr | KLEX (Lange Str.14)

Nach dem Castor: Fackeln, Forken & Berichte

Über 50 Stunden brauchte der Castor-Transport für die 1500 Kilometer lange Strecke vom französischen Cadarache bis nach Lubmin, am 16. Dezember erreichte er gegen 23 Uhr sein Ziel.

Unter den Gleisen liegt der Betonklotz

Aufgehalten wurde die höchst umstrittene Lieferung vor allem auf dem letzten Abschnitt zwischen Greifswald und Lubmin. Hier sorgte eine spektakuläre Aktion der Umweltorganisation Robin Wood für eine fast sechsstündige Verzögerung. Zwei Aktivistinnen ketteten sich dabei bereits um 13 Uhr an einen Betonklotz im Gleisbett – die zuletzt vom Gleis entfernte Demonstrantin  harrte dort insgesamt siebeneinhalb Stunden in der Kälte aus.

Robin Wood Lubmin
(Foto: Chris Grodotzki)

„Nach dem Castor: Fackeln, Forken & Berichte“ weiterlesen

Castor rollt durch Greifswald *Update*

Vor etwa zweieinhalb Stunden rollte der Castor auf dem Weg in das Zwischenlager Lubmin durch Greifswald, vorbei an den wütenden Blicken und Buhrufen mehrerer Dutzend Demonstrantinnen und bewacht von einem im Verhältnis zu den vorherigen Tagen relativ überschaubaren Polizeiaufgebot.

Beim Versuch, auf die Gleise zu gelangen, wurden mehrere Atomgegner von Polizisten angegriffen, die Konsequenz und die Bereitschaft zu hartem Durchgreifen demonstrierten, sich ansonsten aber ruhig verhielten. Der Castor-Transport wurde heute durch mehrere zum Teil sehr erfolgreiche Blockaden von Greenpeace und Robin Wood verzögert.

Die aktuellesten Information wie zum Beispiel das Aufwärm- und Volksküchenangebot in der Werft oder Verkehrshinweise für Protestler, stellt im Minutentakt der Castorticker bereit.