Moritz von Uslar im Nachgang

Am 9. Dezember las Moritz von Uslar im Koeppenhaus aus seinem jüngsten Buch Deutschboden. Eine teilnehmende Beobachtung. Schon vor der Lesung – bei der zufälligen Begegnung am Pissoir – wurde klar, dass in der Person von Uslar Larmoyanz und beinahe prollige Coolness eins werden.

Anschließend saß der Autor im gut gefüllten Saal und unterhielt sein Publikum mit den Impressionen des protagonistischen Reporters, der für drei Monate ins brandenburgische Zehdenick auszog, um die Provinz und ihre Bewohnerinnen teilnehmend zu beobachten. Das darauf folgende Gespräch moderierte Popliteraturkenner Prof. Dr. Eckhard Schumacher (Neuere Deutsche Literatur und Literaturtheorie).

Moritz von Uslar

Der erste Teil der Fragerunde fokussierte vorwiegend die methodische Problematik der zunehmenden Involvierung des Autors, der dadurch beginnt, Teil der beobachteten Wirklichkeit zu werden und sie zu verändern.

Über Zuspitzungen des Alltäglichen

Danach wurde der Produktionsprozess des Deutschbodens in den Mittelpunkt gerückt: von Uslars Tonbandaufnahmen, das Verhältnis von Fakt und Fiktion und die Notwendigkeit der Dramatisierung und Zuspitzung des Alltäglichen. Zehdenick und die neugewonnen Bekanntschaften lassen noch immer nicht so richtig vom Autor los, der auch nach der Veröffentlichung seines Buches noch ins Brandenburgische fahren kann, im Fall der nur für einen Abend besuchten Peenestadt Anklam dürfte das anders aussehen.

Mit von der Partie war auch das Studierendenfernsehen Moritz TV, das mit Moritz von Uslar vor der Lesung ein Interview führte und endlich wieder mal einen ausgesprochen guten Beitrag ablieferte, der allen Interessierten wärmstens ans Herz gelegt sei.

Im Gespräch mit der Kabutze-Gruppe

Am kommenden Wochenende wird mit der Kabutze Greifswalds erste offene Nähwerkstatt eingeweiht. Ein guter Grund, sich vorab mit dem betreibenden Kollektiv zu treffen und über Idee, Finanzierung, Netzwerke, Mitmach-Potentiale und die Eröffnungsfeier der Mitnähzentrale zu plaudern.

Kleine Bastelstube mit politischem Anspruch

FLV: Ihr habt die Idee einer Nähwerkstatt irgendwo aufgenommen oder entwickelt. Wie kam es dazu, lässt sich das rekapitulieren?

K: Wir haben uns im Herbst zusammengefunden, aber eine von uns hatte die Idee schon seit 2007 und hat dann überall Nähwerkstätten gefunden: in Zürich, in Berlin oder in Freiburg. Das waren alles so Design-Cafés, immer mit kommerziellem Hintergrund. Wir hatten die Idee, etwas unkommerzielles zu machen, etwas offenes, wo die Leute hinkommen können und einfach Lust aufs Nähen bekommen.

Dann hat sich das verdichtet, wir haben geguckt, was wir machen wollen und worauf wir unser Augenmerk legen. Wir sind nicht nur eine kleine Bastelstube, sondern entwickeln auch einen politischen Anspruch dahinter.

Kabutze

FLV: Fangen wir mal weiter vorne an. Ihr habt Euch gefunden, habt gesagt, wir machen jetzt eine Nähwerkstatt und seid dann zu eurem jetzigen Vermieter, der WVG gegangen, um nach einem geeigneten Objekt zu fragen?

Wir haben immer Ausschau nach freien Ladenräumen gehalten, weil uns klar war, dass wir das gerne in der Innenstadt haben wollten, so dass die Leute, wenn sie daran vorbeigehen, sehen, dass da Leute sind, die nähen und vielleicht Lust bekommen, auch mal hinzugehen. Wichtig war, dass es zentral ist, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen.

Wir haben überlegt, ob wir das Projekt im IKUWO oder im KLEX integrieren könnten, aber wir fanden es cooler, einen neuen Raum zu schaffen, etwas komplett eigenständiges, das noch nicht so vorbesetzt ist. Auch um ein größeres Spektrum an Personen, die herkommen, ansprechen zu können, so dass zum Beispiel auch die 14jährige Teenagerin, die gerade total frustriert von H&M kommt und sagt: „das gefällt mir alles nicht, ich habe keinen Bock da drauf, ich will gerne mein eigenes Zeug machen“ kommen und sich sozusagen auch selbst etwas schaffen kann. Oder dass irgendwer, der oder die zum Beispiel im Ruhestand ist und früher selbst mal genäht hat, sagen kann: „Ich finde toll, dass ihr das macht. Ich komme gerne her und helfe euch, weil ich ein bisschen mehr Wissen habe als ihr“, um das weiterzugeben, auch an jüngere Generationen.

Miteinander und kreativ Recyclen, Reparieren und Aufpeppen

FLV: Dieser Wissenstransfer, wie läuft der in der Praxis ab? Noch sieht es hier relativ unbestimmt aus. Sind hier dann Arbeitsplätze, oder wie kann man sich das vorstellen?

Wir sind hier, können nähen und den Leuten erklären, wie sie mit den Maschinen umgehen. Wir haben unterschiedliche da. Leute, die damit vielleicht erst wenig Kontakt hatten, können zum Beispiel ausprobieren, wie eine Tretnähmaschine funktioniert und dass das anders ist als zum Beispiel eine elektrische.

Kabutze Nähmaschine

FLV: Tretmaschinen, sind das zum Beispiel diese alten Singer-Modelle, bei denen man die Maschine über einen Keilriemen mit den Füßen antreibt?

Genau, damit man erstmal eine Vorstellung dieser alten Nähmöglichkeiten kriegt, dass es dort zum Beispiel nur gerade Linien gibt und nichts anderes. Dann haben wir aber auch Hausnäh- und Overlock-Maschinen, um Sachen richtig zu verketteln. Wir können Wissen vermitteln, es soll aber auch während der Öffnungszeiten ein Untereinander sein, so dass mehrere Leute da sind, die sich auch gegenseitig verschiedene Dinge beibringen können. Wir verstehen uns nicht als Dienstleister, sondern die Leute sollen sich austauschen, es soll Kommunikation stattfinden.

FLV: Wieviele Maschinen habt ihr jetzt eigentlich?

Acht.

FLV: Und die habt ihr euch irgendwie zusammengesammelt?

Ja genau und drei haben wir gekauft, unter anderem die Overlock-Maschine.

FLV: Die Nähwerkstatt ist ja dann zweimal die Woche geöffnet, montags und mittwochs. Dazu gibt es aber auch noch Workshops mit verschiedenen Leiterinnen, wie sich auf eurer Website lesen lässt. Das sind dann thematische Ganztagesveranstaltungen. Wer macht die?

Am Anfang haben wir Leute gesucht, die wir schon irgendwie kannten oder durch das Projekt kennengelernt haben. Das sind Menschen, die zum Beispiel Schneiderinnen sind oder damit Erfahrungen haben. Einige haben sich auch bei uns gemeldet und angeboten, dass sie Workshops machen könnten.

Kabutze in Greifswald

Flachs zu Gold spinnen — die Finanzierung

FLV: Wenn ich mich mit anderen über Kabutze unterhalte, dann ist es die Finanzierungsfrage, die allen unter den Nägeln brennt. „Im Gespräch mit der Kabutze-Gruppe“ weiterlesen

Im Gespräch mit der Alten Bäckerei

Anlässlich der etwas verspäteten Geburtstagsfeier ergab sich vor wenigen Tagen die Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit den drei federführenden Personen hinter der Alten Bäckerei. Stefanie Riech (R), Stefan Matschuk (M) und Lutz Jürgens (J) plauderten während des Abendbrotes im Beisein ihrer Kinder über das Konzept des Raumes, Schaufensterkultur und die Greifswalder Kunstlandschaft. Aufzeichnungen eines Gespräches.

Freitag ist Geburtstagsfeier, ein Jahr Alte Bäckerei, eigentlich ein bisschen mehr, oder?

J: Im Januar oder Februar 2009 hat es angefangen.

Wieviele Veranstaltungen gab es seitdem?

R: Ungefähr vierzig

M: Es teilt sich auf in eher abstrakte Geschichten, die keinen besonderen Titel hatten, aber irgendwelche Leute unten rumwurschtelten und irgendwas machten und in Dinge, die richtig angekündigt wurden, einen Titel bekamen und mit Plakaten beworben wurden. Das waren ungefähr 30. Dohle war drei Stunden Skatspielen, das ware eine geile Aktion.

Das gehörte auch schon in die Reihe Bewegung?

J: Das war die dritte Aktion. Die erste war sehr cool, die Tanzgeschichte mit Cosima Tegetmeyer. Das Fahrradfahren war die zweite und hat einen eigen Sinn verfolgt. Es ist komisch, wenn jemand drei Stunden Fahrrad fährt oder tanzt. Das war wie ein Hamster in einer Box.

Sonja Grädler hatte später dieses Schuhlaufen gemacht. Das war eigentlich das erste Mal, dass sich jemand vorher ein künstlerisches Konzept erdacht hatte. Das andere hatte natürlich auch von Natur her ein Konzept, war aber auch spontanes Selbst.

(Foto: Stefanie Riech)

Mit den 30 bis 40 Veranstaltungen habt ihr ein Profil für diesen Raum herausgearbeitet. Was ist das für ein Profil? Was müssen sich Leute, die noch nie dort waren, unter der Alten Bäckerei vorstellen?

„Im Gespräch mit der Alten Bäckerei“ weiterlesen

Im Gespräch mit „klein stadt GROSS“

Schampus gibt’s woanders! lautet der markige Untertitel des kurz vor der Veröffentlichung stehenden Kompilationsmeisterwerkes klein stadt GROSS. Am 12. Oktober ist mit einem Marathon der Veröffentlichungsfeierlichkeiten in Greifswald zu rechnen, immerhin sind nicht nur 18 hiesige Bands, Solokünstler und Musikprojekte auf dem Silberling vereint, ganz nebenbei haben vier (Wahl-)Hanseaten der Lokalvernetzung enormen Vorschub geleistet. Grund genug, sich mit den vier charmanten jungen Herren zu treffen und mit ihnen über das Projekt zu sprechen.

FLV: Wir beginnen unser Gespräch am besten mit einer kleinen Vorstellungsrunde, in der Ihr Euren Bezug zum Projekt klein stadt GROSS erläutern könnt.

MS: Mein Name ist Mathias Strüwing und meine Aufgabe bei klein stadt GROSS war neben dem gemeinsamen Diskutieren und dem Auswählen der Stücke eine technische, sprich: Mastern der Songs und Soundbearbeitung.

NS: Ich bin Nico Schruhl, auch Projektmitglied bei klein stadt GROSS.

Wir haben gemeinsam darüber gesponnen, dass es schön wäre, zu wissen, was genau eigentlich in musikalischer und künstlerischer Hinsicht in Greifswald passiert. Und dass einem der Überblick – selbst in dieser kleinen Stadt – dann doch irgendwie fehlt. Besonders schade ist es, dass gerade diejenigen, die in ihrem Wohnzimmer schöpferisch tätig sind, nicht gehört oder gesehen werden.

lumieres claires pressefoto

SR: Ich bin Stephan und auch in diese Gruppe hineingeraten. Wir haben lange nachts zusammengesessen, erzählt und geschwärmt von Dingen, die man doch mal machen müsste und irgendwann haben wir dann solange darüber geredet, dass wir dachten, wir müssen das jetzt mal probieren: In Greifswald einen Überblick zu schaffen, um auch Leuten, die entweder neu in die Stadt kommen oder neu in der Stadt sind und noch gar nicht für sich selbst den Überblick gewonnen haben, eine Möglichkeit dafür zu geben. Der Bezug zum Projekt besteht natürlich in der Freundschaft zu den drei anderen Leuten und in einem riesengroßen Interesse für Musik im Allgemeinen und für das kulturelle Schaffen in meiner Umgebung, in Greifswald.

lofi deluxe MH: Ja, und als vierter im Bunde bin dann ich, meines Zeichens Martin Hiller, zu nennen. Bei mir ist auch eine ähnliche oder dieselbe Verknüpfung wie bei den Anderen zu diesem Projekt vorhanden, nämlich dass uns interessiert hat, mal einen Überblick über künstlerische Tätigkeiten in dieser doch im Vergleich etwas kleineren Stadt zu erstellen; sowohl was musikalische Kunst als auch bildende Kunst betrifft. Und das wollten wir explizit zusammenbringen. Deshalb sind im Booklet in katalogähnlicher Form bildende Künstler vertreten. Am Booklet haben Nico und ich zusammen grafisch und praktisch mitgewirkt. Und letztlich sind wir ja auch alle musikalisch auf diesem Sampler vertreten.

NS: Vielleicht kann man das nochmal kurz zusammenfassen: Mathias ist bei Mexicola und Naked Neighbours on TV involviert. Martin ist Lofi Deluxe, Stephan ebenfalls bei Naked Neighbours on TV und ich bin bei Lumières Claires und Naked Neighbours on TV beteiligter Musiker.

Multifunktionalität, kulturelle Transparenz und das große Miteinander

FLV: In der Konzeptbeschreibung von klein stadt GROSS stand, dass es sich dabei um ein multifunktionales Projekt handle und dass ein Ziel die Schaffung kultureller Transparenz sei. Ihr habt alle drei von Überblicken gesprochen. Was bedeutet dieses Konzept für Euch? Mulitifunktionalität und kulturelle Transparenz?

NS: Das hat nicht nur damit zu tun, dass wir anderen Leuten einen Überblick verschaffen wollten, sondern auch damit, den beteiligten Parteien die Möglichkeiten zu geben, einander kennenzulernen und Vernetzung stattfinden zu lassen.

Mexicola

SR: Der Aspekt der Vernetzung ist schon einer der Hauptgründe, warum es überhaupt soweit gekommen ist. Es gibt zwar Bands, die hängen mehr miteinander herum, es gibt bildende Künstler, die miteinander Projekte starten. Aber dennoch lebt man trotz der kleinen Stadt Greifswald recht stark aneinander vorbei, wenn man nicht auch mal ein bisschen zu fördern versucht, dass die Leute näher zueinanderkommen. Das ist die Hauptfunktion.

Es geht darum, auch Räume zu schaffen, in denen die Leute einfach zusammenkommen und sich kreativ austauschen können. Zum Beispiel hat vor kurzem eine offene Jam-Session in der Alten Bäckerei stattgefunden, wo das alles zusammengeführt wurde: Die Ausstellung einer Künstlerin aus Greifswald, Antje Ingber, und dazu einfach zur Verfügung gestellte Verstärker und Instrumente, um Leuten die Möglichkeit zu geben, zueinander zu finden.

Eine andere Funktion des Projekts ist es, der Stadt ein anderes Bild nach außen zu geben, denn das wird oftmals ein bisschen verzerrt dargestellt.

naked neighbours on tv

Utopistische Kleinstadtromantiker

FLV: Was habt Ihr für Utopien von einer vernetzen, multifunktionalen, kulturell transparenten Lebensweise in Greifswald? Wie kann sich das in der Realität noch darstellen, außer – wie jetzt geschehen – bei dieser Jam Session?

MS: Es wurde ja schon angedeutet, dass die Idee klein stadt GROSS deutlich größer ist als die CD. Viele der Ideen, über die wir herumgesponnen haben, werden wir versuchen, in Zukunft zu realisieren. Im Klartext soll das heißen, dass wir eine Release-Woche planen, die verschiedene Locations in Greifswald involvieren wird. Dort versuchen wir dann den verschiedenen Künstlern des Samplers eine Plattform zum Auftreten oder Ausstellen zu geben.

NS: Es geht auch vor allem erstmal darum, dass man mit den ganzen schöpferischen Kräften, von denen sowieso jeder schon mal in Greifswald gehört hat, vernetzt wird. Diese ganzen Dinge spielen sich ja sonst nur zufällig ab – und das wollten wir forcieren.

Es geht außerdem darum, dass man sich kennt, dass man die Mitmenschen, denen man tagtäglich in dieser kleinen Stadt begegnet, kennenlernt; dass man auf sie zugehen kann und dass man auch bei ganz lapidaren Sachen, wenn es zum Beispiel um Equipment geht oder so, einander hilft, sich solidarisch gibt. Und das ist natürlich viel leichter wenn man weiß, wer sich hinter diesen ganzen Projekten verbirgt und wen es da überhaupt gibt.

R!o

SR: Was diese Utopie angeht, von der du gesprochen hast, das ist vielleicht ein Traum – aber dafür sind Utopien ja da – der durch diese Geschichte angestoßen werden könnte, dass vielleicht eine stärkere Unabhängigkeit der Musiker entsteht. Dadurch, dass sie diese Möglichkeiten der Vernetzung haben und auf diese Weise Potential, Technik, Kreativität, Infrastrukturen entstehen, die es für einige Leute sicherlich leichter macht, kreativ tätig zu sein und ihr Ergebnis nach außen zu tragen. Dinge, die sonst vielleicht einfach untergehen würden, wenn es sich nicht herumspräche, es niemand hörte oder sähe.

Überwindung von Genre-Grenzen als Programm

kein plan ganz unerkanntNS: Es gibt diese Vernetzung teilweise schon, ich denke dabei an die Bands Feine Sahne Fischfilet, Kein Plan und R!O, wo schon ganz starke Verquickungen existieren. Die reden miteinander, tauschen sich aus, beeinflussen sich auch künstlerisch gegenseitig. Das ist aber noch an das Genre gebunden. Es gibt aber eigentlich keinen Grund, warum man das auf so ein Genre beschränken sollte.

Ich war unlängst auf einem Konzert von Kein Plan und R!O und erwartungsgemäß war dort wieder nur ein Punkpublikum, bzw. ein erweiterter Freundeskreis. Dieses Konzert war so gut, dass man sich eigentlich fragt, warum es so wenige interessiert. Das kann meines Erachtens nur daran liegen, dass niemand diese Bands und die Musik, die dahinter steckt, kennt. Die hat durchaus einen Appeal für Leute, die sich sonst nicht unbedingt Punk oder Hardcore anhören.

MS: Das ist auch der Grund, warum dieser Sampler sich nicht auf bestimmte Musikrichtungen beschränkt.

MH: Deshalb war für uns ein ganz wichtiger Anspruch, über musikalische Stilgrenzen hinweg die Leute zu vereinen. Die Verbindung zwischen diesen verschiedenen Richtungen haben wir dann versucht, durch Interludes zwischen einzelnen Titeln herzustellen. Eben diese Interludes – es gibt auch noch ein Intro und ein Outro – spielen natürlich mit gewissen kleinstädtischen Romantiken oder auch Sounds, die eine gewissen Kleinstädtischkeit widerspiegeln.

Um nochmal auf diese Utopien zurückzukommen, hängt natürlich die Idee im Hintergrund, dass es auch spannend ist in Hinblick auf die gegenseitige Inspiration, Remixe anderer Bands anzufertigen.

Feine Sahne Fischfilet Force Attack 2009

NS: Mein Gedanke ist auch, dass den Leuten, die sich das anhören, das passiert, was mir passiert ist, nämlich dass man davon überrascht wird, was hier eigentlich los ist. Bands, welche ich mir sonst vielleicht niemals angehört hätte, wie zum Beispiel Disembowel. Die machen Metal auf ganz hohem Niveau. Das hat auf jeden Fall seine Berechtigung und muss unbedingt gehört werden, auch von Leuten die sonst vielleicht eher Pop hören.

„Hier kann man sich viel besser ausleben, weil das kulturelle Angebot ja irgendwie begrenzt ist“

FLV: Kleinstadt, Provinz; kleinstädtisch, provinziell. Wie ist das als Künstler oder als Musiker in der Provinz zu agieren? Vielleicht mit Hinblick auf deine Berliner Herkunft, Martin. Du hast da sicher den lebhaftesten Vergleich.

klein stadt gross coverMH: Also ich als Hinzugezogener, in Greifswald Gelandeter, zwischendurch zurückgezogen nach Berlin und dann wieder hergekommen, ich habe natürlich Greifswald auch sehr schätzen gelernt, weil dieses provinzielle durchaus auch einen sehr inspirierenden Charakter hat. Dieser kleinere Kreis, den diese kleinere Stadt mit sich bringt, der zwingt einen als Musikschaffenden auch dazu, selbst zu agieren. Wohingegen in der Großstadt oftmals ja auch einfach nur viel konsumiert wird, da wird sich in lange Warteschlagen gestellt und es werden Eintrittspreise teilweise horrender Natur gezahlt, um sich dann vergnügen zu lassen. Was in dieser Stadt so abgeht ist ja häufig so etwas, was man selber auf die Beine stellt.

NS: Das, was viele als unangenehme Enge beschreiben, die es in der Kleinstadt gibt, das hat auch seine Vorteile, nämlich dass man hier eine ganz andere Freiheit hat, zu agieren, weil bestimmte Sachen in der Großstadt untergehen würden, die hier gelebt werden können. Das hat sich auch im Gespräch mit den Künstlern, zum Beispiel mit Antje Ingber gezeigt, dass sie das sehr genießt, hier einfach machen zu können, worauf sie Lust hat und das auch entwickeln kann.

Wohingegen man in der Großstadt vielleicht einen Markt zu bedienen genötigt ist. Dass man sich viel eher daran orientieren muss, was gewünscht wird. Und hier kann man sich viel besser ausleben, weil das kulturelle Angebot ja irgendwie begrenzt ist.

MS: Das ist eine Flucht nach vorne. Das hätte auch als Untertitel für die CD gut passen können. Statt Schampus gibt’s woanders eben Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Das ist genau die Geschichte hier in Greifswald. Es gibt viele Leute die sagen, mich ödet die Stadt an, ich fahre lieber am Wochenende in eine große Stadt, Hamburg oder Berlin. Aber wenn man hier was machen will, dann kommt man relativ schnell zu Ergebnissen. Die Wege sind halt kurz und das sehen wir hier als Vorteil.

FLV: Dann macht Ihr den Kästner zur Kampfansage!

An dieser Stelle wurde vorerst und vorfreudig nur der Sinnhorizont der verheißungsvollen Idee klein stadt GROSS! ausgelotet. Aufgrund der lokalen popkulturpolitischen Relevanz des Themas wird im Rahmen der Veröffentlichung des Kompilats ein weiteres Interview stattfinden.

Im Gespräch mit Susanne Wiest

Am 10. Dezember 2008 hob die Tagesmutter Susanne Wiest die Online-Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen aus der Taufe. Mehr als 50.000 Mitzeichner und Mitzeichnerinnen unterstützen Wiests Ansinnen und sorgten dafür, dass sich nun der Petitionsausschuss des Bundestages mit dem bedingungslosen Grundeinkommen auseinandersetzen muss.

Susanne Wiest wird darüber hinaus als unabhängige Einzelkandidatin bei der nächsten Bundestagswahl antreten. Ein Grund mehr, die sympathische Wahl-Greifswalderin zu einem Gespräch in ihrem Wiecker Domizil aufzusuchen. Die engagierte Tagesmutter war in Plauderlaune und unterhielt sich mit mir über ihren Alltag als Kandidatin, über das bedingungslose Grundeinkommen und seine Unterstützer, über Flächenwahlkreise, Arthur König und das gute Gefühl, von einer Idee getragen zu werden.

Es ist plötzlich, als hätte ich Werkzeug in der Hand

FLV: Du hast inzwischen regelmäßig Interview-Termine, Talkshow-Einladungen und dein Name ist jetzt untrennbar mit der Petition für ein bedingungsloses Grundeinkommen und dem Label ‚Tagesmutter aus Greifswald‘ verknüpft. Wie stark spürst Du die Veränderungen in Deinem Leben seit Dezember 2008?

SW: Es ist jetzt ein neues Tätigkeitsfeld hinzugekommen. Ich habe mich vorher auch schon politisch interessiert, aber jetzt mache ich ganz konkrete Dinge.

Es ist also nicht mehr nur so ein Interesse, wo ich weiß, das müsste anders sein oder ich wünsche mir das so, aber eigentlich bin ich ja ohnmächtig, etwas zu ändern. Es ist plötzlich, als hätte ich Werkzeug in der Hand. Ich kann gestalterisch tätig werden, z.B. indem ich jetzt die Direktkandidatur hier mache. Das ist einfach eine Aktion, die ich tue. Die Tat ist wichtig geworden. Die Petition war die erste Tat und durch diese eine folgen nun immer neue Taten und ich bin immer vor der Entscheidung: Ja oder nein, mache ich es oder mache ich es nicht? Das ist manchmal eine Frage des persönlichen Mutes. Trete ich vor Leute, spreche ich? „Im Gespräch mit Susanne Wiest“ weiterlesen

Im Gespräch mit Alexander Pehlemann

Vom 14. bis zum 24. November fand in Greifswald der PolenmARkT statt. Unter diesem Titel firmiert ein zehntägiges Kulturfestival, das den Blick gen Osten richtet. Eine abwechsungsreiche wie qualitativ hochwertige Melange aus Vorträgen, Filmvorführungen, Parties, Konzerten, Lesungen, Ausstellungen und schliesslich sogar einer Late-Night-Show bereicherte den kulturellen Alltag in der Stadt; leider aber auch nur temporär. Der Fleischervorstadtblog sprach mit Alexander Pehlemann, Mitinitiator des Festivals und Herausgeber des Kulturmagazins „Zonic„. „Im Gespräch mit Alexander Pehlemann“ weiterlesen