Boxen als Gewaltprävention

Rückblickend sei noch mal auf den vergangenen Präventionstag hingewiesen, bzw. auf seine Perlen. Ich bin kein großer Verehrer des Boxsports und wenn man einzelne Zeilen des heutigen OZ-Artikels über die Boxer auf dem Markt aus dem Kontext löst und sie für sich stehen lässt, dann rumpelts in der Schädelkiste.

„Wie jedes Jahr freuten sich die Faustkämpfer des BC Greifswald wieder auf den Einsatz beim Präventionstag. Ganz stolz trugen sie dabei ihre T-Shirts mit der Aufschrift […] „ Ich spreche deine Sprache“. Selbst die Jüngsten, nämlich zwei süße Mädchen, zeigten schon, dass sie wissen, wie man die Fäuste gezielt einsetzt. Es ist schon schön, so manchem unentschlossenem Jugendlichen zu zeigen, was man so in seiner Freizeit alles anstellen kann, ohne negativ aufzufallen.“

Boxen Präventionstag Greifswald

Vom abendlichen Karat-Konzert war außerdem ein Video in miserabler Qualität – nicht nur was Ton und Bild angeht – auf der berühmtesten Video-Plattform der Welt zu finden.

Bin ich froh, dass das Leben in Greifswald durch die Arbeit des Präventionsrates so viel sicherer geworden ist. Auf dessen Internetpräsenz erfährt man auch, dass Prävention in Greifswald erstens auf solidem Fundament steht und sich zweitens sehen lassen kann. Na dann hoch die Tassen!

Die antifaschistische Hansestadt – eine Polemik

Hat schon jemand mitbekommen, dass beinahe alle GreifswalderInnen AntifaschistInnen sind? Der Eindruck drängte sich in der jüngsten Vergangenheit auf. Gegen Rechts ist mal wieder en vogue und viele springen noch schnell auf den Zug auf, es könnte ja bald wieder vorbei sein.

Die Aktionswoche gegen Rechts, eine Image-Kampagne der Sparkasse, wird nicht nur verklärt, sie ist im Grunde ein Schlag ins Gesicht jener, die sich tagtäglich mit dem Problem rechtsextremer Tendenzen und deren Folgen auseinandersetzen müssen (ich möchte an dieser Stelle nochmalig und ausdrücklich an die Schnapsidee des lokalen FDP-Landtagsabgeordneten Sebastian Ratjen erinnern, der sich aus vermeintlicher Solidarität mit einem mittlweile geschlossenen Modegeschäft in Textilien der rechten Modemarke Thor Steinar hüllen wollte).

Es pfeift der Wind of Change durch Greifswald

Die Ostsee Zeitung hievt Tag für Tag das Thema auf die erste Lokalseite und es wird sich gegenseitig zivilcouragiert überboten. Aus dem grundsätzlich fehlgeleiteten Präventionstag (des Präventionsrates) wurde eine Art Präventionswoche. Völlig übergangen wird in diesem Zusammenhang, dass das Wort -bzw. die Konstruktion Prävention- einhergeht mit der Idee von Kontinuität. Findet Prävention nicht kontinuierlich statt, verkommt sie zu blindem Aktionismus und hat mitunter den gegenteiligen Effekt.

Drei große Events mit Eintrittspreisen zwischen 15€ und 25€ wurden veranstaltet. Jedoch: Die klassische rechtsdrift-gefährdete Klientel ist jung, männlich wie perspektivlos, schlecht ausgebildet und in der Regel eher knapp bei Kasse als gut betucht. Diese Männer werden sicher für das Thema durch die Konzerte sensibilisiert und entscheiden sich anschließend, doch glühende Demokraten zu werden. Abgesehen vielleicht von der Veranstaltung mit Bülent Ceylan sehe ich keine Auseinandersetzung mit dem Thema. Im Gegenteil, das Label antifaschistisch wird weichgespült und inhaltlich ausgehöhlt.

Ich möchte keinen Pessimismus verbreiten, aber es geht steil bergab! Der „Wind Of Change“ pfeift mal wieder durch Greifswald. Nur diesmal hat er sich gedreht und weht gegen rechts, so diktierte uns kürzlich in Ankündigung der Scorpions die Ostsee Zeitung die Lesart der “Aktionswoche”. Den eigenen Zenit schon seit Jahren überschritten, dient sich mittlerweile sechzigjährige B-Prominenz als Träger der antifaschistischen Idee an. Doch damit nicht genug, es geht nämlich immer noch schlimmer: Jennifer Waist, Sängerin von Jennifer Rostock verrät beim Interview: eigentlich versuchen wir uns aus politischen Dingen rauszuhalten, aber gegen Rechts engagieren wir uns immer wieder gern. Ein Blick auf den Terminplan der Band bringt zutage, dass noch nie (!) ein Konzert dieser Band unter antifaschistischen Fahnen stattgefunden hat, die Krebshilfe zählt nicht.

Jennifer Rostock Greifswald

Nazis raus, Schwanz rein!

Wenn die Jennifer Waists dieser Region TrägerInnen dieses neuen Lokalphänomens werden, wird der Gehalt dieser Geisteshaltung über kurz oder lang verschwinden. Exemplarisch steht dieses Video des Greifswalder Konzertes (Minute 04:05), das eindrucksvoll Waists Vorstellung von Engagement gegen rechts illustriert: Nazis raus, Schwanz rein! Das kann nun wirklich nicht das Niveau sein, auf dem präventiv Rechtsextremismus begegnet werden soll.

Die immer geldknappe Stadt fördert offiziell diesen Humbug und die rechte Rekrutierungsabteilung wird sich vor Lachen schütteln und auf dem Boden wälzen. Und zurecht, lediglich 200 BesucherInnen zog es zu Jennifer Rostock. Das spricht für sich, wie ich finde.

Gealterte B-Prominenz gegen Rechts

Reinhard Amler, Leiter der Lokalredaktion der Ostsee Zeitung, schwärmte heute halbseitig über die Scorpions: „Es war ein Konzert der Superlative, weil alles stimmte – sogar das Wetter. Aus ganz Deutschland waren die Besucher gekommen. Und aus dem Ausland.“ In dem relativ langen Artikel findet sich exakt eine einzige Erwähnung der “Aktionswoche”: „Auch Oberbürgermeister Dr. Arthur König, der die Schirmherrschaft für die Aktion gegen Rechts, dessen Höhepunkt das Scorpions-Konzert war, übernommen hatte, war glücklich.“

Scorpions in Greifswald

Angesichts dieser inflationären und desaströsen Tendenzen in Sachen “bürgerlichen Antifaschismus” wünsche ich mir sehnlichst ein neues Thema, dass genügend Raum zur Profilierung bietet und der antifaschistischen Idee nicht den inhaltlichen Boden unter ihren Füßen weichkocht.

Steinar in Greifswald Teil 2

Tausendsassa Alexander Loew, seines Zeichens Lokalreporter bei der Ostsee Zeitung, hat sich des lokalen Steinar-Skandals angenommen.

Bereits gestern erschien ein zweiter Artikel in der Ostsee-Zeitung, in dem Positionen verschiedener öffentlicher Personen Greifswalds Erwähnung fanden, u.a. von Pierre Freyber (SPD-Fraktionsgeschäftsführer), Marian Kummerow (Die Linke) und von Frau Dembski (Präventionsrat).

Heute erschien ein weiterer Artikel von Alexander Loew zu diesem Thema in der Ostsee Zeitung. Der ist wesentlich kontroverser als die beiden vergangenen, denn jetzt hat FDP-Landtagsabgeordneter Sebastian Ratjen mächtig daneben gegriffen. Ironischerweise ist er der rechtspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Er appellierte, dass keine Hetzjagd auf die Chefin des Ladens veranstaltet werden dürfe. Er befand, sie hätte mit Rechtsextremen nichts am Hut. Naja, er muss es als rechtspolitischer Sprecher ja wissen. Außerdem verwahrt er sich gegen die Neonazi-Brandmarkung des Labels: „Ich kenne Leute, die diese Sachen tragen, weil die Schnitte gut sind. Die sind nicht rechts.“

Wenn ich mir eine Reichskriegsflagge ins Wohnzimmer hänge, dann bin ich auch nicht rechts, ich mache das nur, weil das so wunderbar mit meinem Sofa harmoniert. Wenn Ratjens Bekannten nicht in der Lage sind, Neonazi-Klamotten von Nichtneonazi-Klamotten zu unterscheiden, dann sind dadurch doch nicht die Neonazi-Klamotten plötzlich politisch korrekt. Das ist eine Logik, die sich mir verschließt. Aber es spielt auf einen wichtigen Wahrnehmungsunterschied an: Lonsdale wird auch von Rechten getragen, ist aber kein Neonazi-Label.

Bei Thor Steinar sind die politischen Verwicklungen der Label-Chefs bekannt und es ist davon auszugehen, dass der Kauf und Verkauf dieser Ware rechtsextremen Netzwerken in finanzieller Form nützt. Abgesehen davon durchdringen Neonazi-Klamotten unsere Alltagskultur. Ratjens Gipfelsturm geschieht aber mit dem Vorschlag, diese Marke nicht den Rechten zu überlassen, sondern sie ins „demokratische Spektrum“ zu holen. Noch mal zum Nachdenken: Die Neonazi-Klamotten kaufen und dabei rechte Netzwerke unterstützen, damit diese klare Nazi-Attitüde verschwimmt und wir sie, also Neonazis und Klamotten, in unsere wohlige demokratische Mitte holen. Ein toller Vorschlag! Ich habe auch einen: Wir sollten das Verbot des Horst-Wessel-Liedes aufheben und es auf die Lehrpläne in den Schulen setzen. Dann können wir es wieder zurück ins demokratische Spektrum holen und beim Wandertag können endlich wieder alle das gleiche singen.

Die Argumentation Ratjens geht schlüssig weiter: „Auch wenn die Firma germanische Runen verwendet – die sind schließlich älter als die Nazis.“ Vielleicht habe ich was verpasst, aber das Hakenkreuz wurde ja auch nicht 1933 erfunden und ist somit auch älter als die Nazis. Vielleicht sollte ich das in Zukunft auf meinen Shirts tragen, um dieses Symbol wieder ins demokratische Spektrum zu holen. Ich begrüße es, dass die Ostsee Zeitung diesen Laden thematisiert und hoffentlich zu einer Konsumverweigerung potentieller Kunden beiträgt. Es wäre angemessen, die Leser aufzuklären, was sich hinter diesem Label verbirgt, dass diese Artikel eben nicht nur von Neonazis getragen werden, sondern deren Vertrieb rechten Netzwerken nützt. Wir bleiben an der Sache dran und schauen weiter kritisch in die Ostsee Zeitung, versprochen.