Panoptismus auf Zeit: Freester Fischer überwacht sich selbst

Der Fischer Lange aus Freest beginnt sein Tagewerk und legt ab. Auf seinem Schiff ist seit kurzem ein Kamerasystem installiert, das seine Arbeit filmt, das Bordgeschehen aufzeichnet und diese Daten auf einer Festplatte speichert. Lange hofft, auf diese Weise negativen Medienberichten über Fischfang in Deutschland begegnen zu können, seine Fangmethoden transparent zu machen und schließlich als ökologisch nachhaltiger Fischereibetrieb zertifiziert zu werden.

freest fischer(Foto: Filmstill)

Das Kameraprojekt erfolgt in Zusammenarbeit mit der Tierschutzorganisation WWF.

ÜBERWACHUNG FÜR DEN ARTENSCHUTZ? 

Lange findet den Zustand des Überwachtseins als belastend und hat eine Weile gebraucht, um „damit fertig zu werden“. Aber er ist diese Kooperation freiwillig eingegangen, nachdem ihn der WWF diesbezüglich angefragt und ihm eine Zusammenarbeit vorgeschlagen hatte. Insgesamt drei Heringskutter stattete die Naturschutzorganisation mit Kamerasystemen aus, um den Beifang von Seevögeln in der Stellnetzfischerei zu vermeiden.

Was genau mit den Aufzeichnungen passieren wird, weiß der Fischer jedoch nicht. Eine verpflichtende Einführung von Kameras auf Fischerbooten lehnt Lange ab. Er freut sich schon auf die Zeit, wenn sein Überwachungssystem endlich wieder demontiert sein wird. Ein sehenswertes Portrait von NordostTV.

Stimmt für die Diagonalquerung!

Die Diagonalquerung an der Europakreuzung gibt es zwar offiziell nicht, dennoch kann man Tag für Tag unzählige Fahrradfahrerinnen dabei beobachten, wie sie — anstatt zweimal auf grün zu warten — mit dem linksabbiegenden Verkehr die Kreuzung passieren. Die Zeitersparnis ist nicht von der Hand zu weisen und das illegale Queren hat in den vergangenen 20 Jahren zu keinem Unfall geführt.

diagonalquerung(Foto: Fleischervorstadt-Blog, Archiv)

Nun starten Linke, SPD und Grüne einen neuen Anlauf, diese Abkürzung zu legalisieren und eine feste Diagonalquerung einzurichten — die Idee ist schon etwas älter und stand schon einmal kurz vor der Umsetzung, bis im Sommer 2010 plötzlich Mitglieder der CDU Greifswald entgegen ihrer anfänglichen Zustimmung versuchten, das Bauprojekt zu kippen.

Damals scheuten sich Christkonservative wie der Fraktionsvorsitzende Axel Hochschild oder Franz-Robert Liskow auch nicht, intern zur Manipulation einer Umfrage der Ostsee-Zeitung durch Mehrfachabstimmung aufzurufen, um den Eindruck zu erzeugen, die Greifswalder Öffentlichkeit sei gegen das Bauprojekt eingestellt.

WORUM GEHT ES BEI DER DIAGONALQUERUNG?

Die Diagonalquerung ermöglicht das legale Queren der Europakreuzung vom Mühlentor bis zur Robert-Blum-Straße. Für die entstehende Spur würden Fahrradampeln gebaut werden, die simultan mit den Linksabbiegern aus Richtung Hansering beziehungsweise Anklamer Straße grün zeigen sollen. Bei der geplanten Umsetzung würden die vom Hansering kommenden Linksabbieger eine Spur verlieren, aus der stattdessen zwei richtungsgetrennte Querungswege für Radfahrer entstünden.

europakreuzung greifswald(Bild: Projektkonzept)

Bei den Verkehrszählungen, die in den vergangenen dreieinhalb Jahren durchgeführt wurden, konnte ein Tagesaufkommen von 14.000 Radfahrern und 35.000 Kraftfahrzeugen gemessen werden. Gemäß diesen Zahlen könnten nach Auskunft des Stadtbauamts in Zukunft täglich 7000 Fahrradfahrerinnen die Querung nutzen und damit auch zu einer spürbaren Entlastung der bestehenden Radübergänge beitragen.

Der Verlust der zweiten Fahrspur soll durch eine längere Grünphase der Linksabbieger kompensiert werden. Deren Verkehrsaufkommen ist übrigens nach Angaben des Planungsbüros Stadt-Verkehr-Umwelt mit der Öffnung der Bahnparallele um 23% gesunken. Die Kosten der Diagonalquerung werden auf 185.000 Euro geschätzt, ein Teil dieses Geld fließt in die ohnehin zu erneuernde Lichtsignalanlage.

STIMMT FÜR DAS FAHRRADFREUNDLICHE PROJEKT!

Die Stadtverwaltung versucht seit knapp drei Jahren, Greifswald offensiv als Fahrradhauptstadt zu vermarkten. Bislang fielen die Bemühungen in diese Richtung eher klein aus: es wurde eine Straße zur Fahrradstraße umgewidmet, auf einigen Straßen entstanden eigene Minispuren für die Zweiräder und für Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung wurden Elektro-Räder angeschafft. Dennoch sind viele Radwege in einem desolaten Zustand und die Europakreuzung ist nach wie vor ein Nadelöhr für Fahrradfahrer.

umfrage diagonalquerungDie Umfrage bildet aktuell ein Stimmungsbild ab, das dem Bau der Diagonalquerung sehr zugewandt ist: Heute sprachen sich bereits 70% der abgegebenen 851 Stimmen für den Bau aus. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass mehrere Gruppen — wie zum Beispiel die Jusos — im Internet dazu aufrufen, sich an der Umfrage zu beteiligen. Konnten bei der letzten OZ-Umfrage zum Thema Diagonalquerung noch mehrfach Stimmen abgegeben werden, ist es dieses Mal mit einem einfachen Neuladen der Seite nicht getan.

Erfahrungsgemäß wird das Ergebnis dieser nichtrepräsentativen Umfrage in den nächsten Tagen die erste Seite des Greifswalder Lokalteils schmücken und vermutlich orientieren sich dann auch Vertreter der kommunalen Politik daran, wenn sie versuchen, die Einstellung der Greifswalder Bevölkerung zu diesem Thema einzuschätzen. Deswegen seien alle gebeten, sich ausnahmsweise an dieser Umfrage zu beteiligen, damit die rauschhaften 70% gehalten werden können und vielleicht doch noch etwas passiert!

Hier geht’s zum OZ-Votum, wo ihr angeben könnt, ob ihr für oder gegen den Bau der Diagonalquerung seid.

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  • Jusos Greifswald fordern Bau der Diagonalquerung an der Europakreuzung (Jusos Greifswald, 01.02.2012)
  • CDU macht gegen die Diagonalquerung mobil (Fleischervorstadt-Blog, 22.06.2010)
  • Diagonalquerung der Europakreuzung kommt noch 2010 (webMoritz, 27.04.2010)

Kreatives Recycling — Buchvorstellung und Wiederverwertungsworkshop in der Kabutze

„Aus alt macht anders“, könnte die Devise lauten, der sich das Berliner Kulturlabor Trial & Error verschrieben hat, als es im September das Buch UPCYCLE IT – A tool kit for creative recycling publizierte und eine Handlungsanleitung für die Umnutzung und Dekontextualisierung allgegenwärtiger Materialien ablieferte.

upcycle

Hier sind Anleitungen und Kniffe verschiedener Künstler und Designer versammelt, die dafür Anregungen geben. Das Buch ist nach dem Ausgangsmaterial sortiert, also zum Beispiel Papier, Holz, Textilien oder Tetrapacks, und liefert außerdem einen Beitrag für neue Recyclingideen. Großartigerweise wurde UPCYCLE IT unter Creative Commons veröffentlicht, so dass diese Informationen theoretisch für alle nutzbar sind und weiterverbreitet werden können. Hier kann auch schon mal reingelesen werden:

Der Abend beginnt mit der Vorstellung von Buch und Projekt, ehe um 21 Uhr der Upcycling-Workshop beginnt und die Teilnehmenden sich selbst als Wiederverwerter ausprobieren können. Musik und Getränke sollen den Workshop zu einer vergnüglichen Veranstaltung machen.

Fakten: 21.12. | 20 Uhr | Kabutze | Spende
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Aktionstage für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung

Greifswald ist derzeit ganz auf  Nachhaltigkeit und Klimaschutz gebürstet. Seit Wochenbeginn finden die Aktionstage für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung statt, die gemeinsam vom städtischen Klimaschutzbündnis, dem Krupp-Kolleg und der Akademie für Nachhaltige Entwicklung Mecklenburg-Vorpommern organisiert werden. Entsprechend vielseitig sind die Veranstaltungen konzipiert.

klimaschutz greifswald

Neben einigen wissenschaftlichen Podiumsgesprächen und Vorträgen wird es aber auch um dezidiert kommunalpolitische Belange gehen, zum Beispiel, wenn die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie zur geplanten Radstation am Bahnhof präsentiert werden. Eine Klimamesse in der Stadthalle wird Industrie und Wirtschaft ins Programm miteinbeziehen.

An den Klimaaktionstagen beteiligen sich aber auch noch andere Strukturen, zum Beispiel die Grüne Hochschulgruppe, die ihrerseits eine Nachhaltigkeitswoche ausruft. Bis Freitag informiert sie täglich in der Mensa über Ökostrom, politisch korrekte Banken, bewussten Konsum, über die Umwelt AG der Uni und die Bio Mensa AG. Außerdem erweitert sie das Angebot der Aktionstage um mehrere Filmvorführungen und Workshops, die unter anderem in der Kabutze stattfinden.

Bis zum Wochenende finden noch über 20 Veranstaltungen im Rahmen der Aktionstage statt, deren Einzelauflistung hier den Rahmen sprengen würde. Die Vielseitigkeit des Programms deckt viele Themen und Formate zwischen umweltaffiner Familienbespaßung, DIY-Workshop und Fachvortrag  ab. Wer aufmerksam ist, wird sich eines Programmhefts bemächtigen, das natürlich auf Recycling-Papier gedruckt wurde. In mühevoller Kleinarbeit lässt sich aber auch aus dem Netz ein Überblick herausschälen:

Filmfestival Ueber Mut #8: „Rainbow Warriors“

Im Dokumentarfilm The Rainbow Warriors of Waiheke Island (NL, 2009, 89 Min.) werden Aktivisten von Greenpeace portraitiert, die zu Wasser gegen Umweltzerstörung, Walfang und Atomenergie protestierten und mit spektakulären Aktionen für Aufmerksamkeit sorgten, ehe eins der Schiffe vom französischen Geheimdienst zerstört wurde.

rainbow warriors greenpeace(Ausschnitt Filmplakat)

Die „Rainbow Warrior“ setzt 1978 Kurs auf Island. Es ist die erste von vielen Missionen, auf denen die junge Crew ihr Leben riskieren wird. Bis Mitte der Achtzigerjahre ist das legendäre Schiff von Greenpeace im Einsatz. Die Mannschaft durchkreuzt die Schussbahn von Walfängern, legt sich mit Atommüll-Frachtern an und demonstriert am Mururoa-Atoll gegen Nukleartests. Für ihre Verwegenheit werden die Aktivisten gefeiert wir Rockstars. Und heute? In der Dokumentation blicken die Öko-Idole zurück, stolz und selbstkritisch. Das tragische Ende der Rainbow Warrior lässt sie noch immer nicht los.

Der Abend wird von der Greifswalder Greenpeace-Gruppe gestaltet.

Video (01:31)
[youtube g8-yWKbVpFs]

Fakten: 04.10. | 20 Uhr | IKUWO | 3,50 EUR (Arbeitslose & Flüchtlinge kostenlos)
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Steigt die Greifswalder Stadtverwaltung nun auf’s Elektro-Radl um?

Die Stadtverwaltung gibt via Pressemitteilung den Beginn eines vorerst auf drei Monate befristeten Versuchs bekannt, in dessen Verlauf die Angestellten ihre Dienstwagen regelmäßig gegen Elektro-Fahrräder tauschen sollen. Dafür wurden fünf Pedelecs ausgeliehen, die seit vorgestern im Einsatz sind. Zwei davon probierten Oberbürgermeister Arthur König (CDU) und Michael Haufe (Umweltamt) schon vorgestern aus.

elektrorad greifswald

(Foto: Pressemitteilung)

NEUER ANTRIEB FÜR DIE VERWALTER

Dieser Versuch ist Teil einer ganzen Reihe von Initiativen und Ideen, um Greifswald in umweltbewusstem Licht erstrahlen zu lassen. Hierorts gibt es seit Juli 2011 einen Klimaschutzbeauftragten im Dienst der Stadt, der es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, die CO2-Bilanz Greifswalds im Lot zu halten.

Eine interne Mitarbeiterinnenbefragung soll bereits im vergangenen Jahr die „große Bereitschaft“ der Angestellten ermittelt haben, bei Dienstwegen „teilweise auf das Fahrrad umzusteigen“. Hierfür wurden nun mit den E-Bikes die passenden Untersätze bereitgestellt — zumindest vorübergehend und in noch überschaubarer Flottenstärke.

lease rad logo

Die sogenannten Pedelecs stammen vom finnischen Hersteller Helkama und werden hierzulande von der Firma LeaseRad aus Freiburg (Breisgau) vertrieben. Der integrierte Elektromotor wird die Radler beim Treten lediglich unterstützen. Eine Akku-Ladung der zweirädigen Feueröfen soll dabei für eine Strecke von 80km ausreichen, danach muss man alleine treten.

Die Pedelecs können beim 3. Greifswalder Klimaaktionstag Mitte November 2011 von allen Interessierten ausprobiert werden — für rasante Erlebnisse, wie sie dieses Video andeutet, taugen sie leider nicht.

SPARSAM, EMISSIONSARM UND GESUND: DIE ZUKUNFT AUF ZWEI RÄDERN

Es spricht einiges für die Etablierung der Elektroräder als Dienstfahrzeuge: Sie sind kostengünstiger als die bis jetzt genutzten Dienstwagen, und zwar nicht nur hinsichtlich der fälligen Leasingraten, sondern auch im Unterhalt. Der Verzicht auf das Auto verringert die häufig unnötige Emission von CO2 und nicht zuletzt hat die tägliche Bewegung auch positive Einflüsse auf die Gesundheit.

Das günstigste E-Bike (Raleigh Dover 3-G) aus dem Programm der Firma LeaseRad kostet inklusive Mehrwertsteuer noch über 36 Euro pro Monat beziehungsweise jährlich knapp 437 Euro. Ein einfaches Damenfahrrad (LeaseRad Premium) bietet das Unternehmen für eine monatliche Leihgebühr von weniger als 20 Euro an, pro Jahr also nur etwa 240 Euro.

Da darf über die Frage nachgedacht werden, warum in einer Stadt wie Greifswald, die sich durch ihre kurzen Wege auszeichnet, motorunterstützte Fahrräder notwendig sind und wieso klassische Fahrräder nicht ausreichen sollen. Aber auch wenn es die E-Bikes sein müssen: Solche geringen Leasingkosten sind mit klassischen Dienst-PKW utopisch und der finanzielle Aufwand ließe sich vermutlich noch weiter minimieren, wenn Räder gekauft und lokal gewartet würden, statt nach Ablauf der Leasingfrist ein neues Fahrrad in Empfang zu nehmen.

AUF DEN SPUREN DER ANDEREN

Die Stadtverwaltung folgt mit diesem Test dem Beispiel der Universität. Dort sorgte vor kurzem die Arbeitsgruppe Umweltmanagement für die Anschaffung von 20 Dienstfahrrädern, die von den Mitarbeiterinnen unkompliziert aus eigens dafür aufgestellten Stationen entliehen werden können.

Auf bereits ausgetretenen Spuren wandelte auch einmal mehr die Greifswalder Lokalredaktion, die sich nicht entblödete, die gekürzte Pressemitteilung der Stadtverwaltung fast wortwörtlich zu übernehmen. Nach einem Quellenhinweis fragen wir dabei lieber nicht. Und besser auch nicht nach der Bereitschaft, für solche Recherchen zu bezahlen.

pressemitteilung oz greifswald

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