Naziangriff: Spontandemo und Dementis

Nachdem in der Nacht vom 24. zum 25. Juni eine Person von Neonazis angegriffen und so schwer verletzt wurde, dass sie im Krankenhaus bleiben musste, fand am Folgetag auf dem Fischmarkt eine Kundgebung statt. Die mahnende Versammlung wurde extrem kurzfristig organisiert, dennoch konnten ungefähr 200 Leute mobilisiert werden.

Nach mehreren Redebeiträgen löste sich die Kundgebung am Fischmarkt auf und etwa die Hälfte der Teilnehmer bewegte sich im Rahmen einer Spontandemo in die Wolgaster Straße vor das Wohnhaus von Marcus G., einem bekannten Aktivisten der Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG).

spontandemo greifswald(Foto: Indymedia)

Die NSG bedauert, dass der Presse noch keine weiteren Einzelheiten zu entnehmen sind, und dementiert eilig eine Beteiligung an der schweren gemeinschaftlichen Körperverletzung: „Diese Leute selbst können der NSG jedoch nicht zugerechnet werden, was an sich erfreulich wäre, zwecks neuer Unterstützer“.

ERSTAUNLICHES TÄTERWISSEN BEI MUPINFO UND NSG

Erstaunlich ist, dass sowohl auf dem rechten Nachrichtenportal MUPINFO als auch auf der Website der NSG Informationen auftauchen, die eigentlich nur Beteiligte kennen können. Zum Beispiel wusste MUPINFO zu berichten, dass von den Neonazis „antifaschistische Gewaltverherrlichungen, kommunistische Propaganda und ähnlicher subkultureller Schrott der linken Szene“ entfernt oder „zweckmäßig übergeklebt“ wurden.

Im gleichen Text gerät der Autor dann auch noch mit den sonst streng verwendeten Konjunktiven ins Schlingern und verteilt Informationen, die zu diesem Zeitpunkt sonst noch nirgendwo veröffentlicht worden sind: „So wurden Personen beobachtet, die nur wenige hundert Meter entfernt die frisch geklebten Aufkleber ihrerseits wieder unschädlich machten“.

nationale sozialisten greifswaldDas Opfer des Angriffs waren zwei Punks, von denen einer fliehen konnte und über deren subkulturellen Hintergrund bis dato nichts veröffentlicht wurde. Kurioserweise verwendeten die NSG-Autoren für diesen Beitrag das erste Mal den Tag Punks, obwohl dieses Wort im Text nicht gebraucht wird – Beiträge über Antifaschisten sind dort für gewöhnlich mit Antifa verschlagwortet, über Punks wird nicht geschrieben.

KRUDE PRESSEMITTEILUNGEN AUS DER PROPAGANDAZENTRALE

Das sind natürlich nur Indizien und keine Beweise, merkwürdig ist es aber schon. Auch die von den Nazis beschworene Gewaltfreiheit – man lehne solche „Strassenkämpfe“ (sic!) ab und ziehe den „Propagandistischen (sic!) und den geistigen Kampf vor“ –  ist in Anbetracht der Chronik rechter Gewalt in Greifswald wenig glaubwürdig.

Angesichts der orthographischen Gleichgültigkeit und der fehlertriefenden „Pressemitteilung“ der NSG darf man auf diesen geistigen Kampf schon gespannt sein. Und wenn der dann doch nicht aktionsorientiert genug ist, geht’s zur „aggressiven und entschlossenen Demonstration“, die wenige Beiträge weiter beworben wird.

30 Gedanken zu „Naziangriff: Spontandemo und Dementis

  1. Ich finde gut, dass so viele Menschen kurzfristig zur Kundgebung mobilisiert werden konnten. An der Spontandemo hätte ich auch teilgenommen, aber wenn sich da sofort vermummt wird und laute Sprechchöre kommen, kann ich das nicht unterstützen. Sowas schreckt mich und viele andere ab. Sich dann noch provokativ vor dem Haus eines NSG-Mitglieds zu versammeln…ne. Das verstehe ich als Drohung. Sicher kein Weg, der zu weniger Gewalt führt.

  2. @ daburna

    darüber kann man trefflich streiten. ich bin der meinung, dass, wenn man den nazis freie hand lässt, alles noch viel schlimmer werden kann. sobald sie anfangen sich sicher zu fühlen, greifswald wirklich als ihre home-zone wahrnehmen, dann ist es zu spät. wenn 100 leute vor dem haus eines nazis auftauchen, und dem dadurch ein kelines bischen sicherheit genommen wird, finde ich das vortrefflich. 100 leute wissen jetzt, dass marcus g. in der wolgaster str wohnt. und er weiß, dass die se info sich streut. wenn er sich zuküntfig besser zweimal nach dunken gestalten umdrehen muss, hervorragend!

    wie man die nazis hindert das zu tun, was sie eben tun, wenn man sie nicht dran hindert, ist mir letztlich egal.
    hauptsache die gewalt gegen migrantInnen, alternative, Linke usw hat ein ende!

  3. @ daburna

    PS:
    Der Start der Demo hätte anders sein können, müssen. Da gehe ich mit. Vermummung ist allerdings grade in einer Stadt wie Greifswald schlicht notwendig, wenn man nich früher oder später auch n brennendes Auto/auffe Fresse haben will.
    Laute Sprechchöre finde ich auch gut, nur der Inhalt könnte weniger plump sein.

  4. naja…

    wie kommt ihr auf die idee, dass ne sponti vor die haustür was bewirkt? der ist eh nazikader und das einzige was er jetzt macht, ist umziehen und dann wisst ihr nicht mehr wo er wohnt. suuuper…

    ebenso haben die nazis geschaft, dass sich linke menschen hier öfter umdrehen müssen. egal wie ihr extremisten es macht, gewalt ist gewalt und die kann durch nichts legitimiert werden…

    außerdem!!! hunde, die in die ecke gedrängt werden, fangen auch an zu beißen…das sieht man ja in berlin…aber hier den aufschrei starten „die bösen bösen nazis“…ihr gebt euch beide nichts…ich will jedenfalls in keinem von beiden ersehnten staaten leben!!!

    fazit:
    nazis und antifas sind beide scheiße…beide nutzen den demokratischen rahmen aus, um für ihre faschistoide ideologie leute zu gewinnen…beide seiten müsste man wegsperren!!!

  5. Also erstmal ersehnen sich die allermeisten Linken (von der Demo) gar keinen Staat, weil die nämlich antinationale Positionen vertreten. Dann frag ich mich, wo du bitte schön linke Gewalttaten in letzter Zeit in Greifswald festgestellt hast. Das würde mich echt mal interessieren, vielleicht hab ich ja was nicht mitbekommen.

    Und für deine Extremismustheoriescheisse, da hab ich mal was vorbereitet:

    Ich habe nicht schon wieder Lust hier eine Extremismusdiskussion zu führen, da der Extremismusbegriff nichts weiter als ein politischer Kampfbegriff ist, um unliebsame Positionen zu diskreditieren und zu verunglimpfen. Da es im Extremismus-Diskurs staatliche Institutionen sind, die Ideen, Gruppen oder Personen Extremismus unterstellen und definieren was extremistisch sei, ist dies nichts weiter als ein illegitimer Versuch bestimmte politische Zielsetzungen in Verruf zu bringen.

    Ich lasse z.B. meine Meinung gern als linsradikal bezeichnen denn ich möchte gesellschaftliche und politische Probleme „an der Wurzel“ (radikal abgel. von radix (lat.) = Wurzel) verändern und dieses möglichst umfassend, vollständig und nachhaltig, anstelle die Symptome einer gesellschaftlichen „Krankheit“ zu lindern.

    Ich lasse mir aber NICHT mit Hilfe des Extremismusbegriffs unterstellen:
    – ich sei dogmatisch (btw: auf Dogmatismusvorwürfe reagiere ich nur, bei konkreter Nennung des Dogmas)
    – ich würde die Demokratie ablehnen (also die repräsentative D. schon, aber das kann ich auch begründen)
    – ich sei in einem Freund-Feind-Denken verhaftet (sorry, aber das ist ja so prä-postmodern, geht ja gar nicht)
    – ich würde eine Alleinvertretungsanspruch auf die Wahrheit haben (ich kann nix dafür, wenn einem das unterstellt wird, sobald man seine Meinung zur Diskussion stellt)
    – ich sei fanatisch und der Zweck würde für mich die Mittel heiligen, sprich: ich würde jedes Mittel, welches zum Ziel (also grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen) führen würde, für richtig halten.

    Letztlich ist die Verwendung des Extremismusbegriffs paradox, da die o.g. Unterstellungen auf die Urheber der Debatte (also den gesellschaftlichen Mainstream) zurückfallen, da:
    – der Kapitalismus eine dogmatische totalitäre Ideologie darstellt
    – durch die Behauptung der Unmöglichkeit gesellschaftlicher Veränderungen, einen Alleinvertretungsanspruch auf die Wahrheit proklamiert wird
    – ein billiges Freund-Feind-Schema aufgemacht wird (Mitte vs. Extremisten), welches der Realität nicht mal ansatzweise gerecht wird
    – antidemokratisch agiert wird, indem sie mit ihrer Macht eine Minderheitenpositionen aus dem Diskurs und somit auch als Alternative ausschliessen (also quasi einen Ideen-Kandidaten nicht zur Wahl zulassen)
    – die Diskreditierung des politischen Gegners nichts weiter als eine antidemokratische Schlammschlacht ist, wobei der politische Gegner mundtot und anklagbar gemacht wird (Zweck) indem man ihn ordentlich mit Extremismus-Schlamm (das Mittel) zuschüttet.

    Daher bin ich für mehr Meinungsvielfalt bzw. den Wettbewerb der Ideen und gegen den Extremismusbegriff. Danke.

  6. Ich will jedenfalls in keinem Staat leben, in dem Thorsten einfach alle gleichermaßen wegsperrt, um seine Demokratie(was auch immer die dann zu einer solchen macht) zu schützen.

  7. @wayne_interessierts
    Glaubst wirklich dass Leute wie Torsten faehig sind ihre eigene Position zu reflektieren? Geschweige denn auch nur von seiner Position abweicht? Immerhin vertritt er die Position selber alles was von der „extremistischen“ Mitte abweicht ist nun einmal der Feind der Demokratie.

    Egal ob man sich nun mit Theorien beschaeftigt hat oder nicht, sie ist erst mal ab zu lehnen.

    Dein Versuch ihn zu ueberzeugen in allen ehren 😉

  8. @lachender mann

    dies ist mein Standardkommentar für diese Diskussion, den hab ich einmal geschrieben und mindestens 6 mal mittels c&p nutzen können. auf diesem Blog habe ich ihn auch schon einmal als Kommentar bei einem anderen Beitrag genutzt.
    Ich bin zwar Spitzenklasse im Prokrastinieren, aber so schlimm ist es dann doch noch nicht. =;o)

  9. Ich fand diese Spontan-Kundgebung sehr gut und den Spontan-Mob gar nicht gut. Diese schwarz (wieso nicht bunt?) marschierende Masse mag ich nicht. Das ist auch keine Courage, das ist ‚böse wirkende‘ Überzahl-zur-Schau-stell-Taktik, die diese Typen auch nicht anders an den Tag legen. Und dann dieses Vermummen immer, das ist wohl wirklich – wie Elli schon anders ausgedrückt hat – Angst vor ‚Was-weiß-ich-was‘. Dass man sich wegen Faschisten versteckt war vor Jahrzehnten angebracht und vor allem mutig, weil Minderheit. Heute ist’s okay, dass die Nazis sich vermummen/müssen. Andererseits macht der vermeintliche Einsatz von Teleskopschlagstöcken dann doch irgendwie Angst – vor dieser heftigen Zunahme an Brutalität. Diesen ewig gestrigen Deutschhelden reicht ihre Hinterhältigkeit und kurzzeitige Überzahl bei ihren feigen Angriffen scheinbar nicht mehr aus, sie nehmen Tote in Kauf. Schläge auf den Kopf mit Teleskop-Schlagstöcken ist keine Schlägerei/Körperverletzung/Fahrlässigkeit sondern klarer Mordversuch. Das wurde auch in den Demo-Redebeiträgen mit Rückblick auf die Obdachlosenmorde versucht zu thematisieren. Jedenfalls muss das Wort Mordversuch mal ganz klar festgehalten werden! Ich hoffe nur, dass sich das proportinal auf die Ermittlungsintensität unserer Staatsdiener in Grün auswirkt. Das muss es nämlich! Einfach mal für 2-3 Wochen den Ordnungsfanatismus beiseite lassen und keine Radfahrer nerven, keine nächtlichen Feten sprengen und stattdessen den richtigen – für die Gesellschaft gefährlichen – Straftaten energisch auf den Grund gehen.

    @Torsten:
    Alle (andersdenkenden) wegsperren wäre die Lösung?
    Bist ja’nen richtiger Demokratie-Komiker.

    @wayne:
    stimmt, Standardkommentar, aber guter – schonmal gelesen.

    PS:
    Hab endlich mal „Jeder stirbt für sich allein“ von Hans Fallada gelesen. Sehr empfehlenswertes Buch …(auch für Nazis).

  10. ich nehme an, das haus in dem marcus g. wohnt ist ein mehrparteienhaus?

    kann man eigentlich mietminderung fordern, wenn man neben einem neonazi wohnen muss?

  11. @fbm:
    Gute Frage! Mietminderung geht leider nicht so einfach (es sei denn der Mensch spielt zu Hause Schlagzeug oder sowas …wenn ich das richtig verstanden haben).

    Nazi-Symbole
    Darf mein Nachbar Hitler-Fotos bei sich aufhängen?
    + = ja/erlaubt
    AG München; 19.1.2009; Az.424 C 18547/08
    Die Verwendung von Nazi-Symbolen sei nur im öffentlichen Raum strafbar, so der Richter. Der private Besitz etwa von Hitler-Fotos sei nicht verboten.

    100 Urteile zum Nachbarrecht

    Vielleicht täte es ja ein gemeinschaftlicher Brief von allen Mietparteien unterschrieben an den Vermieter, der auf eine Minderung der allgemeinen Wohnqualität aufmerksam macht. Könnt man ja probieren – aber auch utopisch, weil irgend jemand bestimmt den „lieber-Weggucken-Weg“ (tut der mir nichts, tue ich ihm nichts) wählt, welcher die Umsetzung schon im Ansatz scheitern lässt. Ist ja leider nun mal oft so.

  12. @EvM 😀

    Bist du lustig, die beiden Punker wurden frei gesprochen weil es einfach mal nicht so war wie es Publik geworden ist bzw. wie unser armer kleiner Verbindungsstudent es allen erzaehlt hat. Man sollte sich eben doch besser aus erster Hand die Infos besorgen und nicht von woanders her.

    Also bitte! Wir warten auf weitere Besispiele…

  13. Wenn Verbindungsstudenten verprügelt werden und nur mangels an Beweisen ein Freispruch ergeht, dann heißt das natürlich, „dass es nicht so war“. Denn die Kehrseite der Unschuldsvermutung für den Angeklagten ist die Unwahrheitsvermutung für Verbrechensopfer und die doppelte Unwahrheitsvermutung für Verbindungsangehörige!

    NAZIS RAAAAAAAAAAAUUUUS!

    DAS BÖSE MUSS VERNICHTET WERDEN!!!!!!!!

  14. Angesichts der Akribie, mit der mitunter Fotos von Antifaschistinnen von rechten Medien ausgewertet werden (Stichwort: New-Balance-Antifaschist), kann ich Vermummung absolut nachvollziehen.
    Am 1.Mai zum Beispiel durfte Marcus G. ungehindert knapp eine halbe Stunde bei den Polizisten stehen und die sitzblockierenden Antifaschisten fotografieren, die wiederum bei Verhüllung ihrer Gesichter von den Cops gegängelt wurden.

    @EvM: Die Autonomen Nationalisten haben sich beinahe ihre komplette „Subkultur“ zusammengesampelt und bei anderen Jugendkulturen gestohlen. Das betrifft Dresscodes, Aktionsformen, Zeichen und Symbole, Kommunikationsformen etc. – insofern entbehrt deine provokative Frage des provokativen Potenzials und unterstreicht nur nochmal das subkulturelle Defizit der ANs.

    Eine Chronik linksmotivierter Gewalttaten lässt sich für Greifswald mangels Vorkommnissen kaum erstellen. Kritisierbar wäre für mich vor allem das unbedarfte und unausgegorene Verzieren ok-sanierter Häuserwände, aber die Diskussion wurde schon an anderer Stelle aufgemacht.

  15. Ist ja interessant wie die linksextreme Szene jetzt beleidigt darauf beharrt: Wir waren zuerst da mit unserer Vermummung!

    Aber wenn ich sage: Huch, der Audi A4 hat ja Ähnlichkeiten mit dem Audi A6, dann liegt das auch nicht daran, welcher zuerst da war, sondern eher daran, dass beide vom gleichen geistigen Ursprung/Hersteller ausgehen…

  16. @ EvM:
    schöner Vergleich *grins*.

    @jockel:
    zur Vermummung.
    Ja, nachvollziehen kann ich das auch, aber nicht absolut.

    1.)
    Diese Akribie im Auswerten von Fotos ist ja generell feststellbar.
    Die sich anschließenden online-Fotoauswertung-Hetzjagden sind sowas von ekelhaft (Achso,… ich bin nicht auf diesen Nazi-Seiten unterwegs. Sprich: keine Ahnung wie diese Hohlbirnen solche Auswertungen machen). Und generell zu deiner „Zuerst gemacht“-Argumentation.
    Das mag ja alles sein. Aber ich find’s erschreckend, wenn in Sachen Aufspüren ‚alle Mittel recht'(s) werden. Wild denunziert wurde ja schließlich auch schomal und das richtig derb vor Jahrzehnten unter faschistischer Übermacht – die haben das also ‚zuerst gemacht‘. Das Wort ÜBERMACHT habe ich im Kontext absichtlich gewählt. So’ne Online-Fotoauswertungs-Scheisse müsste man deiner Logik (und meiner sowieso) folgend sofort einstellen.

    2.)
    Überhaupt. Diesen Drang zur Vermummung mit Nutzung des schön klingenden Wortes ‚Antifaschistinnen’* zu rechtfertigen ist etwas(sehr!) arrogant ggü. vergangenen Personen ala Rosa L. & Co und eine alberne Heroisierung der heutigen vermummten (richtigdenkenden?) Köpfe gegenüber den heutigen nichtvermummten richtigdenkenden (?) Köpfen. Spaßköpfe hast bei den Vermummten nämlich immer dabei und Spaßköpfe sind (für mich) keine Antifaschisten. Und jetzt – auch im Kontext – eine ganz böse These: Bei deiner Formulierung jetziger ‚Antifaschistinnen‘ sind mit Sicherheit auch einige korrekte Menschen bei, die vor 70 Jahren ohne Vermummung und ohne ‚Anti‘ unterwegs gewesen wären. Einfach mal das Wort Antifaschist beiseite lassen. Das abgekürzte, öffentlichkeitswirksam angepasste Antifa geht reicht doch nun wirklich. Rein aus Respekt vor Antifaschisten, die voll im Bewusstsein gehandelt haben, frühzeitig ableben zu müssen und keine Mutter/Vater/Oma/Opa werden zu können sollte das Wort Antifaschist(a) nicht so inflationär benutzt werden (gebrüllt wirds ja eh genug).

    *mal ne Frage am Rande:
    Wäre es diese Jahr prinzipiell konform mit Fussball-Deutschland-Trikot im Ikuwo aufzutauchen? Es ist mal doch mal wieder Fußball-WM. 😉

  17. @kapitulist:
    Was du konkret unter „Spaßköpfen“ verstehst, möchte ich glaube ich kaum näher erfahren. Deine zuletzt geäußerte These finde ich allerdings verdammt steil, nicht zuletzt, da ich davon ausgehen muss, dass du kaum jemanden von denen, die an der Demo teilnahmen, persönlich kennst. Insofern erspare uns doch eine ermüdende und ergebnislose Diskussion und die Gleichsetzung von Neofaschisten und jungen Antifaschisten. In Wirklichkeit stellt das nämlich die Pietätlösigkeit gegenüber den Opfern des Faschismus dar!

    Der Drang zur Vermummung wird nicht mit Antifaschismus gerechtfertigt, es vermummen sich ja auch Globalisierungs- oder Atomgegner 🙂

    Zu Zeiten von Rosa rannte auch nicht jede Person mit einem kamerafähigem Handy herum, gab es noch keine Spiegelreflex, kein Internet, keine automatische Gesichtserkennung und keinen so technisierten Repressionsapparat (Stichwort: Handyortung Dresden).

    Was das IKUWO angeht, so gibt es einen sehr klaren Beschluss des Plenums, dass nationalstaatliche Symbole unerwünscht sind. Ein Public Viewing der Frauen-WM hätte ich aber als augenzwinkernde Geste wahrgenommen. Aber ich denke, das wolltest du gar nicht wissen, sondern nur noch eine nächtliche Provokation in den Äther schicken…

  18. @ jockel:
    Konkret zum Begriff „Spaßköpfe“ (der ja nur so lautet, wegen Kontext) musst auch nichts mehr erfahren, steht ja da. Ich hab „einige“ geschrieben. Das schließt von vornherein aus, dass ich alle meine bzw. kenne. Ich kannte einige auf der Demo und mit Sicherheit nicht alle! Und die einigen, die ich kenne, meinte ich definitiv nicht. Genug der dir Wort-Spielereien. Können wir ja beide eh viel zu gut.

    Zum Vermummungsdrang, der wohl üblich ist, versteh ich trotzdem nicht warum man sich vermummt, wenn man zu einer Sache steht.

    Zu Zeiten von Rosa L. waren Kameras auch gar nicht nötig, um denunziert zu werden. Der Feind war Staatsmacht.
    Die Handyortung ist krass, aber wir leben nicht im Nazistaat. Ist halt ein Scheiss-Überwachungsstatt. Und das ‚Drama‘ wäre gar nicht existent, wenn man kein Handy hätte. Gibt kein Handy-Zwang. (ist immer ein Problem, wenn man gegen zuviel auf einmal ist verliert man den Sinn der Sache und verliert an Konsequenz).

    Doch, das wollte ich wissen und klar war das Provokation. Aber ich guck wirklich Frauen-WM, aber niemand guckt mit (mir).

  19. Zu den Burschenknallern muss man ja hier garnichts mehr sagen, einem Rechten davon überzeugen zu wollen, das noch Rechtere gefährlich sind, funktioniert nur in dem schmalen Rahmen der zwischen den einen und den anderen liegt. In punkto Vaterland, Sexismus und Hochleben von militaristischer Tradition wird man sich da nämlich doch wieder ganz schnell einig.

    Zu den Bedenkenträgerinnen möchte ich sagen: Ja, dann macht’s doch einfach selbst! Verteidigt eure offene Gesellschaft doch selbst und macht es bunt, friedlich, weltoffen und ohne jede Vermummung. Da hat doch gar niemand etwas dagegen. Fakt ist doch aber auch, dass es der Schmuddelkinder von der Antifa bedurfte, damit so ein Akteur wie der Gutsche mal als das benannt wird, was er nunmal ist und weshalb er sich unter die zahlreichen studentischen und zivilgesellschaftlichen Treffen gemogelt hat.

    Leider hört man im Alltag in Mecklenburg Vorpommern von dieser sog. Mitte der Gesellschaft die jedwede Gewalt ablehnt und gegen alle Extremisten ist, ausgesprochen wenig, was auf aktives demokratisches Leben schließen lassen würde.

    Indes lernt jede und jeder Jugendliche mit 15 bei der Jugend-Antifa in gleichberechtigten Diskussionsprozessen gemeinsames politisches Agieren auszuhandeln und sich dabei noch sozialer Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten etwa in Bezug auf Geschlecht, sexuelle Orientierung, sozialer Schicht, Herkunft, etc. bewusster zu werden. Im Gegensatz zu erwachsenen Menschen, die in Universitätsmedien sexistische Vorurteile wieder und wieder reproduzieren, haben sich das die jugendlichen Extremisten schon lange einleuchten lassen, was der Student als demokratischen Gleichheitsgrundsatz nicht mal der Form nach zu respektieren schafft.

    Dieses anti-extremistische Rumgeheule nervt mich so dermaßen an.

    http://www.youtube.com/watch?v=CNDV9uMG7Sg

  20. „Dieses anti-extremistische Rumgeheule nervt mich so dermaßen an.“

    Komisch, könnte auch der nächste NPD-Wahlwerbespruch sein:

    „Wenn Sie das anti-extremistische Rumgeheule in M-V auch annervt, geben Sie am 4. September Ihre Stimme Udo Pastörs. Von Extremisten für Extremisten. Weil Anti-Extremismus unsere Heimat ruiniert.“

  21. @Rosa: Hast du alle Kommentare gelesen und verstanden, oder wieso machst du jetzt nochmal die Extremismuskiste auf? Nochmal Onkel Wayne zitierend:

    da hab ich mal was vorbereitet:

    Ich habe nicht schon wieder Lust hier eine Extremismusdiskussion zu führen, da der Extremismusbegriff nichts weiter als ein politischer Kampfbegriff ist, um unliebsame Positionen zu diskreditieren und zu verunglimpfen. Da es im Extremismus-Diskurs staatliche Institutionen sind, die Ideen, Gruppen oder Personen Extremismus unterstellen und definieren was extremistisch sei, ist dies nichts weiter als ein illegitimer Versuch bestimmte politische Zielsetzungen in Verruf zu bringen.

    Ich lasse z.B. meine Meinung gern als linsradikal bezeichnen denn ich möchte gesellschaftliche und politische Probleme “an der Wurzel“ (radikal abgel. von radix (lat.) = Wurzel) verändern und dieses möglichst umfassend, vollständig und nachhaltig, anstelle die Symptome einer gesellschaftlichen “Krankheit” zu lindern.

    Ich lasse mir aber NICHT mit Hilfe des Extremismusbegriffs unterstellen:
    – ich sei dogmatisch (btw: auf Dogmatismusvorwürfe reagiere ich nur, bei konkreter Nennung des Dogmas)
    – ich würde die Demokratie ablehnen (also die repräsentative D. schon, aber das kann ich auch begründen)
    – ich sei in einem Freund-Feind-Denken verhaftet (sorry, aber das ist ja so prä-postmodern, geht ja gar nicht)
    – ich würde eine Alleinvertretungsanspruch auf die Wahrheit haben (ich kann nix dafür, wenn einem das unterstellt wird, sobald man seine Meinung zur Diskussion stellt)
    – ich sei fanatisch und der Zweck würde für mich die Mittel heiligen, sprich: ich würde jedes Mittel, welches zum Ziel (also grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen) führen würde, für richtig halten.

    Letztlich ist die Verwendung des Extremismusbegriffs paradox, da die o.g. Unterstellungen auf die Urheber der Debatte (also den gesellschaftlichen Mainstream) zurückfallen, da:
    – der Kapitalismus eine dogmatische totalitäre Ideologie darstellt
    – durch die Behauptung der Unmöglichkeit gesellschaftlicher Veränderungen, einen Alleinvertretungsanspruch auf die Wahrheit proklamiert wird
    – ein billiges Freund-Feind-Schema aufgemacht wird (Mitte vs. Extremisten), welches der Realität nicht mal ansatzweise gerecht wird
    – antidemokratisch agiert wird, indem sie mit ihrer Macht eine Minderheitenpositionen aus dem Diskurs und somit auch als Alternative ausschliessen (also quasi einen Ideen-Kandidaten nicht zur Wahl zulassen)
    – die Diskreditierung des politischen Gegners nichts weiter als eine antidemokratische Schlammschlacht ist, wobei der politische Gegner mundtot und anklagbar gemacht wird (Zweck) indem man ihn ordentlich mit Extremismus-Schlamm (das Mittel) zuschüttet.

    Daher bin ich für mehr Meinungsvielfalt bzw. den Wettbewerb der Ideen und gegen den Extremismusbegriff. Danke.

  22. @d_l:

    Leider hört man im Alltag in Mecklenburg Vorpommern von dieser sog. Mitte der Gesellschaft die jedwede Gewalt ablehnt und gegen alle Extremisten ist, ausgesprochen wenig, was auf aktives demokratisches Leben schließen lassen würde.

    Mhhh. Als ‚Bedenkenträger‘ fühle ich mich jetzt mal angesprochen. Was ‚man im Alltag so hört‘? Okay, jeder hat so seinen Alltag. Aber …Was ist ein ‚aktives demokratisches Leben‘?, … und damit kann man Vermummung rechtfertigen? Ich fand’s total Klasse am 1. Mai so viele unvermummte demokratisch Aktive um mich zu haben und diese demokrartische Passiven, z.B. Rentner mit „Kein Ort für Nazis“-Buttons waren mir auch sympathisch. Die ‚Mitte der Gesellschaft‘ lehnt Gewalt ab, Ja und? Ist doch wohl auch gut so. Tun die Vermummten doch auch, zumindest unvermummt.

    Per Vermummung wirre Revolutions-Parolen zu brüllen, ist in etwa so zielführend /sinnlos wie in’er Pfütze Schwimmen lernen zu wollen.
    Demokratie beruht auf Mehrheit. Dei Mehrheit hat Angst vor Vermummten – hört man so; im Alltag. Anarchie will mehrheitlich niemand so wirklich. Zwickmühle – Egal, vermummen halt, Filme, schieben, die man eben so schiebt und versuchen das System zu verändern. In 5-10 Jahren ist der Vermummungsspuk dann vorbei und man ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Ich kenn keinen vermummten Revolutionär! Sowas wird’s auch nie geben, außer „Das fliegende Suizidkommando der judäischen Volksfront“, das war ja auch irgendwie vermummt und mal so richtig effektiv. 😉

    -FIN-

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