Kostenlose Anzeigenzeitschriften sind rätselhafte Medienprodukte, die ihren Lesern kaum inhaltlichen Mehrwert bieten und stattdessen auf Schmusekurs mit regionalen Unternehmen gehen — zumindest, sobald diese Anzeigen schalten.
In Greifswald gibt es mit dem Stadtgespräch, das vor einer Weile die Besitzerin wechselte und nun vom gleichen Verlag wie das Vorpommern Magazin herausgegeben wird, nur noch zwei klassische Vertreter dieses publizistischen Genres. Beide Zeitschriften ähneln sich sowohl inhaltlich als auch optisch und haben große Mühe, einzuhalten, was ihr hochglänzender Umschlag verspricht.
(Auswahl der letzten Titelseiten des Vorpommern Magazins)
Beide Zeitschriften sind anstrengend zu lesen, denn man braucht ein nicht zu unterschätzendes Maß an Medienkompetenz, um zwischen den werblichen Texten, den unveränderten Pressemitteilungen und den (nicht) gekennzeichneten Anzeigen ebenjene wenigen redaktionellen Artikel zu finden, die keine Angebote und Dienstleistungen von Firmen aus der Region thematisieren. Die redaktionellen Texte über regionale Unternehmen sind nicht selten das Beiwerk, mit denen die Anzeigen der präsentierten Firmen in Form gebracht werden. So liegt der Verdacht nahe, dass diese Artikel, bei denen es sich fast immer um Unternehmensporträts handelt, ohne die Anzeigenschaltung der Porträtierten nicht geschrieben worden wären.
In der aktuellen Ausgabe des Stadtgesprächs wird fast die gesamte Titelseite der Zeitschrift zur nicht gekennzeichneten Anzeige. Abgebildet ist der PKW eines bekannten Greifswalder Autohauses vor der fotogenen Wiecker Brücke. Vom Rand ragt eine Banderole mit dem Namen und dem Logo des Fahrzeugherstellers in das Bild. Auf der letzten Doppelseite ist schließlich ein Jubeltext über das gleiche Autohaus („Nutzen Sie die Gelegenheit und entdecken die neuen Modelle bei einer Probefahrt. Das Hanse Autohaus Paentzer berät Sie gerne!“) abgedruckt, der von mehreren großen Fotos und einer — diesmal als solche gekennzeichneten — Anzeige eingerahmt wird.
Die Titelseite zum Werbeplatz machen, dieses Konzept hat sich für den MV-Verlag, der neben dem Stadtgespräch auch das Vorpommern Magazin herausgibt, in der Vergangenheit offenbar bewährt; sei es bei der Zusammenarbeit mit dem Autohaus Paentzer oder der Unternehmensgruppe Medigreif. Anzeigenschaltung gegen Jubeltext — das ist der profitabelste Tauschhandel, den man mit einem kostenlosen Anzeigenmagazin abschließen kann. Schade nur, dass diese Logik schlussendlich auch der Hauptgrund dafür ist, dass gelungene redaktionelle Beiträge wie das Interview mit den beiden Kommunalpolitikerinnen Peter Multhauf und Luisa Heide von so viel Jubel übertönt werden. In Debatten über die ökonomische Zukunft des Online-Journalismus fallen immer wieder die Stichworte „Native Advertising“ und „Advertorial“ — beide Konzepte, die freilich viel älter als das Internet sind, liegen hier in ihrer ureigensten Form vor.
Schöner Artikel – Danke!