Greifswald im Fokus der Identitären Bewegung (?)

Ein Gastbeitrag von Michael Kemplin

Am Samstag versuchten Mitglieder der sogenannten „Identitären Bewegung“ eine Veranstaltung an der Universität Greifswald zu stören – und liefen dabei komplett auf. Diese und vergangene Aktionen der vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppierung weisen aber darauf hin, dass Greifswald verstärkt ins Zentrum der Rechtsextremen rückt.

So hatte sich Dr. Eric Wallis seinen Vortrag auf der 24h-Vorlesung an der Universität Greifswald sicherlich nicht vorgestellt. Kurz nachdem er den anwesenden Zuhörern etwas zum Thema „Gehirne Waschen – Framing gegen Fremdenfeinde“ erzählte, betraten mehrere Personen den Saal. Mit raschen Schritten begaben sie sich in die erste Reihe und zogen einen der Zuhörenden heraus, den sie lautstark aus dem Saal führten. Einige der Akteure trugen polizeiähnliche blaue Westen, auf denen die Aufschrift „Linker Terror“ genäht worden war.

Was wie ein schlechter Krimi klingt, war in Wirklichkeit eine Störaktion der sogenannten „Identitären Bewegung“. Der Herausgeführte ein Mitglied. Bereits in der Vergangenheit machte die rechtsradikale Gruppierung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, immer wieder mit medial wirksamen Aktionen auf sich aufmerksam. So etwa mit dem Aufstellen eines ausgebrannten Autos vor dem Innenministerium in Schwerin, oder der Besetzung des Brandenburger Tors in Berlin. Die Aktion vergangenen Samstag an der Universität in Greifswald kann man allerdings wohlgetrost als Flopp bezeichnen. Vor gerade einmal knapp 60 Zuhörenden versuchten sich die Neurechten mit einer Art Schmierenkomödie zu inszenieren. Auch als mehrere Identitäre ein Banner entrollten und rechte Parolen wie „Festung Europa macht die Grenzen dicht“, oder „Multikulti. Endstation!“ skandierten, reagierten die meisten Anwesenden nur mit einem Schulterzucken oder quittierten das Ganze mit „Langweilig!“-Rufen.

Dr. Wallis ließ die rechten Störer auflaufen und bot sich entspannt zur Diskussion an. Diese verschwanden jedoch so schnell, wie sie gekommen waren, nachdem sie ein paar Fotos von ihrer Aktion und den Anwesenden gemacht hatten.

Unbemerktes Vordringen in universitäre Strukturen

Der Auftritt am Samstag war allerdings nicht das erste Erscheinen der IB an der Uni Greifswald. Bereits letztes Jahr machten die in der Öffentlichkeit oft als „Nipster“ bezeichneten Rechtsradikalen mit einer Aktion im Rahmen der Namensdebatte an der Universität von sich reden. Damals setzten mehrere Aktivisten einen großen Findling vor das universitäre Verwaltungsgebäude, auf dem sie eine Plakette mit dem Bildnis von Ernst Moritz Arndt befestigten. Eine gescheiterte Banneraktion am Museumshafen folgte wenige Zeit später. Danach wurde es längere Zeit ruhig um die IB, zumindest in Greifswald.

In Rostock hatte die IB zur selben Zeit eine Bundeszentrale in der Graf-Schack-Straße etabliert und störte auch dort eine Veranstaltung an der Universität. Nach der Aufgabe ihrer Bundeszentrale in Rostock, die u.a. dem großen und breiten zivilgesellschaftlichen Widerstand zu verdanken ist, versuchen sich die Identitären nun wieder verstärkt in Greifswald und an der Universität zu etablieren.

Identitäre Greifswald

Identitäre zusammen mit AfD-Anhängern während einer Kundgebung auf dem Greifswalder Marktplatz

Erst Anfang dieses Jahres wurde bekannt, dass mit Franziska Gerbe eine aktive Identitäre in den Senat der Universität Greifswald gewählt wurde. Mit ihr zusammen, aber von weitaus wenigeren bemerkt, rückte der Burschenschaftler und sich im Umfeld der IB bewegende Christian D. als studentischer Senator nach. Unbekannte Aktivisten outeten einige Monate später weitere Studierende und Mitglieder der Universität als Identitäre. Darunter befand sich auch der an der Uniklinik angestellte Krankenpfleger Philipp L., der zugleich Mitglied und stellvertretender Vorsitzender im Kreisverband der „Alternative für Deutschland“ ist.

L. geriet Ende 2015 landesweit in die Schlagzeilen, als er in Rostock einen Passanten mit einen Elektroschocker attackierte. Eine weiterer der Geouteten ist Daniel M., der sich auch an der Störaktion am vergangenen Samstag beteiligte. M. ist als Student und Teil der Greifswalder Burschenschaftsszene kein unbekanntes Gesicht und trat bereits bei den ersten Aktionen der IB in der Universitäts- und Hansestadt in Erscheinung. Doch auch bei Veranstaltungen der AfD ist er immer wieder als handelnder Akteur zu sehen.

Kontakte reichen über Burschenschaften bis in die Führungsriege der AfD im Landtag

Auf der Demonstration der AfD gegen den UN-Migrationspakt in Greifswald war Daniel M. als Ordner eingesetzt. Eine Position, die Identitäre in Mecklenburg-Vorpommern verstärkt auf Veranstaltungen der AfD einnehmen. Während dessen lief Philipp L. zusammen mit den AfD-Landtagsabgeordneten Stephan Reuken, Nikolaus Kramer und Ralph Weber am Frontbanner. Alle drei bekundeten in der Vergangenheit öfters ihre Sympathien für die „Identitären Bewegung“. Gleich dahinter liefen im Block der „Jungen Alternativen“ die Identitären Franziska Gerbe und Christian D. mit.

Die offizielle Jugendorganisation der AfD hielt nur einen Monat vorher ihre erstes landesweites Treffen in Greifswald in den Räumen der Burschenschaft „Rugia“ ab. Zufälligerweise genau die Burschenschaft, in der Christian D. und Daniel M. oft ein- und ausgehen. Unter den Teilnehmern des Treffens befand sich neben L. und Gerbe auch ein mittlerweile zurück getretener AStA-Referent, der auf der letzten studentischen Vollversammlung mit hetzerischen Bemerkungen für einen Aufruhr sorgte. Zustimmung bekam dieser damals von Gerbe und Christian D., die sich ebenfalls auf der Versammlung befanden.

Identitäre Greifswald

Demonstration der AfD gegen UN-Migrationspakt in Greifswald. Unter den Teilnehmern auch mehrere Mitglieder der Identitären Bewegung.

Die starke Vernetzung mit der lokalen Burschenschaftsszene, das von vielen unbemerkte Vordringen in universitäre Strukturen und die Unterstützung durch einflussreiche lokale Sympathisanten innerhalb der AfD scheinen gute Voraussetzungen für die Identitären zu bilden, sich in Greifswald zu etablieren. Ein breites zivilgesellschaftliches Vorgehen gegen die neurechten Bestrebungen, wie es in Rostock stattfand, ist dagegen – bisher – noch nicht zu beobachten.

(Fotos: Michael Kemplin)

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