Zweiter Anlauf: Am kommenden Dienstag soll im Greifswalder Amtsgericht die Verhandlung gegen den Neonazikader Marcus G. nachgeholt werden. Der Prozess sollte ursprünglich im Dezember stattfinden, musste aber wegen einer überraschenden Erkrankung des Angeklagten kurzfristig aufgeschoben werden.
(Foto: Fleischervorstadt-Blog, 12/2013)
Dem aus Berlin stammenden Studenten der Politikwissenschaften Marcus G. wird vorgeworfen, im vergangenen Sommer einen Gegendemonstranten am Rande einer NPD-Kundgebung auf dem Greifswalder Marktplatz angegriffen und verletzt zu haben. Mehrere Augenzeugen und ein Video des Angriffs, das wenige Wochen später auf dem Fleischervorstadt-Blog veröffentlicht wurde, erhärten diese Anschuldigung und könnten nun zu einer Verurteilung wegen Körperverletzung führen. Marcus G. gilt seit einigen Jahren als führende Figur der Greifswalder Neonaziszene. Er wird eng mit den Nationalen Sozialisten Greifswald (NSG) assoziiert. In dem Verfahren wegen des Angriffs auf dem Greifswalder Marktplatz ließ er sich anfangs von MdL Michael Andrejewski (NPD) vertreten, doch mit seiner plötzlichen Erkrankung ging auch ein Wechsel seines Rechtsbeistands einher.
NEONAZIANGRIFF AUF DEM MARKT IST KEIN EINZELFALL
Bei der Verhandlung am Dienstag wird es jedoch für Marcus G. nicht bleiben, denn schon zwei Wochen später wird er sich erneut vor Gericht verantworten müssen — er soll im vergangenen Bundestagswahlkampf Wahlplakate zerstört haben. Und ähnlich der Jagdszenen auf dem Greifswalder Marktplatz soll auch bei dieser Aktion seine ebenfalls angeklagte Partnerin Nicole B. wieder mit von der Partie gewesen sein. Mitte Mai geht es dann mit Daniel Ohm (NPD), einem Stadtvertreter der Stadt Usedom, weiter. Er soll sich unter den Neonazis befunden haben, die sich während des vergangenen Bundestagswahlkampfs vor einem Wohnhaus in der Grimmer Straße versammelten und — zum Teil vermummt und bewaffnet — die Bewohnenden bedrohten.
Mit einer Verzögerung von etwa einem Dreivierteljahr erreicht der aggressive NPD- Bundestagswahlkampf des vergangenen Sommers nun den Gerichtssaal. Das Bündnis Greifswald Nazifrei rechnet damit, dass am Dienstag auch rechtsextreme Unterstützer von Marcus G. auftauchen werden, um an der Verhandlung teilzunehmen. Um die Zeugen und das Opfer gegen Einschüchterungsversuche zu unterstützen, wird dazu aufgerufen, frühzeitig zu der angemeldeten Mahnwache vor dem Amtsgericht zu kommen. Auch der AStA der Universität Greifswald unterstützt diese Solidaritätskundgebung und ruft — nachdem in der vergangenen Woche das StuPa einen entsprechenden Antrag einstimmig verabschiedete — alle Studierenden dazu auf, daran teilzunehmen.
Mehr zum Hintergrund:
- Marcus G. muss vor Gericht: Prozess gegen Neonazi wegen gewalttätigem Übergriff auf dem Markt (Fleischervorstadt-Blog, 10.12.2013)
- Brisantes Video dokumentiert NPD-Übergriff auf dem Greifswalder Markt (Fleischervorstadt-Blog, 02.09.2013)
Fakten: 15.04. | 9 Uhr | Amtsgericht (Lange Str. 2a)
*Update*
Über 80 Personen fanden sich heute vor dem Amtsgericht ein. Der Angeklagte fuhr lange vor Verhandlungsbeginn mit dem Taxi vor und wartete zwei Stunden im Gerichtsgebäude. Der Neonazi wurde laut Gregor Kochhan (AL) nach dreistündiger Verhandlung zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 20 Euro zuzüglich Verfahrenskosten und den Kosten der Nebenklage verurteilt. Über ein mögliches (und wahrscheinliches) Schmerzensgeld wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.
Schade, dass G. nicht mehr von Andrejewski verteidigt wird. Dessen aus den Landtagssitzungen bekanntes Gestammel hätte die Verhandlung sicherlich um viele lustige Momente reicher gemacht. Schließlich hat Andrejewski seinen profunden juristischen Kenntnisse in 36 (!) Semestern Jurastudium erworben.