Vom 14. bis zum 24. November fand in Greifswald der PolenmARkT statt. Unter diesem Titel firmiert ein zehntägiges Kulturfestival, das den Blick gen Osten richtet. Eine abwechsungsreiche wie qualitativ hochwertige Melange aus Vorträgen, Filmvorführungen, Parties, Konzerten, Lesungen, Ausstellungen und schliesslich sogar einer Late-Night-Show bereicherte den kulturellen Alltag in der Stadt; leider aber auch nur temporär. Der Fleischervorstadtblog sprach mit Alexander Pehlemann, Mitinitiator des Festivals und Herausgeber des Kulturmagazins „Zonic„.
FLV: Seit wann gibt es den PolenmARkT in Greifswald?
Alex: Das diesjährige Festival war das elfte, das Gründungsjahr wurde also mit 1997 festgelegt, auch wenn das damals dreitägige Event noch nicht den Namen trug, sondern einfach Polnische Kulturtage genannt wurde.
FLV: Kannst du einen entstehungsgeschichtlichen Gründungsmythos zu erzählen?
Alex: Die Initiative ging von Karin Ritthaler, damals wie heute Dozentin der Slawistik, und Matthes Klemm aus, die von einem polnischen Kulturabend ausgehend, über den Zwischenschritt des Drei-Tage-Events, den PolenmARkT in die kleine Greifswalder Welt schickten. Sehr bald kam dann die auch heute noch aktive Agata Wisniewska-Schmidt hinzu. Die Entstehungsgeschichte ist übrigens gut im Jubiläums-Programmheft von 2007 nachzulesen.
FLV: Warum thematisiert ihr konkret das Land Polen und nicht z.B. Dänemark?
Alex: Zum einen ist Polen das Nachbarland; man teilt sich ja sozusagen die Region. Zum anderen musste man den zahlreichen Vorurteilen auch etwas entgegensetzen – was leider noch immer eine notwendige Teilfunktion darstellt, wenn auch marginaler, mit einem souveräneren Ausgangslevel. Der PolenmARkT bearbeitete aber eben auch eine offensichtliche wie äußerst interessante Leerstelle, den Nordischen Klang gab es ja schon, die wir mit eigener Neugierde stetig anfüllten, uns selbst in die Kultur jenseits der Grenze permanent vorarbeitend. Und wir lassen uns auch heutzutage gerne noch überraschen …
FLV: Wer steckt eigentlich hinter dem jetzigen PolenmARkT?
Alex: Seit ein paar Jahren der PolenmARkT e.V. als Träger, vorher war es eine über die Universität koordinierte Angelegenheit. Konkret aber ein Organisationsteam von 4 bis 5 Leuten.
FLV: Das ist eine sehr überschaubare Anzahl in Anbetracht der Tatsache, dass ihr ein zehntägiges Festival organisiert.
Alex: Wir sind über die Jahre zu einem eingespielten Team gewachsen. Jeder von uns bringt da seine spezifischen Kompetenzen und Vorlieben in die Gruppe mit und daraus wird das große Ganze, das zu stemmen auch immer ein Kraftakt ist. Dass wir mit einem relativ eingeschränkten Haushalt und ohne eigene Stellen dieses qualitative wie quantitative Niveau halten, grenzt manchmal schon an ein Wunder. Ohne Hingabe, Leidenschaft, Begeisterung geht das nicht.
FLV: Wie wird der PolenmARkT finanziert?
Alex: Das ist ein Patchwork aus verschiedenen Förderern, z.B. die Stifung für deutsch-polnische Zusammenarbeit, das Polnisches Kulturinstitut Berlin, das Land MV, die Stadt Greifswald, die Universität Greifswald oder die Sparkasse Vorpommern bis hin zu privaten Spendern. Die Anerkennung, die wir seit den letzten PolenmARkT-Festivals erfahren, äußert sich nicht zuletzt auch in finanzieller Form, insbesondere vom Polnischen Kulturinstitut. Aber wie gesagt: die Decke ist dünn und muss im Wesentlichen jedes Jahr neu erkämpft werden.
FLV: Welchen (sub)kulturellen Stellenwert misst du dieser Kulturwoche in der Stadt bei?
Alex: Der kulturelle Stellenwert ist inzwischen ein hoher und wir stehen auf einem Level mit den anderen Highlights des Greifswalder Kulturjahres. Wir sind de facto der kulturelle Herbsthöhepunkt in Greifswald. Was die Subkultur anbelangt, ist der Spagat zwischen subkulturell Verortbarem und hochkulturell Repräsentativem interessant. Wobei die Definitionen diesbezüglich auch sehr verschwommen sind. Dinge, die vielleicht einer Subkultur entspringen, hieven wir halt momenthaft auf eine Förderebene, machen sie also auch ein wenig staatskultur-repräsentativ. Aber dem entkommt man eben nicht, die sicher illusorische Gegenvariante könnte nur privates Sponsoring sein, was auch letztlich auf kommerzielle Werbung hinausläuft. Es gibt halt keine sich selbst tragenden Festivals, die dafür notwendigen Eintrittspreise würde vor Ort kaum jemand zahlen können oder wollen.
FLV: Wird auch 2009 ein PolenmARkT in Greifswald stattfinden?
Alex: Natürlich. Wir stehen in der Verantwortung unserer selbstgenerierten Tradition. Aber auch neue Aspekte stehen in Aussicht. Es gibt zum Beispiel Überlegungen, die polnischen Grenzregionen gen Osten, also gen Ukraine, Weißrussland und Litauen, kulturell auszuloten und einzubinden. Da gibt es ja schon mehrere Kooperationen, zum Beispiel die am Eröffnungsabend stürmisch gefeierten Karbido oder der im letzten Jahr zu Gast gewesene Jazzer Mikolaj Trzaska, die beide mit dem ukrainischen Dichter Jurij Andruchowitsch arbeiteten. Nicht zuletzt kommen da auch schwierige historische wie aktuelle Beziehungsgeflechte ins Spiel, die zu fokussieren sicher extrem interessant wäre. Auch ein stärkerer Schwerpunkt auf die jüdische Kultur in Polen und Grenzregionen würde mich sehr reizen. Nun, die ersten programmatischen Überlegungen für das nächste Jahr werden schon in der nächsten Woche ausgetauscht, schauen wir mal, was draus wird, was machbar ist.
FLV: Zum Abschluss noch eine Frage an dich ganz persönlich: Welche Veranstaltung hat dir am besten gefallen?
Alex: Von der Publikumsresonanz empfand ich das Konzert mit Vavamuffin als betörend, da wirklich der ganze Saal getanzt hat; eine einzige Vibration von der Bühne bis zur Wand. Am meisten Spaß gemacht hat mir die „Drag Kings & Queens Queer Lounge“ mit der vorhergehenden Lubiewo-Lesung im IKUWO. Ein wundervoll verrücktes Auf-den-Kopf-Stellen der Verhältnisse, wovon Greifswald definitiv mehr bräuchte.
FLV: Ich bedanke mich herzlichst für deine Gesprächsbereitschaft.
An dieser Stelle möchte ich auch nochmal ausdrücklich auf das Polenmarkt-Spezial von radio 98eins hinweisen.
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Ein Gedanke zu „Im Gespräch mit Alexander Pehlemann“