Seit kurzem ist auf der offiziellen Internetseite der Universität Greifswald ein Link zu finden, hinter dem sich eine knappe Auseinandersetzung mit dem kontroversen Namenspatron der Hochschule verbirgt. Die grundsätzliche Debatte zu Ernst-Moritz soll nicht an dieser Stelle geführt werden.
Merkwürdigerweise geht es in den Diskussionen ausschließlich um den Namen der Uni, nicht um die Arndt-Schule und die nach ihm benannte Straße.
In dem Artikel über Arndt werden viele das Wort „Antisemit“ vermissen, jedoch wird auf Arndts fragwürdige Einstellungen eingegangen:
Zu einer Zeit, als noch darüber gestritten wurde, was und wer überhaupt die deutsche Nation ausmacht, vertraten Arndt und andere die Auffassung, dass Nationen vor allem durch die Sprache und Abstammung definiert werden und sich unvermischt erhalten müssten. Juden sollten in Deutschland keine staatsbürgerliche Gleichstellung erhalten. Über außereuropäische Völker äußerte sich Arndt im Zusammenhang zeitgenössischer Rassentheorien abwertend.
1933 beantragte der Senat auf Initiative des „Stahlhelm – Bund der Frontsoldaten“ bei der preußischen Staatsregierung, Arndts Namen tragen zu dürfen. An dieser Stelle war das nationalistische Motiv zweifellos ausschlaggebend.
Damit ist ein erstes Ziel der Arndt-Gegnerinnen erreicht.
Aktuelles über den Widerstand gegen den Namenspatron findet sich auf dem Blog der Kampagne für die Umbenennung der Universität Greifswald.
Gerade im Spiegel gefunden:
17. Juli 2009, 20:20 Uhr
ERNST-MORITZ-ARNDT-UNIVERSITÄT
Greifswalder Namensstreit
Von Steffen Eggebrecht und Christoph Titz
Deutscher Vordenker und Judenhasser: Ernst Moritz Arndt ist der umstrittene Namenspate der Uni Greifswald. Die Studenteninitiative „Uni ohne Arndt“ will das ändern. Mehr als tausend Kommilitonen schlossen sich ihr an. Entscheiden kann nur der Senat – und der setzte erst mal eine Prüfung an.
In einem Gewand, das an das 18. Jahrhundert erinnern soll, steht Sebastian Jabbusch vor der Mensa der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Sein Vorhaben in dieser Maskerade: Jabbusch will gegen Juden und Franzosen hetzen.
Hinter ihm hängt ein Transparent, darauf eine antisemitische Hetzparole, die dem Namensgeber seiner Universität, Ernst Moritz Arndt, zugeschrieben wird.
Passanten beschimpften ihn als rassistisch, erinnert sich Jabbusch. Ein Student habe das Plakat abgerissen und Anwohner hätten ihn bei der Polizei wegen Volksverhetzung angezeigt.
Doch was der Student auf dem Mensavorplatz trieb, war keineswegs ernst gemeinter Rassen- und Ausländerhass, sondern ein Schauspiel als Protest. Jabbuschs Rolle an diesem Sommertag: Ernst Moritz Arndt, Schriftsteller und Historiker, aus Pommern. Arndt studierte in Greifswald Theologie und lehrte an der Uni.
Ehre für den Deutschnationalen Arndt in der DDR
Kritiker bezeichnen den 1860 verstorbenen Arndt wegen seiner Rassenideologie und seines Fremdenhass als frühen Vordenker des „Dritten Reichs“, von ihm sind zahlreiche judenfeindliche Zitate überliefert. Der Senat der Uni benannte auf Antrag des örtlichen Leiters des deutschnationalen Frontkämpfervereins Stahlhelm die Greifswalder Universität im Jahr 1933 auf Arndts Namen um. Nach 1945 legte die Universität den Namen zwar ab, doch gerade in der DDR wurde Arndt neu entdeckt: Damals allerdings als Kämpfer gegen den Feudalismus, wegen seiner Schriften gegen die Leibeigenschaft.
Die Reaktionen auf das Schauspiel vor der Mensa „sagen sehr viel über die Wirkung von Ernst Moritz Arndt“, sagt Jabbusch. Er sieht sich durch den Tumult, den seine Arndt-Lesung unter den Passanten auslöste, bestätigt. Das Ziel ist eindeutig und Name einer Kampagne. Die Initiative „Uni ohne Arndt“ soll „das Geschichtsbewusstsein der Studenten schärfen“, sagt Jabbusch, und ihnen deutlich machen, wer da als Patron auf dem Türschild ihrer Uni prangt.
Dem Aufruf zur Vollversammlung im Juni folgten 1200 der 12.000 Studenten der Greifswalder Uni. Sie forderten beinahe einstimmig, die Uni müsse den Namen Arndts ablegen. Zudem verlangten die Studenten von der Hochschulleitung, sie müsse auf der Homepage über Arndt informieren.
Das Thema schwelt an der Uni schon seit einem Artikel in der Wochenzeitung „Die Zeit“ vor gut zehn Jahren. 2001 verlangten dann einige Professoren der Universität eine Auseinandersetzung mit dem Nationalisten Arndt, vergebens, die Uni behielt ihren Patron.
Die Studenteninitiative will dem nun ein Ende setzen. Jabbuschs Schauspiel und das Votum von mehr als tausend Studenten brachte den Senat am Mittwoch dazu, sich ernsthaft mit dem Namen der Uni zu befassen. Der Senat beschloss, dass eine noch zu benennende Kommission das „Für und Wider einer möglichen Ablegung oder Wechsels des Namens unserer Universität erarbeiten“ solle, sagt Maria-Theresia Schafmeister, Vorsitzende des Senats.
Glaubt man dem Text über die Person Ernst Moritz Arndt, den die Pressestelle auf die Web-Seite der Universität stellte, sollte die Frage nach dem Für und Wider nicht schwer zu beantworten sein:
Zu einer Zeit, als noch darüber gestritten wurde, was und wer überhaupt die deutsche Nation ausmacht, vertraten Arndt und andere die Auffassung, dass Nationen vor allem durch die Sprache und Abstammung definiert werden und sich unvermischt erhalten müssten. Juden sollten in Deutschland keine staatsbürgerliche Gleichstellung erhalten. Über außereuropäische Völker äußerte sich Arndt im Zusammenhang zeitgenössischer Rassentheorien abwertend.
Trotz dieser historischen Einordnung Arndts wollte sich das Präsidium der Universität gegenüber SPIEGEL ONLINE auf Nachfrage nicht zum Streit um den Namensgeber äußern. Der Pressesprecher verwies auf den Senat als zuständiges Gremium in dieser Frage.
Studenteninitiative sammelt Unterschriften
Nicht alle Studenten stellen sich geschlossen hinter die „Uni ohne Arndt“-Initiative. Neben Gegnern und Befürwortern gebe es eine Menge Studenten, denen der Name egal sei, sagt der stellvertretende Asta-Vorsitzende Petro Sithoe. Auch der Asta will sich im Streit um Arndt nicht festlegen, „wir unterstützen aber jegliche Diskussion“. Es gebe Studenten, die Arndt „im Rahmen seiner Zeit sehen“ und Arndts Denken „nicht gleichsetzen mit Nationalismus“.
Für Reinhard Bach, Romanistik-Professor an der Universität, findet die Debatte „auf Ebene einer politischen Kampagne statt“. Zu Arndt meinte der Professor, es sei „schwer, ein endgültiges Urteil über ihn zu fällen“. Man könne ihn nicht aus dem Kontext herausnehmen, „um ihn abzustrafen oder in die Höhe zu setzen“. Gleichzeitig fordert er ein Konzept der Hochschule, wie man mit der Debatte um Arndt umgeht.
Die Initiative um Sebastian Jabbusch sammelt derweil Unterschriften, um eine Urabstimmung der Studenten zu erreichen. 600 Greifswalder Studenten folgten bisher dem Aufruf, 1240 müssen es mindestens sein, damit alle Studenten in einer geheimen Wahl Druck auf den Senat machen können. Im Text zur Urabstimmung fordern die Unterzeichner vom Senat, die „Grundordnung der Universität so zu ändern, dass unsere Hochschule fortan nur noch den Namen, ‚Universität Greifswald‘ trägt“.
Was die Studenteninitiative „Uni ohne Arndt“ auch tut, wie sehr sie auch für ihr Anliegen wirbt, am Ende entscheidet der Senat, in dem auch Jabbusch als Studentenvertreter eine Stimme hat. Erst wenn mit ihm zwei Drittel des Senats die Änderung beschließen, kann sie wirksam werden.
Probleme mit ihren fragwürdigen Namensgebern haben in Deutschland auch andere Schulen und Unis: Nach Recherchen des Historikers und Buchautors Geralf Gemser* trug ein Berliner Gymnasium den Namen Erich Hoepners, Generaloberst der Wehrmacht, der auf von seinen Soldaten die „erbarmungslose, völlige Vernichtung des Feindes“ einforderte. Mitte vergangenen Jahres benannte sich die Schule um. Heute heißt sie Heinz-Berggruen-Gymnasium.
Ein weitere Schulpate einer Mittelschule in Bernstadt in der Oberlausitz ist Klaus Riedel, SS-Mann und Mitentwickler der „Vergeltungswaffe 2“. Der Marschflugkörper brachte rund 10.000 Zivilisten im Ausland den Tod; über 12.000 Zwangsarbeiter starben bei der Produktion. Und auch die Westfälische Wilhelms-Universität Münster heißt erst so, seit sie der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II., kolonial geprägter Antidemokrat, 1902 wieder in den Universitätsrang erhob.
In einer vorherigen Version des Artikels konnte der Eindruck entstehen, die Initiative „Uni ohne Arndt“ gehe größtenteils auf den Greifswalder Studenten Sebastian Jabbusch zurück. Vielmehr engagieren sich mehrere Studenten gleichberechtigt in dem Bündnis, das eine Änderung des Namens der Uni Greifswald erreichen will.