Normalerweise ziehmt es sich nicht, seine Namensvetter anzugreifen. Im Falle des Wahlgreifswalders Stephan Schmidt aus Frankfurt an der Oder kann allerdings beruhigt eine Ausnahme gemacht werden, nicht zuletzt, da ‚Schmidt‘ eher Sammelbezeichnung als Name ist.
Kostenlose Graffiti-Beseitigung
Der Lehramtsstudent schaffte es mit einer wohlgemeinten Initiative reinigenden Übereifers in eine städtische Pressemitteilung und in die Spalten des Nordkuriers. Er schlug dem Präventionsrat der Stadt Greifswald und den hiesigen Stadtwerken vor, illegale Graffiti auf eigene Faust und unentgeltlich zu beseitigen.
Sein Vorstoß fand Anklang und löste bei den Verantwortlichen regelrechte Euphorie aus. So begeisterte sich Frau Dr. Christine Dembski, die schon seit Jahren in einer Dauerfehde mit urbaner Kunst und dem Vandalismus aus der Spraydose gefangen ist, für die Idee:
„In meiner jahrelangen Tätigkeit als Präventionsbeauftragte ist es mir noch nicht oft passiert, dass jemand freiwillig angeboten hat, fremde Graffiti-Schmierereien zu beseitigen. Ich finde dieses Engagement für ein sauberes Greifswald toll.“
Auch eine Verantwortliche der Stadtwerke meinte, dass man so ein Angebot „gar nicht ausschlagen“ könne. Der Nordkurier zitiert den ambitionierten Stadtbildreiniger, der nach eigener Aussage aus dem Berliner Raum komme, „wo es eine anerkannte Graffiti-Kultur gibt“. So etwas würde Greifswald gut tun. Schmidt selbst will sich nicht nur um die Reinigung der Flächen, sondern auch um deren Neugestaltung kümmern:
Er hegt die Vorstellung, die von ihm gereinigten und mit einem Grundanstrich versehenen Kästen später selbst kunstvoll zu besprayen. Ob er den Zuschlag dafür erhält, ist noch offen. Seitens der Stadt heißt es, man könne sich eine Art Comic-Geschichte vorstellen, deren einzelne Episoden auf den Kästen dargestellt werden. (Neubrandenblog)
(Foto: A.Zecher/Nordkurier)
Was wird hier eigentlich bekämpft?
Eine Art Geschichte, eine Serie? Das erinnert doch sehr stark an die überdimensionierten und in die Höhe gestemmten vier Buchstaben des Rycks, die den Weg zum Hafen verunzieren. In den Artikeln und der Greifswalder Pressemitteilung wird mehr oder minder deutlich suggeriert, dass es um die Sauberkeit der Stadt schlecht bestellt ist, dass jeder Stromkasten durch häßliche Tags verunziert ist. Aber ist das wirklich so?
Betrachten wir zum Beispiel den Stromkasten an der früheren Plakatwand in der Fleischerstraße. Dieser wurde vor Monaten seines zurückhaltenden Grautons beraubt und in augenschmeichlerisches Pink gehüllt. Seitlich wurde ein – zugegeben nicht sonderlich tiefsinniger – Spruch angebracht und fertig war das Kleinod. Schmidt ist jetzt – ausgerüstet von den Stadtwerken – angerückt, um das, was ihm „ein Dorn im Auge“ war, zu entfernen. Der Kasten erstrahlt vorerst wieder in blitzblank poliertem Hellgrau.
Die legalisierte und inzwischen abgerissene Plakatwand wurde übrigens notwendig, weil Frau Dembski mit ihrem Ant-Graffiti-Feldzug ganz nebenbei auch noch die Greifswalder Kulturszene kriminalisierte, die ihrerseits die Stromkästen über Jahre als Plakatierflächen nutzte.
(jeweils linkes Foto: daklebtwas)
Grundieren aus Anerkennung
Frau Dembskis Erfahrungen mit legalen Graffiti zeige, so der Neubrandenblog weiter, „dass Sprayer dann oft von diesen Flächen Abstand hielten“. Stephan Schmidt meinte, der Stadt Greifswald würde die Anerkennung einer Graffiti-Kultur gut zu Gesicht stehen und meldet sich freiwillig, um möglichst viele Stellen zu übermalen und im Idealfall selbst zu besprühen. Ich bin kein Sprayer, aber sowas versteht man doch – abgesehen von der vorhergehenden Neugrundierung – unter dem crossen eines Bildes. Und Anerkennung fühlt sich in meinen Augen irgendwie auch anders an.
Daher fände ich es ganz hervorragend, die Initiative Schmidts anzuerkennen und die grundierten Flächen dankbar zu nutzen, um mehr urbane Kunst auf bestmöglichem Niveau in die Stadt, beziehungsweise auf die Stromkästen zu bringen. Einen besseren Zeitpunkt als den jetzigen gibt es einfach nicht, um der Anerkennung für soviel freiwilliges Engagement angemessen Ausdruck zu verleihen. Pack die Farbe ein, Schatz!
Oh Hilfe, ist das peinlich. Aber irgendwie auch bezeichnend für Kulturfeindlichkeit dieser Stadt. Alles, was nicht im Museum hängt oder über dem die CDU-Flagge weht, wird gandenlos entsorgt.
Nur wie geht unser Malermeister „Klecks“ Hochschild denn mit dieser neuen Konkurrenz im Geklüngel um Aufträge um?
Der Malermeister kriegt vielleicht zu spüren, wie sich Ausgebildete fühlen, die von um ihren Lebenslauf bemühten PraktikantInnen um ihre (bezahlten) Arbeitsplätze gebracht werden. Aber ich verspreche dir, am Hungertuch wird in der Lutherstraße nicht genagt werden, die Schafe sind gewissermaßen im Trocknen.
Wenn die Kabelbetreiber/Telekom/Stadt was gegen die teilweise wirklich unansehnlichen Schmierereien unternehmen würden – schön und gut, ist ihr Recht. Aber dass da so ein Möchtegern-Saubermann auftritt um dann am Ende selber zu pinseln, ist mehr als peinlich
so ein selbstdarstellerischer depp!
himmel/boden/whatever hilf gegen
sprühende spiesser!!! soll er doch
die kästen im sw oder osv von den
hakenkreuzen befreien, anstatt pink
gegen grau zu tauschen. depp, depp, depp…
sry, depp war das falsche wort:
was ein scheisstyp!
Naja, wenn er alles brav grundiert, sollte man das nutzen. So wie auf dem Bild lassen sich Stromkästen auch prima ins urbane Umfeld einfügen.
Zum Protagonisten: Prinzipiell finde ich es lobenswert, wenn sich Leute Gedanken um die Stadt machen in der sie wohnen. Des weiteren finde ich schön, wenn sich diese Gedanken in ehrenamtlichem Engagement niederschlagen. Selbstdarstellung würde ich Stephan Schmidt nicht unterstellen. Ein Vorwurf der überhaupt viel zu häufig erhoben wird. Es gibt weit bessere Wege sich selbst darzustellen, als seine Nachmittage inner Hitze mit putzen zu verbringen.
Zu Graffiti im Allgemeinen: Meine Meinung zu Graffiti hängt vom jeweilgen Bild und dem Ort ab. Ich verstehe nicht warum jede bunte Farbe an einem öffentlich Ort gleich hinter dem Kunstbegriff versteckt werden muss. Das erste Bild, auf dem Meister Schmidt zu sehen ist, ist ein prima Beispiel für ein schnell dahingerotztes „icke war hier“.
Das finde ich fast hässlicher als ein langsam dahin geschnoddertes graues „hier war noch keener“, wie es viele Städteverwaltungen (vermutlich auch aus dem Kostengrund), bevorzugen.
Ich freue mich hingegen sehr über Banksy-Covers, sorgfältig entworfene Bilder und Schriftzüge, witziges, politisches, nachdenkliches, fein ausgeschnittene Stencils und bunte Blumen auf grauen Brücken.
Es gibt zahlreiche Besipiele für Wände, die auch wenn sie im Auftrag der Stadt bebuntet wurden, respektiert werden. Warum also nicht die einschlägigen Orte als legale Flächen markieren oder gleich zu Beginn im Auftrag gestalten lassen, dann kann man sich mit dem Malen auch mal länger Zeit lassen.
any klitzekleine belege 4 that?
für die selbstdarstellerbehauptung
gibts nen paar…
btw, ick hab lieba tags an ehm kasten als
eenzich und alleene ne graue fläche – dasset
schöneret jibbt, steht aussa fraje.
er schaffte es sogar gestern auch in einen beitrag im ndr. ich nehme an es war das nordmagazin.
die obligatorische passantenbefragung repräsentierte in der auswahl der ausgestrahlten antworten ein einstimmiges „ja, find’ma jut, wat der da macht“.
ausgeklügelte pro-und-kontra-befragungen sind aber, glaube ich, (leider) auch nicht üblich, weil schwer möglich, in einem 1-2-minuten-beitrag.
das korsett des mediums als nadelöhr der information.
Guerilla trifft es meiner Meinung nach genau auf den Punkt.
Man sollte strikt davor hüten seine eigenen Spuren in der Stadt selbst als Kunst zu markieren und ihnen damit ihren vielleicht subversiven Gehalt zu nehmen.
Graffitti und in der Folge Streetart halten sich schon so lange, weil sie in einer Grauzone stattfinden. Kommt die Streetart in die Gallerie ist doch schluss mit lustig.
Ich sehe die Stadt, den urbanen Raum eher als eine Spielfläche, in dem natürlich auch unter Missachtung des Privateigentums kommuniziert wird. Streetartisten wollen zu aller erst „in Erscheinung treten“ und jeder dieser Akte die sie dazu unternehmen stellt daher auch einen Kommunikationsakt dar. Und das ist meiner Meinung nach der Aspekt unter dem man das als Kunst bbetrachten kann, ohne es ins Museeum zu hängen.
Typen wie dieser Schmidt wiederum halten das Game am laufen, indem sie eine billige aber dankbare Vorlage liefern an der man sich abarbeiten und des eigenen rebellischen Gestus‘ bestätigen kann. Das ist durchschaubar, aber wenn Streetart nur noch unter dem Aspekt von Kunst und Schönheit betrachtet wird, dann ist das doch wieder so eine langweilige Kunstscheiße für einen elitären Kreis.
Ich sammele jedenfalls sehr gerne Fotos von herausragend „hässlichen“ und dummen oder auch nur sehr trivialen bzw. kindischen Entäußerungen von Menschen in den Öffentlichen Raum. Das ist eine sehr „schöne“ Tätigkeit. 🙂
Interessante Idee!
Vielleicht kommt man ja dahin, daß die Stadt Flächen zur künstlerischen Bearbeitung freigibt. Dabei wäre es natürlich schön, eine gewisse gestalterische Autonomie zu wahren, damit man nicht noch mehr Blumen und Hanse-Motive produziert.
Also mit der Stadt verhandeln – der Ansatz hat Potential, es sollte genutzt werden. Selbst die konservativen Sauberkeitsfanatiker sollten erkennen, daß sich hier eine Chance bietet, ihren Wunsch nach weniger tags mit dem Wunsch vieler Kreativer nach öffentlicher Kunst zu kombinieren.
Ich kann auch verstehen, daß Sprüher der „harten Linie“ böse werden, wenn ihre tags abgeputzt werden. Meinem Verständnis nach zielt die Aktion allerdings weniger darauf, Graffiti zu Grunde zu richten, sondern den öffentlichen Raum für Graffiti, Street-Art und Kunst nutzbar zu machen.
Stellt sich die Stadt hier stur, hat sie tags verdient und kann sich freuen, daß (kleiner polemischer Ausfall) noch keine Autos brennen!
(was sachtn eigentlich Stephan Schmidt dazu? mal interviewen?)
hauptsache die linken graffitti-faschos können greifswald nicht mehr zum optischen anklam machen 😛
@ bü.
wenn du nicht dein geseiere vom staat und volk ans mensa-klo-häusschen schmieren würdest, müsste da auch keiner drüber gehen ums wieder weg zu machen!
Why not! Warum sollte man sich darüber aufregen das die Toy-Taggs endlich mal weg kommen. In Amsterdam gabs auch mal so eine Aktion, da sprühten die Leute die Kästen wie Eiswürfel an und schrieben drunter: „Feel the social ice, toy“ Der macht das nur mit Pinsel und Farbe und mit Genehmigung. Und wenn dabei ein Contest oder so bei rumkommt find ich das eigentlich sogar gut, weil eigentlich malt er ja nur die Flächen vor für legale Sachen. Und mal ehrlich wenn sich Provinztagger darüber auregen, dass sie gecrosst werden finde ich das mehr als lächerlich. Ich mach seit zehn Jahren Graff und darüber das Taggs gecrosst werden regt sich doch nun echt keiner mehr auf. Ich freu mich auf legale Flächen, ich hab wo gelesen dass die Stadt noch viel mehr Flächen freigeben will, das finde ich persönlich einen größeren Gewinn für das Game als die Aufstockung der Soko. Und mal im Ernst, die Scheiße die hier auf Kästen getaggt wird nennt man doch noch nicht mal schlechte Calligraphie.
kinder, freiflächen auf stromkästen sind reine spekulation und imho ne illusion. wir sind hier in HGW – könig-, liskow-, hochschild-area. die crosst keine(r) ungestraft! lest doch mal nen bissel watt zur regionalpolitik und schaltet euer erinnerungsvermögen wieder an, wenn ihr nicht erst 2 sem in der stadt seid… wenn ich diese weichgewaschene bürgerliche grütze von verhandlungen mit diesen leuten höre, kommen mir meine gallensteine hoch.
Ich mein lass die doch lieber die Verteilerkästen beschmieren. Immernoch besser als an Häuser, denn soll man sich lieber an den Kästen austoben dürfen…
Rock the city with your name! Hoffen wir mal, dass die neuen Freiflächen gut genutzt werden. Btw. sollte mal jemand ein WordPress-Plugin programmieren, mit dem wir hier in den Kommentaren Tags oder mehr hinterlassen können 😉
wer nach freiflächen bettelt hat doch wirklich nicht viel vom subversiven charakter von street art und graffiti mitbekommen… wenn die stadt sprayern ein paar kleine freiflächen zugesteht, dann doch nur um alles schön reglementieren zu können, ihre schicke touri innenstadt sauber&ordentlich zu halten und sagen zu können „Aber wir haben doch was für die jugend getan!“
es geht mir bei graffiti doch nicht darum um erlaubnis zu fragen sondern drauf zu scheißen, sich das recht auf gestaltung der stadt einfach zu nehmen und diese beschissene eigentumslogik infragezustellen!
in hgw gibt es eine langjährige graffitiscene, bis heute malen immer noch viele crews wöchentlich ihre pieces und bombings!