Das hatte sich der NPD-Männerverein sicher anders vorgestellt: Das knappe Dutzend Wahlkämpfer der Nationalpartei ging gestern auf dem Fischmarkt in gellendem Pfeifkonzert unter. Der angemeldete Infostand wurde relativ zügig von etwa 120 Protestierenden umkreist, ausgepfiffen und mitleidig belächelt.
PROPAGANDA AUS DER KONSERVE
Aus den Lautsprechern des in Berlin gemeldeten Wahlkampffahrzeugs Flaggschiff dröhnten die ewiggleichen aufpeitschenden Reden, unterbrochen nur hin und wieder von selbstgesprochenen Beiträgen, welche allerdings durch den lautstarken Protest zur Unverständlichkeit verdammt waren.
Sogar Sachsens NPD-Fraktionsvorsitzender Holger Apfel war mit von der Partie. Sein Vormittag in Greifswald dürfte allerdings wenig vergnüglich gewesen sein. Nach nicht einmal zwei Stunden wurde eingepackt und sich provokativ langsam gen Stralsunder Straße bewegt – natürlich nicht, ohne noch einmal die Propagandakonserve zu bemühen. Spontan versicherten sich daraufhin cirka 70 NPD-Gegnerinnen, dass die Neonazis auch wirklich abzogen und nicht – wie schon einmal in der Vergangenheit – einen spontanen Infostand an anderer Stelle aufzubauen versuchten.
Während im Mittelalter unliebsame Personen und Kriminelle noch an den Pranger gestellt werden mussten, initiieren das die Meister der Selbstbloßstellung heute eigenständig. Der Regionalsender Greifswald TV berichtete bereits gestern Nachmittag über die blamable Vormittagsvorstellung der Partei.
DIE MEISTER DER SELBSTBLOSSSTELLUNG
In Schönwalde wurden die Neonazis nachmittags bereits zwei Stunden lang erwartet, ehe sie mit großzügiger Verspätung schließlich doch eintrafen. Durch die insgesamt 80 Polizisten von Wählern wie Gegnern abgeriegelt, konnte aber auch in diesem Teil der Stadt nicht viel gewonnen werden. Etwa 50 Leute — vorwiegend über soziale Netzwerke mobilisiert — störten lautstark die NPD-Show, bis das glücklose Dutzend irgendwann abzog.
Aus Sicht der NPD muss der 10. August eindeutig als vergeudeter Tag bewertet werden, der die aktive Teilnahme an solchen Veranstaltungen für Neonazis kaum attraktiviert haben wird. Angefeindet, ausgelacht und abgepfiffen segelte die NPD gestern wohl zu hart am Wind.
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Weitere Beiträge zu den beiden NPD-Ständen:
- NPD-Wahlkampf in Greifswald erneut gescheitert (webMoritz, 10.08.2011)
- Greifswald: NPD – Blamage Teil II (Tim Krugfelch/Indymedia, 10.08.2011)
- NPD: Erste Vorstellung enttäuscht – laute(r) Buhrufe *Update* (daburna, 10.08.2011)
mal wieder mit der Feder geschrieben, wie ich es mag. Vielen Dank für die Zusammenfassung.
Gruß bigi
Dem kann ich mich vollends anschließen! Sehr pointiert in Worte gekleidet. Bezeichnend ist, dass die Neonazis bisher nicht versucht haben, sich ihren Wahlkampf-Auftritt schön zu lügen, wie das sonst mitunter passiert. Es lässt sich einfach nicht zu einem Erfolg verklären. Nicht mal ein bischen. So soll es sein! So soll es auch bleiben!
Schön zu lesender Beitrag!
Die Formulierung „Meister der Selbstblossstellung“ gefällt mir total! Hat mich sofort an einen ähnlich klingenden Song erinnert, den ich mir jetzt nach Jahren endlich mal wieder angehört habe. Dank auch dafür 😉
Arne Zanks Ein Meister der Selbstbeherrschung erzählt? Daran war es nämlich angelehnt – schön, dass es jemand erlesen hat! 🙂
„Angefeindet, ausgelacht und abgepfiffen segelte die NPD gestern wohl zu hart am Wind“
Perfekt
@Jockel:
genau! Yeah, hab’s „erlesen“ oder insgeheim die Inspirationsquelle richtig getippt. 🙂
Heute scheint wieder eine Stadtteilbegehung der Aktion Wake Up, Stand up! in Schönwalde I stattgefunden zu haben, gute, gute Sache 🙂