Am 26. April wird in Greifswald ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Kandidat Björn Wieland (Die PARTEI) im Gespräch über Satire als Politikstil, bezahlte Facebook-Posts, den Kleinkrieg mit Anklam, seine Liebe zum Tierpark und das Greifswalder Grill-Monopol.
Wahlkampf: „Überall Sturm klingeln und die Werbetrommel für mich rühren, das ist nicht so meins“
FVB: Herr Wieland, wie haben Sie den Wahlkampf bislang erlebt? Sind sie auch schon ermüdet oder geht es bei Ihnen jetzt erst richtig los?
BW: Man kann auf jeden Fall auf dem letzten Meter jetzt noch ein bisschen Gas geben, vielleicht sogar noch am Sonntag. Ansonsten ist es schon ganz schön anstrengend. Es ist schön, dass die Leute sich so für die Podiumsdiskussionen interessieren und man miteinander in die Diskussion kommt, aber weil immer wieder die gleichen Fragen kommen – zum Beispiel zum Theater –, sagt man oft das Gleiche. Die Leute aber wollen das wissen und das ist dann ja auch völlig verständlich.
(Björn Wieland im Wahlkampf, 2015)
Trotzdem: Es geht noch was! Ich habe mich auch nicht völlig totgemacht und jeden Tag irgendwo geklingelt, wie zum Beispiel Herr Fassbinder. Wenn ich auf dessen Seite schaue, steht da jeden Tag, was er sich gerade angeguckt hat. Ich quatsche nicht jeden an, ob ich mir die Universitätsmedizin, diesen oder jenen Verein ansehen kann. Wenn mich einer fragt, ob ich das machen möchte, dann bin ich gern dabei und habe nie nein gesagt, wenn ich irgendwo eingeladen wurde. Aber überall Sturm klingeln und für mich die Werbetrommel rühren, das ist nicht so meins.
Im Gegensatz zu den beiden anderen Kandidaten haben Sie Herrn Zuckerberg kein Geld überwiesen und darauf verzichtet, die Reichweite ihrer Facebook-Beiträge gegen Bezahlung zu erhöhen. Heute haben Sie dort gut 25% mehr Fans als Ihre Gegner, und das alles ohne Katzenbilder. Kann man sich echte Sympathisanten am Ende doch nicht kaufen?
Es wirkt so, aber ich muss auch zugeben, dass die hohe Zahl der Likes wirklich nur durch diesen Kleinkrieg mit dem Nordkurier und Anklam gekommen ist – ich hätte nicht gedacht, dass ich die beiden anderen nochmal einhole. Mir ist irgendwann aufgefallen, dass mir die beiden Herrschaften immer vorgeschlagen werden, wenn ich irgendwas in die Richtung geklickt habe. Ich gebe zu, ich hätte das auch gerne gemacht, es ist mir bloß eindeutig zu teuer. Wenn man sich das mal durchrechnet: 15 Euro am Tag wollten die als Grundwert haben, damit da was passiert. Wenn man nur 5 Euro investiert, dann kriegt man vielleicht einen Like pro Tag und das garantieren sie nicht mal. Biste dein Geld los und am Ende bringt dir das gar nichts!
Dass Sie ein furchtloser Oberbürgermeister wären, der fast alles für seine Stadt tun würde, bewiesen Sie unlängst, als Sie sich mit Anklam anlegten. Wie ist das passiert und was führte schließlich zu dem bereits angesprochenen Kleinkrieg, bei dem Sie den Peenestädtern mit großen Kalibern drohten?
Es ist ja schon letztes Jahr aufgefallen, dass mit den Anklamern nicht zu spaßen ist und die anscheinend eine sehr kurze Leitung haben. Das haben wir gewusst und haben dieses Plakat („Damit Greifswald nicht Anklam wird“) gebracht und in der Innenstadt aufgehangen – mal gucken, was passiert! Ich finde nicht, dass das eine schlimme Äußerung ist. Wenn man das mal auf die Größe beschränkt, möchte ich zum Beispiel nicht, dass Greifswald irgendwann nur noch 15.000 Einwohner hat. Aber die Anklamer fühlen sich da immer sehr schnell angegriffen und vielleicht haben sie da auch ein bisschen zu viel hineininterpretiert. Nachdem sie sich über dieses kleine Schildchen schon so aufgeregt haben und der Nordkurier gewettert hat, beschlossen wir, nochmal einen draufzulegen, und dann ging das ja durch die Decke. Jetzt hat der Nordkurier versucht, selbst ein bisschen lustig zu sein, aber das wirkte eher gewollt als gekonnt.
Sie sind routinierter Parlamentarier und sitzen sowohl im Studierendenparlament als auch seit kurzem im Senat. Haben Sie das Gefühl, dass man den zukünftigen Oberbürgermeister in diesen Gremien schon mit anderen Augen sieht?
Wir hatten bisher erst eine Senatssitzung und da hat jetzt keiner komisch geguckt. Die Vorsitzende hat nur gesagt: „Oh, der Herr OB.“ Ich finde den Kreis des Senats sehr unspaßig und ich habe mich nicht getraut, etwas Offensives in PARTEI-Richtung zu machen. Ich hatte etwas vorbereitet, aber die Stimmung dort ist so erdrückend, dass dort, glaube ich, kein Deut Spaß geduldet wird, so dass ich es schließlich lieber gelassen habe.
(Björn Wieland bei der Podiumsdiskussion des AStA, 2015)
„Von Anfang an war auch meinerseits das große Ziel, die CDU zu stürzen“
Herr Fassbinder hat die historische Chance, der CDU das erste Mal seit der Wende das Amt des Oberbürgermeisters von Greifswald abzunehmen. Ihre Stimmen werden Sie vermutlich zum großen Teil von potenziellen Fassbinder-Wählenden bekommen, dem diese dann unter Umständen fehlen werden. Können Sie trotzdem ruhig schlafen?
Ich kann sehr ruhig schlafen, denn wenn er diese Leute für sich gewinnen möchte, dann soll er sich mehr ins Zeug legen!
Und werden Sie, sofern Sie nicht im ersten Wahlgang gewinnen und es zu einer Stichwahl kommt, Ihren Wählenden einen der beiden Kandidaten ans Herz legen?
Von Anfang an war auch meinerseits das große Ziel, die CDU zu stürzen – was ja dann immer noch in greifbare Nähe rückt. Aber ich würde trotzdem nicht vorschlagen, wenn man vorher mich gewählt hat, nun Herrn Fassbinder zu wählen. Dann sollte man sich lieber mir anschließen und wir machen eine eigene kleine Stadt auf, ein Stück nördlich von Greifswald. Falls ich die Wahl nicht gewinnen sollte, habe ich geplant, einen Teil des Stadtgebiets zu fordern, der meinem prozentualen Stimmenanteil entspricht, um dort meine Anhänger zu regieren.
Und wenn es Ärger gibt, wird der Putin angerufen.
Ja. Ich denke, wir treten dann auch in die GUS ein oder was es da so gibt — das passt schon!
(Foto: Björn Wieland, Facebook)
„Ich habe Demokratie verstanden, warum sollte ich zusehen?“
„Mal ernsthaft: Du magst es für Humor halten und kandidierst, weil Du es lustig findest. Wenn Du mal eine Minute darüber nachdenkst, dann könntest Du vielleicht erkennen, dass diese Spaßgeschichten im Grunde demokratische Abläufe und Wahlen verächtlich machen“. Wer hält hier wem den Spiegel vor?
Das ist von Facebook, oder?
Ja.
Ich fand es schön, das hatte noch gefehlt bei diesen Kommentaren: der moralische Aspekt! Der ist mir aber relativ egal. Ich finde nicht, dass ich irgendetwas demokratisch Verwerfliches mache, im Gegenteil: Ich habe Demokratie wirklich verstanden! Warum sollte ich denn zulassen, dass es hier bei der Oberbürgermeisterwahl nur zwei Kandidaten gibt? Ich hätte mich gefreut, wenn es Hunderte geben würde und nicht nur zwei Leute, die politikerfahren sind und bei der Stadt gearbeitet haben. Das mag in der Verwaltung oder der Bürgerschaft sehr viel mehr wert sein, aber als Oberbürgermeister sollten nicht die verwaltungstechnischen Fähigkeiten im Vordergrund stehen.
Ist Satire ein probates Mittel, um sich in der Politik Gehör zu verschaffen oder sogar selbst den Politikbetrieb mitbestimmen zu können?
Ich würde mich darüber freuen, wenn ich durch meine Art, Politik zu machen, bestimmen dürfte. Es wäre schön, wenn viel mehr Leute das als adäquates Mittel ansehen würden. Was sich viele nicht vorstellen können: Ich arbeite – wie heute im Mensaausschuss, wo ich als Vorsitzender sitze – normal mit Leuten zusammen. Da mache ich nicht die ganze Zeit Spaß, bin zwar vielleicht etwas lockerer als manch anderer Mensch, aber fordere da jetzt nicht die ganze Zeit nur Quark. Das Propagandistische, das ist vor allem für die Wahlen, um sich Gehör zu verschaffen.
„Wir brauchen Visionen!“
Was können andere Kommunalpolitiker, was kann die Kommunalpolitik generell von Björn Wieland lernen?
Die Stadt als Größtes der Welt anzusehen, wirklich zu sagen: „Greifswald ist so toll und wir haben die beste Stadt, aber wir müssen noch mehr rausholen. Wir müssen Weltstadt werden!“ Warum kann man sich das nicht als Ziel setzen? Das können wir uns doch vornehmen und dann treffen wir uns, wenn wir Glück haben, vielleicht irgendwo in der Mitte, sind aber wenigstens bekannt. Ein bisschen mehr fordern und nicht einfach nur – so wie es vermutlich weitergehen würde, wenn die CDU an der Macht bliebe – sagen, dass alles gut sei und es kleckerweise ein bisschen besser würde, man aber keine wirklich großen Sprünge mehr macht. Nein, wir brauchen neue Visionen und einen frischen Wind – das können viele lernen!
Wieso haben Sie sich am Internationalen Frauentag nicht als engagierter Wahlkämpfer gezeigt?
Ich fand es wirklich nicht wichtig, dieses Datum als Wahlkampfauftakt zu sehen und schön in die Presse zu kommen – beide Konkurrenten waren mit ihren Aktionen ja ganz groß im Lokalteil zu sehen. Mich da zu positionieren und zu sagen: „Frauen, guckt mal, wie toll ich mich für euch an eurem Tag engagiere!“, das brauche ich nicht und das haben wir deswegen auch nicht karikiert.
Wie sind Ihnen ihre beiden Konkurrenten bislang begegnet?
Wirklich sehr offen und kollegial. Sie lassen nach außen hin nicht deuten, dass sie mich nicht ernst nehmen. Ich weiß ja nicht, was bei Herrn Hochheim im Hintergrund vorgeht, ob er sich lustig macht und fragt: „Was will der?“, aber zumindest bei den öffentlichen Auftritten akzeptieren sie mich als normalen Konkurrenten.
Welche Bedeutung hat der Tierpark für die Greifswalder Kommunalpolitik?
Bei mir eine große, denn ich stehe auf Tierparks und Zoos. Ich finde, dass das einfach eine wunderschöne Sache ist, die wir hier haben. Da passiert wirklich viel und seit ein paar Jahren wird alles neu gemacht. Das ist wirklich toll und auch ein Aushängeschild für die Stadt, wie in Leipzig – ok, das ist eine viel größere Stadt mit einem überregional bekannten Zoo. Ich will jetzt nicht sagen, dass wir irgendwann mal einen Zoo mit Leipziger Verhältnissen hier haben sollen, aber für unsere Größe ist da auf jeden Fall auch noch mehr drin. Das ist ein Thema, mit dem man gut werben kann — Leute stehen auf Tierparks, vor allem dann, wenn darin kleine süße Babys geboten werden. Der von mir vorgeschlagene Wildlife-Park würde außerdem den Caspar-David-Friedrich-Blick nicht so versauen wie die diskutierten Windräder.
„Ich verstelle mich nicht“
Wo verlaufen bei Ihnen die persönlichen Grenzen von Satire?
Ich habe bei den Podiumsdiskussionen zum Thema Flüchtlingspolitik in Greifswald keine sehr lustigen Antworten abgegeben. Das ist ja gerade wieder hochaktuell und eine Sache, über die man einfach keine Späße macht.
In der Homestory der Ostsee-Zeitung überraschten Sie die verantwortliche Redakteurin, mit der Sie sich schon im Vorfeld bei einer Podiumsdiskussion angefreundet haben, mit der Ordnung in Ihrem Zuhause und verwiesen auf den positiven Einfluss Ihrer Mutter. Was sagen eigentlich Ihre Eltern dazu, dass Sie jetzt zuerst Bürgermeister und dann Lehrer werden?
Sie waren anfänglich nicht so begeistert, weniger von der Sache mit dem Oberbürgermeister, sondern vielmehr von der allgemeinen Tätigkeit bei der PARTEI. Nachdem ich ihnen genau erklärt habe, was ich seit einigen Jahren so mache, sind sie dafür Feuer und Flamme. Meine Mutter hat mir heute erst geschrieben, dass sie das toll fände und ich weitermachen solle. Vor der Homestory der Ostsee-Zeitung habe ich natürlich auch ein paar Stunden aufgeräumt.
Diese Flanke wollten Sie nicht freimachen?
Richtig, damit sie nicht sehen: typisch Student und alles drunter und drüber. Ich habe wirklich ein bisschen aufgeräumt, denn wer lässt schon gern Leute in eine unaufgeräumte Wohnung? Jetzt fängt es schon wieder an, unordentlich zu werden, man kann es einfach nicht verhindern.
Erfordert es ein hohes Maß an Selbstdisziplin, sich immer wieder in diese Rolle zu begeben und das durchzuziehen? Im Gegensatz zu Ihrem Unterstützerinnenteam können Sie ja nicht weg.
Ich fühle mich gar nicht in so einer Rolle, wie es viele immer denken. Wenn jetzt Bürger auf mich zukommen, finde ich manchmal nicht doof, was ich antworte, auch wenn das erst mal abwegig oder satirisch ist.
(Björn Wieland im OB-Wahlkampf, 2015)
Gelingt es Ihnen denn auszusteigen? Oder anders formuliert: Wie viel Björn Wieland hat inzwischen von Ihnen Besitz ergriffen?
So sehr verstelle ich mich wirklich nicht.
Dann treten Sie auch privat eher visionär auf?
Ich war schon immer ein extrovertierter und vielleicht auch lustiger Mensch, daher sagt mir das alles sehr zu. Die CDU wäre nicht so meine Partei, glaube ich. Das ist ja gerade das Schöne an der Partei Die PARTEI, dass ich da machen kann, was ich will. Da kriegt man von oben keinen Deckel drauf, Wahnsinn!
„Das Monopol aufs Grillen hat die CDU auf jeden Fall nicht!“
Herr Hochheim hat seine Bratwürste, Herr Fassbinder hat sein Radl – was hat Björn Wieland?
Das ist eine gute Frage. Ich habe die PARTEI, ich habe Ideen, ich habe lustige Photoshop-Sachen bei Facebook, aber Bratwürste an sich haben wir auch. Wir müssten eigentlich noch Herrn Hochheim zum Barbecue-Battle herausfordern, denn wir PARTEI-Leute sind sehr gute Griller und haben sogar einen Grillsaucenbeauftragten, der wirklich unzählige Grillsaucen, aus denen wir dann immer schöpfen, zuhause hat. Das Monopol aufs Grillen hat die CDU auf jeden Fall nicht!
Letzte Frage: Wann haben Sie das erste Mal bereut, bei dieser Wahl kandidiert zu haben?
Gar nicht. Warum sollte ich das denn bereuen? Ich habe wirklich wenig ernstgemeintes negatives Feedback bekommen. Ich habe auch nichts zu befürchten — falls es nichts wird, habe ich ja noch einen Plan B. Es geht ja hier auch nicht um Leben und Tod, wie vielleicht bei Herrn Hochheim, denn ich weiß ja nicht, was passiert, wenn er nicht Oberbürgermeister wird (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch, Björn Wieland!
Am 26. April wird in Greifswald ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Wer soll neuer OB werden?
- Stefan Fassbinder (Die Grünen) (45%, 291 Votes)
- Björn Wieland (Die Partei) (35%, 225 Votes)
- Jörg Hochheim (CDU) (21%, 136 Votes)
Total Voters: 652
Björn Wieland im Netz:
(alle Fotos, wenn nicht anders gekennzeichnet: Fleischervorstadt-Blog)
Ein feiner Kerl!
„Die Partei, die Partei, die hat immer Recht“ – wäre das nicht der passende Wahlkampfsong gewesen? hat doch eine Menge satierischer Elemente! ist mir leider erst heute eingefallen! https://www.youtube.com/watch?v=865Sn8JrMvY