Fünfzehn Stimmen Vorsprung für Stefan Fassbinder — knapper hätte das Ergebnis der Greifswalder Oberbürgermeisterwahl kaum ausgehen können! Greifswald kriegt einen grünen Oberbürgermeister und macht den ersten Schritt zum Freiburg des Nordens.
Mit einer hauchdünnen Mehrheit von nur fünfzehn (!) Stimmen hat Stefan Fassbinder, der als gemeinsamer Kandidat von Grünen, Linken, SPD und Piratenpartei gegen Jörg Hochheim (CDU) ins Rennen um die Wahl des neuen Oberbürgermeisters gegangen ist, die Wahl für sich entschieden. Bei der Stichwahl gegen den Baudezernenten erreichte der Historiker ein vorläufiges Ergebnis von 50,05 Prozent.
Jubel auf der Wahlparty von Stefan Fassbinder (Foto: Fleischervorstadt-Blog)
Die Stimmenauszählung glich einem Krimi, der kurz vor knapp, als nach 42 ausgezählten Wahlbezirken plötzlich Jörg Hochheim in Führung lag, seinen Klimax erreichte. Als das vorläufige Endergebnis über die Leinwand flimmerte, gab es in der Brasserie Hermann kein Halten mehr — der Wahlkampf hat sich gelohnt, die CDU ist abgewählt!
Die Wahlbeteiligung war mit 35,27 Prozent ähnlich schwach wie im ersten Wahlgang, so dass Stefan Fassbinder 8170 Stimmen reichten, um neuer Oberbürgermeister in Greifswald zu werden. 17,53 Prozent der Wahlberechtigten gaben dem Grünen ihre Stimme.
Im Friedrich, wo die CDU ihre Wahlparty feierte, dürfte die Stimmung indes gedrückt gewesen sein. Man hatte viel Geld in den christkonservativen Wahlkampf investiert — gerüchteweise sollen es mehr als 70.000 Euro gewesen sein. Mit Hochheim hatte man einen der moderatesten Vertreter der Partei aufgestellt, der durch seine Position in der Stadtverwaltung auch noch einen klaren Kompetenzvorteil mitbrachte. Dass das heute nicht ausreichte, dürfte nicht nur die Greifswalder CDU überrascht haben.
Wahlsieger Stefan Fassbinder wirkte von seinem Ergebnis etwas überrumpelt. Nachdem das vorläufige Ergebnis feststand, kletterte Greifswalds neuer Oberbürgermeister auf einen Stuhl, teilte den Anwesenden die Nummer seines Deckels mit und entschwand zu einem kurzfristig anberaumten Interview mit dem NDR. Die Nacht wird kurz, Greifswald ist auf dem Weg.
yeah!
Danke Greifswald, danke Wieland! 🙂
Dann sollen sich die beiden den Job doch teilen… jeder macht 30 Wochenstunden… Dann kann der Hochheim auch öfter mit seiner Familie grillen…
Außerdem scheint das der Wählerwille zu sein…
Also das Grillen, sonst wären ja mehr Leute zur Wahl gegangen… 2/3 Mehrheit für zu Hause bleiben; ich glaube hier kann der Fassbinder machen was er will, es wird sich keine Mehrheit gegen ihn richten.
Eigentlich eine gute Idee.
Wieland ist der Mann der Stunde! Er zwang die CDU in die Stichwahl.
Ich freue mich für Hr. Fassbinder. Er wird es jedoch nicht leicht haben auf seinem neuen Posten. Er ist nun zwar der Chef der Verwaltung, die Bretter die er jedoch bohren muss sind dick.
Baudezernent – CDU
Haupt- und Personalamt – CDU
Amt für Finanzen – CDU
Immobilienverwaltungsamt – CDU
Tiefbauamt – CDU
und viele Posten und Pöstchen mehr…
Fraglich ist also, inwieweit die Verwaltung pflichtgemäß ihren Dienst erfüllen wird oder ob sie versuchen werden Fassbinder an die Leine zu nehmen und vorzuführen/abzusägen?
war in berlin in den 90ern ähnlich. aktuell sieht man das nach senatorenwechseln in den einzelnen ressorts. hgw hat noch einen langen weg vor sich – aber der erste schritt ist gemacht! einen ehrlichen und herzlichen glückwunsch!
future has just begun.
Mein Gott, wie lange hat man als Bürger dieser Stadt auf den Wandel gewartet. Ich kann die alten Herren mit Ihrem selbstgefälligen Lächeln nicht mehr sehen. Danke Herr Wieland für den Witz der alles andere relativiert hat und der den Wandel möglich machte, Danke Herr Fassbinder das Du es gewagt hast. Die Stadt ist schön, auch Dank der CDU, aber sie sollte grüner und sozialer werden. Ich wünsche alles Gute beim aufräumen und entfilzen.
boah, ja, so jetzt mit nem spdgrünen kompromissbürgermeister wird sich bestimmt alles ändern. ich komm in nem halben jahr mal wieder vorbei und klau ein bisschen was von eurem neuen goldenen straßenpflaster.
btw: als ich letztens da war, war ich sehr irritiert: die zwei kandidaten, die nicht von der partei waren, sehen fast komplett gleich aus (bis auf das hemd).
sicher, dass nich in wirklichkeit bloß ein kandidat in zwei rollen zur wahl stand?
Mit diesem Ergebnis haben sich ja wohl BEIDE nicht gerade mit Ruhm bekleckert… Egal wer nun 15 Stimmen Mehrheit gehabt hätte, die HÄLFTE der Wahlbeteiligten lehnt den jeweils anderen Kandidaten komplett ab. Ein schmeichelhaftes Votum für einen OBERBÜRGERMEISTER und das auch noch für 7 Jahre!
Die Wahlbeteiligung in Greifswald ist ohnehin absolut beschämend!!
Vor allem die Innenstadt hat nun also den Fassbinder gewählt, Greifswald besteht aber nicht nur aus dieser „Straze“- und „Brinke“ -Fraktion. Da muss schon bisschen mehr kommen von Fassbinder…
Nicht mal sein Heimwahllokal in Wieck konnte Fassbinder gewinnen. Sicherlich knapp, aber doch bezeichnend, wenn seine Nachbarn ihn schon nicht als OB sehen wollen…
„die HÄLFTE der Wahlbeteiligten lehnt den jeweils anderen Kandidaten komplett ab“
das aus dem Ergebnis, wo man sich nun mal mit einer Stimme zwischen zwei Kandidaten entscheiden muss herauszulesen ist unsinnig. Für derartige Schlüsse hätte die Wahl per Zustimmungswahl (eine Stimme für jeden Kandidaten, die man vergeben oder eben nicht vergeben kann) stattfinden müssen. Ich glaube eher, dass viele Menschen mit beiden Kandidaten gut leben können, was die geringe Wahlbeteiligung eben auch erklären kann.
„Die Wahlbeteiligung in Greifswald ist ohnehin absolut beschämend!!“
Das ist ja nun ein schon seit Jahren anhaltender Trend und von der drölftausendsten Feststellung ändert sich daran auch nichts. Klar, hat „die Politik“ viel falsch gemacht, aber dass die Leute sich einfach nicht interessieren kann man nun nicht ausgerechnet der Greifswalder Politikszene in die Schuhe schieben und schon gar nicht den beiden Kandidaten. Mein Verständnis für Desinteressierte ist mittlerweile nahezu aufgebraucht. Es geht mir auf den Keks, dass alle immer nur noch „da abgeholt werden müssen, wo sie gerade stehen“. Klar sollen sich Politiker mal darum bemühen Interesse zu Wecken und auch diejenigen anzusprechen, die resigniert haben, faul sind oder vielleicht einfach überfordert, aber die Verantwortung liegt eben auch beim einzelnen Bürger.
„Vor allem die Innenstadt hat nun also den Fassbinder gewählt, Greifswald besteht aber nicht nur aus dieser „Straze“- und „Brinke“ -Fraktion. Da muss schon bisschen mehr kommen von Fassbinder…Nicht mal sein Heimwahllokal in Wieck konnte Fassbinder gewinnen. Sicherlich knapp, aber doch bezeichnend, wenn seine Nachbarn ihn schon nicht als OB sehen wollen…“
Das ist eine beschämend oberflächliche Analyse. Für die Ergebnisse in den einzelnen Wahlbezirken spielen viele Faktoren eine Rolle, Einkommen und Alter seien da nur als Beispiele genannt. Fassbinder hat aber als Kandidat „Eine Stadt für alle“ versprochen und das schließt selbstverständlich auch Gebiete jenseits der Innenstadt und der Fleischervorstadt mit ein. Die Wähler müssen ihm das nicht glauben und dann ist es auch ok, wenn sie ihn in den entsprechenden Stadtteilen nicht wählen, aber er hat doch jetzt Zeit sich zu beweisen und diese Menschen davon zu überzeugen, dass ihre Stadtteile gleichberechtigt behandelt werden.
Vielleicht überlegt die CDU mal, woran es liegen könnte, dass man es einfach nicht mehr schafft, die Bürger für sich gewinnen. Auf der CDU-Seite konnte man wochenlang lang zwar nix zum eigenen Kandidaten erfahren- dafür wurde kübelweise Dreck über den Konkurenten ausgekippt. Das ließ nur den Schluss zu- der Kandidat der CDU hat außer den Homestory-Inhalten in der Lokalpresse keine neuen Ideen zu bieten.
Herr Fassbinder mag nicht der große Wurf sein. Aber er ist immer noch besser als jemand aus einer Partei, die auch schon mal mit der AfD anbandelt um genug Stimmen gegen die SPD und Co. zu haben wenn es um die Durchsetzung der eigenen Interessen geht. Und das die eigenen Interessen nicht die Interessen des kleinen Mannes sind… „Jedem nach seiner Fasson“ – jeder soll seinen Lebensstil auch in seinem Wohnumfeld umsetzen können.“ Das ist ein Schlag ins Gesicht derer, die nicht am Reichtum unseres Staates teilhaben können. Und da gibt es in unserer Stadt nicht wenige.
Was ist daran so neu?
Es ist mehr die Vollendung der engen, brüderlichen Zusammenarbeit von Schwarz-Grün aus den 90gern des vergangenen Jahrhunderts in Politik und Verwaltung. Ich denke da wird nun auch eine harmonische Aufteilung der Pfründe in der Verwaltung möglich sein.
Neu ist nur der Offenbarungseid der LINKEN.
Was soll die LINKE denn machen, wenn keiner nachkommt? Kasbohm ist ein schlauer Mann, den würde aber niemand zum OB wählen. Schwenke sitzt in Schwerin im Landtag. Danach herrscht Leere…
Erschwerend hinzu kommt, das sich doch kaum noch einer traut in der Öffentlichkeit mal ernsthaft linke Positionen zu beziehen und auch zu vertreten. Denn dazu bedarf es einer nicht sofort angreifbaren Position. Ich möchte den sehen, der es als Angestellter bei einem privatwirtschafltich geführten Unternehmen wagt, sich in die erste Reihe linker Politik zu stellen.
Beantworten Sie sich doch einfach mal folgende Frage: Warum ist die Bürgerschaft nicht wirklich repräsentativ? Sie finden dort vor allem zwei Typen von Menschen:
1.) Freiberufler (Ärzte/Rechtsanwälte usw.) und Unternehmer
2.) Angestellte, die im engen und weiteren Sinne im öffentlichen Dienst tätig sind und Studenten, also Arbeitnehmer, die einen gewissen Schutz geniessen oder wenig angreifbare Studenten.
Angestellte, die in der Privatwirtschaft tätig sind – nahe 0.
Hat das vielleicht was mit Macht- und Herrschaftsstrukturen zu tun, denen diese Menschen tagtäglich ausgsetzt sind? Linke Politik zu betreiben, bedeutet inhaltlich ja, die offene Opposition zum Gros der Arbeitgeber zu spielen.