Vor zwei Wochen wurde das traditionelle Sommerhoffest im Haus für Kultur und Bildung (HKB) in der Stralsunder Straße von einem massiven Polizeieinsatz gesprengt, aber nicht aufgelöst. Im Nachgang wurde den Veranstaltern vorgeworfen, dass wegen dieser Polizeiaktion andere Einsätze nicht stattfinden konnten. Diese Aussage stellt sich jetzt als haltlos heraus.
Die Pressemitteilung der Polizei zum mehrstündigen Einsatz beim HKB-Hoffest in der Stralsunder Straße in der Nacht vom 11. Juli zum 12. Juli 2015 schloss mit einer schuldzuweisenden Aussage, die — unhinterfragt wiedergegeben — den Feiernden die Verantwortung dafür zuschiebt, dass aufgrund der Polizeipräsenz bei dieser Veranstaltung andernorts nicht für Recht und Ordnung gesorgt werden konnte: „Auf Grund dieses Einsatzes kam es dazu, dass andere polizeiliche Einsätze nicht oder nicht zeitnah realisiert werden konnten.“ Aber um welche Einsätze handelte es sich dabei konkret?
Am 13. Juli wurde auf Grundlage des Landesinformationsfreiheitsgesetzes bzw. des Landesumweltinformationsgesetzes nach einer Liste mit ebensolchen Einsätzen gefragt, die in dieser Nacht „nicht oder nicht zeitnah“ ausgeführt werden konnten. Zwölf Tage später wurde die Anfrage tatsächlich durch den Sachbereich Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Neubrandenburg beantwortet. In der Antwort wird kurz erläutert, dass die Einsatzleitstelle im Polizeipräsidium Neubrandenburg für die permanente Beurteilung der Einsatzlage im gesamten Zuständigkeitsbereich verantwortlich ist. Ergeben sich im Rahmen dieser Beurteilung einsatztaktische Schwerpunkte mit einem erhöhten Kräftebedarf, wird in der Einsatzleitstelle eine Entscheidung zum Kräfteeinsatz mit dem Ziel getroffen, den polizeilichen Kräftebedarf am jeweiligen Schwerpunkt bestmöglich zu bedienen. In diesem Zusammenhang sei es zwingend erforderlich, die Abarbeitung der Einsätze priorisiert vorzunehmen.
Bezugnehmend auf den fraglichen Einsatz beim HKB in Greifswald, an dem seitens der Veranstalter unter anderem die Zahl der eingesetzten Polizisten und deren eskalierendes und teilweise gewaltsames Vorgehen sowie die Anwesenheit der Sondereinheit „Mobile Aufklärung Extremismus“ (MAEX) kritisiert wurde, heißt es dabei: „Im Zeitraum der Veranstaltung in Greifswald am 11.07.2015 ist es nicht dazu gekommen, dass Einsätze deren Gefahrenprognose ein sofortiges polizeiliches Handeln erfordern, nicht auch umgehend bedient wurden. Wurde die Sachlage so bewertet, dass eine unmittelbare Gefahr nicht besteht, erfolgte die Abarbeitung erst verzögert bei entsprechender Verfügbarkeit von Kräften. Daraus resultierend hat es sich ergeben, dass Einsätze aufgrund des wegfallenden Anlasses (z. B. Hinweisgeber meldet sich erneut und teilt mit, dass mittlerweile Ruhe eingekehrt ist) nicht mehr wahrgenommen werden mussten.“ Es gab also keine Einsätze, deren Gefahren ein sofortiges Handeln erfordert hätten, die aufgrund der Kräftekonzentration in der Stralsunder Straße nicht auch umgehend bedient wurden. Warum aber taucht angesichts dieser Einsatzlage eine derart vorwurfsvolle und irreführende Formulierung in der Pressemitteilung zum Einsatz auf?
Für die Nachfrage auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes wurde die Plattform Frag den Staat verwendet. Dahinter verbirgt sich ein gemeinnütziges Projekt der Open Knowledge Foundation Deutschland, die sich für offenes Wissen, offene Daten, Transparenz und Partizipation einsetzt. Mit Frag den Staat können auch Laien ohne große Vorkenntnisse Anfragen an Behörden formulieren.
Mehr zu diesem Thema:
- Polizeieinsatz zur Beseitigung einer Ruhestörung in Greifswald (PM Polizei, 12.07.2015)
- Unverhältnismäßiger und bedrohlicher Polizeieinsatz gegen friedliches Sommerfest (Gegendarstellung HKB, 13.07.2015)
- Polizeieinsatz vom 11./12.7. in Greifswald (Frag den Staat)
Tja, das war ja irgendwie zu erwarten.
Aber hat das irgendwelche Konsequenzen? Dass da Köpfe bei der Polizei oder ihrer Presseabteilung für rollen, wird ja wohl kaum der Fall sein.
Ich bitte dich, wo denkst du hin?
Unverbesserlicher Gutmensch ich?
Wäre die Eingangsfrage deines ersten Kommentares nicht rhetorischer Art, wäre sie sehr viel naiver als deine anderen übrigen Kommentare hier. Du liegst absolut richtig 🙂
Frage: Hätte irgendjemand mitbekommen, dass in der OZ eine faktische Richtigstellung erfolgt ist?
Ich kann mich nicht an eine Richtigstellung erinnern, dieses Format findet man in der OZ ohnehin relativ selten bis nie, sondern höchstens einen relativierenden Leserbrief.
Hallo,
es ist auch keine Richtigstellung im eigentlichen Sinne nötig, weil die OZ nicht falsch berichtet hat. Sie hat ja nur den Polizeibericht zitiert. Erschwerend kommt sicherlich hinzu, dass die OZ Autorin des Artikels CM war. Ich habe meine Zweifel, dass sie offen dafür ist ihren Artikel noch mal aufzugreifen.
Ich werde trotzdem mal gucken, ob man irgendwas tun kann.