Wahlprüfungsausschuss schlägt Bürgerschaft vor, Einsprüche gegen OB-Wahl zurückzuweisen

Wer wird neuer Oberbürgermeister in Greifswald? Gestern tagte der Wahlprüfungsausschuss in nichtöffentlicher Sitzung und entschied sich mehrheitlich für eine Zurückweisung der Einsprüche.

Eigentlich hätte Greifswald inzwischen einen neuen Bürgermeister haben müssen, doch seit der Stichwahl, die der Gemeinschaftskandidat Stefan Fassbinder (Die Grünen) am 10. Mai mit nur 15 Stimmen Vorsprung gegenüber seinem Konkurrenten, dem Baudezernenten Jörg Hochheim (CDU), für sich entscheiden könnte, hat sich wenig getan. Ein einberufener Wahlprüfungsausschuss beschäftigte sich in den vergangenen Wochen mit den drei Einsprüchen gegen das Wahlergebnis und kam gestern in nichtöffentlicher Sitzung zu einem abschließenden Ergebnis.

Einspruch Oberbürgermeisterwahl Greifswald

(Montage: Fleischervorstadt-Blog, Foto: Michael Sander, Zeichnung: Nathan Kane)

Einstimmig stellten die Mitglieder des Ausschusses fest, dass es im betroffenen Wahlbüro zu einem Wahlfehler gekommen ist, „weil die als solche gekennzeichnete Eingangstür zum Wahllokal etwa 90 Minuten verschlossen war.“ Kein Konsens dagegen bestand in der Frage, welche Empfehlung im Umgang mit den Einsprüchen nun der Bürgerschaft gegeben werden soll, so dass der Wahlfehler nun nur mehrheitlich „für nicht erheblich“ befunden wurde.

Der Wahlprüfungsausschuss schlägt der Bürgerschaft deswegen vor, die Einsprüche gegen die Gültigkeit der Wahl zurückzuweisen. Prof. Wolfgang Joecks (SPD), Vorsitzender des Wahlprüfungsausschusses, teilte heute dazu in einer Pressemitteilung abschließend mit: „Sollte die Bürgerschaft dies anders sehen und den Einsprüchen stattgeben, ist zugleich anzuordnen, in welchem Umfang die Stichwahl zu wiederholen ist. Da es hierzu unterschiedliche Meinungen im Ausschuss gibt, hat der Ausschuss die Verwaltung der Universitäts- und Hansestadt gebeten, insofern an das als Rechtsaufsicht fungierende Innenministerium heranzutreten, um dessen Rechtsauffassung zu erfragen.“

„Spätestens mit dieser tiefgründigen staatsrechtlichen Argumentation sind die von Wolfgang Joecks entwickelten Überlegungen in sich zusammengefallen.“ (Sascha Ott, CDU)

sascha ott greifswald cdu Die letzte Entscheidung über den Umgang mit den drei Einsprüchen trifft ohnehin nicht der Wahlprüfungsausschuss, sondern die Greifswalder Bürgerschaft auf ihrer Sitzung am 28.09.2015. Aus den Reihen der CDU wurde nach Eingang der drei Einsprüche kolportiert, dass man notfalls auch den Gang vor das Verwaltungsgericht auf sich nehmen würde, um das Bürgermeisteramt in christdemokratischer Hand zu halten.

Wenige Tage vor der letzten Sitzung des Wahlprüfungsausschusses ging Dr. Sascha Ott (CDU) noch einmal in die Offensive und behauptete, dass Wolfgang Joecks den Wahlprüfungsausschuss „in eine Sackgasse manövriert“ habe. Im gleichen Atemzug präsentierte der Jurist ein Gutachten des Staatsrechtlers Prof. Heinrich Lang, der sich wenig überraschend für eine Wiederholung der Wahl ausspricht.

Man darf gespannt sein, ob die CDU nach der wochenlangen Hängepartie und den daraus erwachsenden Frustrationen immer noch daran festhalten will, sich den Stempel des schlechten Verlierers anzuheften und Greifswalds kommunalpolitische Arbeitsfähigkeit zu blockieren.

12 Gedanken zu „Wahlprüfungsausschuss schlägt Bürgerschaft vor, Einsprüche gegen OB-Wahl zurückzuweisen

  1. „Man darf gespannt sein, ob die CDU nach der wochenlangen Hängepartie und den daraus erwachsenden Frustrationen immer noch daran festhalten will, sich den Stempel des schlechten Verlierers anzuheften und Greifswalds kommunalpolitische Arbeitsfähigkeit zu blockieren. “

    Ich behaupte mal: Wenn man darauf gespannt sein darf, darf man auch gespannt sein, ob die Bundeskanzlerin irgendwann zu Potte kommt. Auch die Greifswalder CDU hat Sitzfleisch. Und Greifswald wird durch diese Hängepartie ja nicht gleich so blockiert, dass es kommunalpolitisch arbeitsunfähig wird.

    Dass von Herrn Kords skizzierte Szenario dürfte wohl unlängst das neue CDU-Wahlprogramm sein:

    „Fassbinder muss vorerst abwarten. CDU-Amtsvorgänger König, der eigentlich schon pensioniert werden sollte, bleibt zunächst im Amt. Längstens bis Januar 2016, so regelt es das Gesetz. Danach müsste die Bürgerschaft einen Interims-Oberbürgermeister wählen. Der hieße wahrscheinlich, der aktuellen Mehrheitsverhältnisse wegen: Jörg Hochheim. Für einen zweiten Wahlkampf wäre das natürlich eine komfortable Ausgangslage“
    [ zeit.de]

    Aber gespannt sein darf man, ob der Plan – nur ein Wahlbezirk wählt den Bürgermeister – glücken wird. Dass wäre dann nämlich der berühmte Faustschlag in die Trickkiste, der das demokratische Grundverständnis eines Jeden aushebeln dürfte. Über den Stempel des schlechten Verlierers macht sich die CDU bestimmt schon längst keine Gedanken mehr, da der nach ein paar Monaten im Amt ja verblasst sein dürfte.

    Wenn sich die CDU aber über eines Gedanken machen muss – dann über ihre Haltung gegenüber die Bürger/innen ihrer Stadt. Dass jedes Mittel recht ist und zu Recht gemacht wird, nur um die Universitäts- und Hansestadt Greifswald zu regieren – ohne Rücksicht auf deren Reputation – das ist skrupel- und verantwortungslos.

    Man steuert da auf etwas zu, was Greifswald nicht nur regional der öffentlichen Lächerlichkeit preisgeben wird. Und dieses Schamgefühl dürfte bei Greifswalder Bürger/innen nicht verblassen, sondern sich einbrennen. Spätestens beim nächsten Urlaubs-Small-Talk hieße es nämlich wieder: „Ach – Sie sind aus Greifswald? Das ist doch diese Stadt mit der Fußabtreter-Demokratie, das kam doch mal im Fernsehen, und sogar Museumsstück ist das Teil bei Ihnen [etc.].“

    – FIN –

  2. Und schon sind es „ungefähr/mindestens“ 90 Minuten. In der ersten Runde dieser Diskussion war doch noch die Rede davon, dass die Tür nur eine halbe Stunde geschlossen war.

    Immerhin ist der Sachverhalt jetzt klarer geworden.

  3. Laut Sudelaxel, dem Leuchtturmwärter von Greifswald, hat wohl schon eine „eine Wiederholungswahl – begrenzt auf diesen Wahlbezirk 093 …“ stattgefunden. Er faselt auf der CDU-Homepage:
    „Und gerade für dieses Wahllokal haben sich Dr. Fassbinder und andere grüne Bürgerschaftsmitglieder als „freiwillige Wahlhelfer“ gemeldet und wurden dort tatsächlich auch eingesetzt.“
    Da ist es auch folgerichtig, dass er Fassbinder und allen Anderen Unredlichkeit unterstellt.
    http://www.cdu-greifswald.de/index.php?ka=1&ska=1&idn=380

  4. Dank CDU wissen wir ja nun jetzt wie in Zukunft mit Wahlen zu verfahren ist. Man nehme einfach den Türstopper seines Wahllokals raus, wüte kurz vor dem Wahllokal, renne dann weg und warte auf das Wahlergebnis. Wenn dieses nicht gefallen sollte, kann man Einspruch einlegen und mit einer Klage drohen. Chapeau!

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