Ob „Willkommensklatscher“, „Refugees-Welcome-Rufer“ oder „Asylhelfer“, für Menschen, die in Anbetracht der seit Monaten andauernden Krise den ersten Artikel des Grundgesetzes hochhielten, konnte man zuletzt viele Synonyme in den sozialen Netzwerken lesen. Das wohl populärste, nämlich „Gutmensch“, wurde nun zum „Unwort des Jahres 2015“ gekürt.
Die Frage, wie es um eine Gesellschaft bestellt ist, in der die hilfsbereitesten Mitglieder als „Gutmenschen“ diffamiert werden, wurde häufig genug gestellt und wird fast jeden Tag aufs Neue von schlechten Nachrichten beantwortet. Das negative Potential dieses Ausdrucks wird seit heute von der sprachkritischen „Unwort des Jahres“-Aktion festgehalten, die den prominenten Begriff zum Unwort des Jahres 2015 ernannte.
In der Begründung erklärt die Jury unter anderem: „Als ‚Gutmenschen‘ wurden 2015 insbesondere auch diejenigen beschimpft, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen. Mit dem Vorwurf ‚Gutmensch‘ […] werden Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert. Der Ausdruck ‚Gutmensch‘ floriert dabei nicht mehr nur im rechtspopulistischen Lager als Kampfbegriff, sondern wird auch von Journalisten in Leitmedien als Pauschalkritik an einem ‚Konformismus des Guten‘ benutzt.“
#Gutmensch ist Unwort des Jahres. Gut so, denn wer Menschen für das Ausleben unserer Werte beleidigt, hat was gehörig falsch verstanden.
— Dr. Karamba Diaby (@KarambaDiaby) January 12, 2016
Wie gewohnt rügt die Jury auch noch zwei weitere Formulierungen, die das vergangene Jahr sprachlich mitprägten: „Hausaufgaben“ und „Verschwulung“. Von den zu erledigenden oder nicht erledigten „Hausaufgaben“ wurde und wird die Griechenland-Krise dauerhaft begleitet. In diesem Kontext degradiere das sich zu einem „Konsensausdruck“ von Politikerinnen und Journalisten entwickelte Wort souveräne Staaten und ihre demokratisch gewählte Regierungen zu unmündigen Schulkindern: „Ein Europa, in dem ‚Lehrer‘ ‚Hausaufgaben‘ verteilen und die ‚Schüler‘ zurechtweisen, die diese nicht ‚erledigen‘, entspringt einer Schule der Arroganz und nicht der Gemeinschaft. Das Wort ist deshalb als gegen die Prinzipien eines demokratischen Zusammenlebens in Europa verstoßend zu kritisieren.“
Bei der Kritik am Wort „Verschwulung“, dessen Popularität sich vordergründig einem Buchtitel des rechten Verbalhooligans und Autors Akif Pirinçci (Die große Verschwulung) verdankt, schloss sich die Jury der Online-Zeitschrift MÄNNER und ihren Lesern an, die den Begriff zum „Schwulen Unwort 2015“ ernannten. Ein solcher Ausdruck und die damit von Pirinçci gemeinte „Verweichlichung der Männer“ und „trotzige und marktschreierische Vergottung der Sexualität“ stelle eine explizite Diffamierung Homosexueller dar. Der Begriff sei weiterhin durch die Analogie zu faschistischen Ausdrücken wie „Verjudung“ kritikwürdig.
Zur Unwort-des-Jahres-Jury gehören die vier Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Nina Janich (TU Darmstadt), Prof. Dr. Jürgen Schiewe (Universität Greifswald), PD Dr. Kersten Sven Roth (früher ebenfalls Uni Greifswald, inzwischen Universität Potsdam), Prof. Dr. Martin Wengeler (Universität Trier) sowie der sowie der Autor und freie Journalist Stephan Hebel. Der Platz des jährlich wechselnden Jurymitglieds wurde in diesem Jahr vom Kabarettisten Georg Schramm (Neues aus der Anstalt). besetzt. Die Unwörter der vergangenen drei Jahre lauteten „Lügenpresse“ (2014), „Sozialtourismus“ (2013) und “Opfer-Abo” (2012).
Wie darf man die Aussage von Herrn Diaby verstehen oder interpretieren?
So, wie es im davorstehenden Absatz erläutert wird.
Ich würde gerne noch ergänzen: