Erster Prozess gegen Hausbesetzerin der Brinkstraße

Sechs Wochen lang besetzten mehrere junge Leute im Herbst 2014 ein Häuserensemble in der Brinkstraße 16/17, ehe sie von einem Großaufgebot der Polizei geräumt wurden. Am Dienstag beginnt vor dem Greifswalder Amtsgericht der erste Prozess gegen eine der Besetzerinnen. 

Am 30. September wurde Gebäudekomplex Brinkstraße 16/17 im Anschluss an eine Demonstration besetzt. Der Aktion gingen langwierige und vergebliche Bemühungen einer Initiative voraus, das historische Haus vor dem Abriss zu retten, auf dessen Fundamenten ein Investor den Neubau von Eigentumswohnungen plante. Nach dem Scheitern der Initiative zogen Aktivistinnen selbst in das Gebäude ein und bewohnten es, um am noch lebenden Patienten zu demonstrieren, wie das Ensemble als Wohnraum und Stadtteilzentrum genutzt werden kann. Sechs Wochen und ein polizeiliches Großaufgebot später war die Brinke Geschichte, deren juristisches Nachspiel morgen zu erleben sein wird.

räumung brinkstrasse greifswald

Bei der Räumung am 20. November hatten sich zwei Besetzende in einem Zwischenboden des Hauses versteckt und sich durch ein Metallrohr hindurch angekettet und miteinander verbunden. Gegen eine dieser beiden Personen wird beim morgigen Prozessauftakt gegen die Hausbesetzer verhandelt.

„Eigentumsrecht und Profitinteresse eines einzelnen Investors nach wie vor kein Grund, Menschen gewaltsam aus einem Haus zu vertreiben, dass sie brauchen und nutzen.“

Die Verhandlung wird von einer Kundgebung begleitet, um nochmals auf die damaligen politischen Motive der Aktivistinnen hinzuweisen: Erhaltung des städtebaulich relevanten Häuserensembles, Schaffung von bezahlbarem Wohn- und Kulturraum sowie Protest gegen die „Stadtpolitik der teuren Durchsanierung“. Die Hausbesetzerinnen erklären in einer Pressemitteilung, dass für sie „das Eigentumsrecht und Profitinteresse eines einzelnen Investors nach wie vor kein Grund [sei], Menschen gewaltsam aus einem Haus zu vertreiben, dass sie brauchen und nutzen.“ Eigentum sei „eine abstrakte Kategorie, die in diesem Fall dazu führt, dass günstiger gemeinschaftlicher Wohn- und Kulturraum ersetzt wird durch teure gesichtslose Eigentumswohnungen“, deren Ausbau sich dieser Tage in der Brinkstraße bewundern lässt.

räumung brinkstrasse

Die Kritik der Hausbesetzer ist nicht nur an den Hauseigentümer und die kommunale Baupolitik adressiert, sondern auch an die Polizei. Den Beamten wird vorgeworfen, nicht gegen den Hauseigentümer ermittelt zu haben, der den Teilabriss des Ensembles beginnen ließ, obwohl sich zu diesem Zeitpunkt noch Personen darin befanden und weder Strom- noch Gasleitungen abgestellt waren, so dass von der Baustelle eine nicht unerhebliche Gefahr ausgegangen sei.

(Fotos: privat)

Fakten: 12.1.2016 | 08.30 Uhr | Amtsgericht Greifswald (Lange Str. 2A)

3 Gedanken zu „Erster Prozess gegen Hausbesetzerin der Brinkstraße

  1. Update
    „Das Verfahren gegen die Besetzerin wurde heute nach Bestätigung der Staatsanwaltschaft gegen Zahlung einer geringen Geldbuße eingestellt. Ein wichtiger Grund für die Einstellung war die dürftige Aktenlage, da noch nicht einmal ein Polizeibericht in der Akte enthalten war. Der Prozesstag wurde somit abgesagt. DIE KUNDGEBUNG FINDET TROTZDEM UND WIR BITTEN EUCH TROTZDEM ZU KOMMEN! Es wird einen Redebeitrag über die Prozesse geben und einen Erfahrungsbericht der Räumung. Außerdem gibts Tee und Kaffee“

  2. Sieht auf den Fotos hochprofessionell aus, wie die Polizei da agierte. Hatten die schon den Auftrag zum Teilabriss und konnten mal ein bisschen spielen, oder folgte das irgendeiner Strategie? Gas war ja auch nicht abgestellt, wie man hinterher erfuhr…

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