„Pokémon Go“ in Greifswald: Dumm gelaufen…

Das Smartphone-Spiel „Pokémon Go“ hat voll eingeschlagen und erfreut auch in Greifswald eine große Anhängerschaft, die seit gut einer Woche zu fast jeder Tag- und Nachtzeit durch die Straßen der Hansestadt schlurft und nach virtuellen Monstern Ausschau hält, um sie einzufangen.

Was für die einen nach einem fruchtlosen Einsatz von Energie und Lebenszeit klingt, bedeutet den anderen (endlich) eine auf virtueller Realität aufbauende Spielidee, die ein bisschen Sonne in den grautrüben Alltag zu bringen vermag. Selbstverständlich gibt es Beklagenswerteres als junge Menschen, die sich verstärkt wieder an der frischen Luft aufhalten und sich dort im Idealfall sogar mit Gleichgesinnten zu einer virtuellen Jagdgemeinschaft zusammenschließen, Waidmanns Dank dafür! Doch auch dem glühendsten Kulturoptimisten sollte dieses Verhalten suspekt sein. Und dabei reden wir noch nicht mal über das Thema Datenschutz, über personenbezogene Informationen, die das Unternehmen aus Gründen der Sicherheit nach eigenem Ermessen mit Regierungen, Ermittlungsbehörden und sonstigen staatlichen Stellen oder Privatpersonen zu teilen bereit ist, wie Netzpolitik zuletzt berichtete.

Pokémon Go: Die Welt steht in Flammen und wir fangen Digitales

Nein, hier geht es vielmehr um Menschen, die ihre Aufmerksamkeit von der sie umgebenden Realität so sehr abkoppeln, dass sie sich ganz aufs Virtuelle konzentrieren und vieles stehen und liegen lassen. So wie der frühere Besitzer eines schwarz-goldenen Fixie-Fahrrads, der am Montag in der Facebook-Gruppe „PokémonGo Greifswald“ beklagte, dass ihm sein Velo, das er während der Monsterjagd kurz aus den Augen ließ, quasi unter dem Hintern weggestohlen wurde — gezockt, ganz ohne den zum Monsterfangen verwendeten Pokéball.

pokemon go fahrrad greifswald

(Screenshot: Facebook-Gruppe „PokémonGo Greifswald“)

Die Welt steht in Flammen und wir laufen abwesend durch die Straßen, blicken in unsere Smartphones und gehen auf digitale Großbildjagd. Schon die Tamagotchis bewiesen seinerzeit, mit welcher Hingabe Menschen ihre Zeit vergeuden können, „Pokémon Go“ allerdings hebt dieses Urverlangen auf eine neue Stufe. Mein Vorschlag für mehr Konsistenz im Alltag: Dieses brotlose Pokémon-Spiel deinstallieren und geduldig auf eine neue App warten, die erweiterte beziehungsweise virtuelle Realität mit einem Zombieszenario ähnlich der US-Serie The Walking Dead verbindet. So würden die dauerabgelenkten Smombies, die seit gut einer Woche die Stadt unsicherer machen, endlich eins werden mit ihrem Spiel und für Unbeteiligte wird es auch lustiger, versprochen!

12 Gedanken zu „„Pokémon Go“ in Greifswald: Dumm gelaufen…

    1. Ja wem nutzt wohl der hanebüchene Unfug? Die Werbeindustrie reibt sich die Hände. Die kriegen doch nun mit, daß der geneigte MonsterJäger mehr als zwei Minuten vor einem SchuhGeschäft stehenbleibt. Und schon klönkert eine Mail in sein Mäusekino(smartphone), in der steht, daß genau die Laufschuhe von Adolf Dassler, die er sich schon tausendmal im Internet angeguckt hat, genau in diesem Laden 20 Euro billiger sind – und – peng! – haben sie den PokemonGo- Spieler da, wo sie ihn haben wollen.

  1. Auch ohne Pokemon Go geben die Menschen einen Scheiss auf die existierenden Probleme, ich sag nur des Kaisers neue Kleider. Wobei es ja auch Menschen gibt, die selbst bei offensichtlichen Problemen die Schulter zucken.
    Was ich aber ziemlich heftig finde ist, wie schnell das Fahrrad gestohlen wurde. Mein Vater hat mal sein altes Fahrrad absichtlich „mitnehmen“ lassen weil er sich ein neues kaufen wollte. Er hat es dann im Ostseeviertel vor den Aufgang gestellt, in einer Straße am Rande des Viertels. Mehr als zwei Wochen hat es gedauert, bis das Fahrrad weg war….

    1. Hast du hier gerade einen Versicherungsbetrug gestanden? =)
      Finde es im Zusammenhang mit Pokemon Go interessant, wie viele Menschen bereitwillig strafbares Verhalten offenbaren, nach dem Motto: „Hey, wie cool, habe gerade auf der Autobahn bei 180 ein XY gefangen.“ Nicht cool!
      Wenn ich ein altes Fahrrad loswerden möchte, dann inseriere ich es oder bringe es zum Schrottplatz.

      1. Das war ein altes DDR-Fahrrad und mein Vater brauchte es nicht mehr. Wieso sollte er es auch versichern, er ist in der DDR aufgewachsen und deshalb ist er mit dieser dämlichen „am besten alles absichern und versichern“ Mentalität auch nicht aufgewachsen. Gut, heute sind DDR-Fahrräder begehrt aber in den 90ern waren Sie es nicht. Das neue Fahrrad hat er sich von seinem Geld gekauft. Wäre es Versicherungsbetrug, hätte das Fahrrad versichert sein müssen und er hätte den „Diebstahl, der keiner war, anzeigen müssen.

  2. Leute, die jetzt Pokemon Go spielen, waren auch vorher nicht daran interessiert in ihrer Freizeit die Welt zu retten. Der ganze Artikel scheint mir wie der unwirksame Aufruf „Hört auf, Spaß zu haben. In Afrika verhungern die Kinder!“

    Ist der Autor dieses Artikels bereits in jenem Alter, in dem man die Trends der Jugend nicht mehr versteht und (teils deswegen) missbilligt? Mit den Worten von Grandpa Simpson:
    „I used to be with it, but then they changed what it was. Now what I’m with isn’t it, and what’s it seems weird and scary to me, and it’ll happen to you, too.“

    1. Der Autor ist fast ein alter Sack, hat aber überhaupt nichts gegen Spielen, Spielende und Spiele. Er findet die übertriebene Hysterie um Pokémon nervig und konnte auch schon vor 20 Jahren diese unansehnlichen Monster nicht besonders gut leiden. Stattdessen fordert er, dass man die Möglichkeiten von augmented reality beeindruckender nutzt. Ein TWD-Szenario, wie im Schlussgedanken angedeutet, würde er allerdings sofort anspielen.

    2. Also der Autor müsste so Anfang, Mitte dreißig sein, glaube ich.
      Andererseits ist dein Kommentar ein netter Anstoß zu einer Gedankenwelt über die ich auch schon seit einiger Zeit sinniere. Jetzt, mit Ende zwanzig, denke ich auch manchmal, ob mir neue Trends einfach nur nicht gefallen, oder ich das ablehne was die Jugend macht oder konsumiert, weil ich einfach älter werde oder weil vieles einfach total bescheurt ist.
      Wobei ja bekannt ist, dass Menschen, je älter sie werden, konservativer werden. Der Generationenkonflikt ist ja vor allem seit Anfang des 20.Jh. eine sehr deutliche Sache, die Alten halten nichts von dem Neuen und das Neue wird als Niveau- und Wert(e)los angesehen und abgelehnt. Ich hatte vor allem in Sachen Musik gegrübelt, seit 2010 hat sich Pop ja schon sehr verändert. Besonders Gedanken habe ich mir bei einer Musikerin gemacht, vor allem wie ihr Aufreten ist und zwar bei Miley Cyrus, nicht dass ich sowas höre. 2002, als ich vierzehn war, hatte Christina Aguilera gerade ihre Stripped Phase – in Sachen Pop tat Sie so als würde sie sich jetzt emanzipieren und ihr eigenes Ding machen. Sie benahm sich dann sehr freizügig und sah auch so aus und Erotik wurde dann ziemlich deutlich dargestellt z.B. bei dem Titel „Dirrty“ und dem Video dazu, gut sie hat da auch ernstere Titel gehabt. Nicht das ich ihre Musik sonderlich mochte, Dirrty hatte mir schon gefallen, trotzdem fand ich sie auf irgendeine Weise gut. Der komplette Gegensatz zu Miley Cyrus, die für mich nur eine billige Nutte ist, die, um sich im Business zu halten, von ihrem ganzen Erscheinen her noch teifer gehen würde. Mein große Frage ist, würde sie mir gefallen, wenn ich heute vierzehn wäre oder hätte ich 2002, wäre ich da so alt gewesen wie ich es heute bin, Christina Aguilera abgelehnt???

  3. „Pokémon Go“ zum Beispiel fungiert als brandneue Wasserscheide des Kulturpessimismus. Überraschend viele Leute, die die großen, digitalen Entwicklungen der letzten Generation – Smartphones, Facebook, Twitter – feiern und alle Nichtdigitalen belächeln oder beschimpfen, tun öffentlich ihre Verachtung dieses Spiels kund. „Pokémon Go“ macht Fortschrittsgläubige über Nacht zu vergangenheitsfixierten Technologieskeptikern, die die digitale Welt in den Grenzen von 2011 erhalten wollen.“

    http://www.spiegel.de/netzwelt/web/sascha-lobo-ueber-das-unverstaendnis-gegenueber-millennials-a-1105950.html

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