Gestern fand im Hauptgebäude der Uni die Podiumsdiskussion mit den Oberbürgermeister-KandidatInnen statt.
Veranstaltet vom AStA-Greifswald und moderiert von einem etwas blassen Thomas Schattschneider und einem manchmal haspeligen, aber trotzdem keck-souveränen Alexander Köcher, der mit selbstbewusstem Witz den KandidatInnen das Wort abschnitt und so mehr oder minder penibel der Einhaltung des zeitlichen Rahmens Sorge trug.
Die Veranstaltung hangelte sich die ersten 90 Minuten durch ein im Vorfeld erstelltes Fragen-Korsett, dass einen flüssigen Ablauf ermöglichte und Unterschiede zwischen den KandidatInnen aufzeigte. Eigentlich gibt es keine Neuigkeiten vom gestrigen Abend zu berichten, alles blieb im erwarteten Rahmen, von wenigen Ausnahmen abgesehen.
König entspannt, aber nicht überzeugend
Der amtierende Oberbürgermeister Arthur König gehört nicht zu den Ausnahmen. Er klopfte sich – einem Märchenonkel gleich – auf die Schulter und verwies auf die Leistungen und Ergebnisse der vergehenden Legislaturperiode. König hat die Wiederwahl beinahe in der Tasche und dieser Umstand verlieh ihm eine sehr entspannte Aura.
Inhaltlich konnte er allerdings nicht überzeugen. Da war die Sache mit dem Verkauf der WVG-Anteile, die Idee, Tourismus zu fördern, ein Steinkohlekraftwerk zu befürworten und zu guter Letzt die Sache mit seinem Prestige-Millionengrab Stadthalle.
Gesichtsloser Geostratege
Zu Rainer Mutke (SPD) müssen nicht viele Worte verloren werden. Viele seiner Antworten zielten ins Leere und verloren sich. Auch Mutke befürwortet das Kraftwerk, allerdings begründete er dessen Notwendigkeit mit geopolitischen und -strategischen Überlegungen. Europas Energiezukunft soll zukünftig von Lubmin aus gesichert werden.
Der Kumpeltyp
Birgit Socher, als Kandidatin der LINKEN, vergaß nie zu erwähnen, dass sie als einzige Frau ins Rennen ginge. Allerdings wirkte sie nicht wie eine Kämpferin emanzipatorischer Ideen, im Gegenteil.
Sportbegeistert und ein wenig gluckenhaft, trotzdem symphatisch, duzte sie mit fester Blickrichtung gen Moderation die imaginäre FragenstellerIn und zeigte die Grenzen des Gestaltungsspielraums für OberbürgermeisterInnen auf; Kommunalpolitik leicht erklärt!
Phrasen des Ringkämpfers
Olaf Tammert muß man eigentlich hoch anrechnen, dass er die studentische Zuhörerschaft weitesgehend ignorierte und seinen Wahlkampf auch an diesem Ort an die nichtstudentischen Bewohner der Neubaugebiete adressierte. Positiveres bleibt über den ehemaligen Ringer nicht zu berichten.
Widersprüchliche Argumentationen (z.b. beim Thema Gewerbesteuer) und sich permanent wiederholende, wahlkämpferische Phrasendrescherei strapazierten die Geduld des höflichen Publikums. Er wirkte an diesem Abend mehr als deplatziert und ließ sich sogar zu kämpferischen Gesten (Faust in die Luft recken), gewürzt mit einer großzügigen Portion Pathos, hinreißen, die man — medial vermittelt — eher von Auftritten hitzköpfiger Populisten kennt.
Oppositionelle Eloquenz
Ulrich Rose hatte den Gestus eines klassischen Oppositionspolitikers inne. Eloquent, informiert, zynisch und von den herrschenden Zuständen sichtlich angepisst, schien es so, als wäre ihm bewußt, dass das Gros seiner Stimmen studentischer Natur sein wird. Umso sympathischer fand ich seine Vorstellungen davon, was mit den — durch das abrupte hauptwohnsitzliche Ummelden von Studenten in die Stadtkasse fließenden — 1,6 Millionen Euro anzustellen sei.
Während die anderen KandidatInnen das Geld (bzw. einen Teil davon) zugunsten der Studenten ausschütten wollten, verwies Rose auf die grassierende Kinderarmut in Greifswald und erklärte die Bekämpfung dieses strukturellen Problems (z.b. durch die Erstausstattung mit Schulmaterialien) zum allgemeinen Interesse der Stadt. Roses Beiträge wirkten normativer und unterschieden sich dadurch von den Anderen. So erklärte er seine Vorstellungen von staatlicher Daseinsfürsorge und leitete aus diesem Verständnis seine Vorschläge ab.
Seine Ideen über die zukünftige Gestaltung des Verkehrs in der Stadt entspringen dem Geist eines modern-ökologischen Vernunftsmenschen und der Erfahrung eines Fahrradfahrers.
Die Veranstaltung war sehr gut besucht, das Publikum höflich, neugierig und duldsam. Nach 90 Minuten moderierter Diskussion wurde von der Möglichkeit der direkten Fragen an die KandidatInnen rege Gebrauch gemacht. Der AStA hat eine rundum erfolgreiche Veranstaltung organisiert und durchgeführt, dafür gebührt ihm Respekt. Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die BewerberInnen für das höchste Amt der Stadt Gelegenheit hatten, sich und ihre Positionen vorzustellen. Nach meiner Einschätzung gelang es allerdings allein Ulrich Rose, nachhaltig für seine Ideen und Zielsetzungen zu werben.