Vom StuPa, Thor Steinar und der Revolution im Supermarkt

Auf der Sondersitzung des Studierendenparlaments (StuPa) am 11. August wurde unter anderem über ein mögliches Verbot von Kleidungsstücken der Marken Thor Steinar und Consdaple in universitären Räumen gestritten. Übrig blieb das nebulöse „Grundverständnis von Demokratie und Toleranz“ (den dazugehörigen Antrag stellten die StuPistinnen Sophie Augustin, Timo Schönfeldt, Martin Hackbarth, Christopher Denda und Julien Radloff).

Obwohl dank der umfang- und bildreichen Aufbereitung der Geschehnisse durch den webMoritz jeder der Stupisten von der NPD-Demonstration, die nur wenige Tage zuvor in Anklam stattgefunden hatte, Notiz genommen haben muss und wiederholt deutlich wurde, wie problematisch sich die Situation auch in beinahe unmittelbarer Nachbarschaft gestalten kann, fand der couragierte Antrag keine einstimmige Anerkennung. Das Verbieten von Kleidung, die als rechtscodiert gilt beziehungsweise unmittelbar rechte Strukturen ökonomisch unterstützt, ist überhaupt nicht so verkehrt, wie es einige Stupisten darzustellen versuchten. Die tatsächlichen Schwierigkeiten dieser Regelung würden allerdings auch erst bei der Durchsetzung dieses Verbotes freigelegt.

S. spricht

StuPist und Cimbrianer Alexander S. mischte die Debatte unangenehm auf und verfiel in vermeintlich obsolete Verhaltensmuster seiner Zeit als Schriftführer und Landesjugendbeauftragter der Leipziger Republikaner (REP). Wären doch nur mehr Wählerinnen der Nichtwahlempfehlung gefolgt! Einem missverstandenen Liberalismus anheimgefallen, lehnte er anfangs den Antrag ab, um später zu fordern, ihn auf die vormals linke Ikone Che Guevara auszuweiten – von der Marke zum Motiv.

Mehrere Augenzeugen amüsierten sich während der parlamentarischen Abläufe und auch noch später — nach der Sitzung — über S.’s offenkundige Schwierigkeiten, den Nachnamen der kubanischen Befreiungspersönlichkeit phonetisch zu realisieren. Für den nächsten Versuch, Guevara beim Namen zu nennen, sei hier deshalb Hilfestellung geleistet, schließlich soll sich niemand lächerlich machen müssen.

gue-va-raSchon transkribiert gestaltet sich die Angelegenheit [gəˈvɑːrə] relativ eindeutig, ein Klick auf den nebenstehenden Lautsprecher führt aber auch zu einer Audiodatei, die mit Engelsgeduld wieder und wieder korrekt vorsprechen wird, versprochen.

Auch „Massenmörder“ Guevara verbieten!

Zurück zum Antrag. Man einigte sich schlussendlich um 0:12 Uhr mit 13 Ja-Stimmen auf eine durch Alexander Schulz-Klingauf ergänzte Version. Weichgespült und seiner eigentlichen Aussage enthoben, lautet der Antrag jetzt, dass generell das Tragen von Kleidung, die dem “Grundverständnis von Demokratie und Toleranz” zuwiderläuft, verboten werden soll. Christine Fratzke betreute bei dieser Sitzung den webMoritz-Ticker und berichtete in Echtzeit von der Debatte, hier auszugsweise wiedergegeben.

23:49 Alexander S. fordert darüber hinaus, dass Che Guevara auch nicht auf T-Shirts erscheinen dürfe. Er sei ein Massenmörder, so S.. Jeder solle selbst entscheiden, was er trägt.

00:08 Alexander S. hat auch noch einen. Die Änderungsanträge geraten zur Farce, es werden verschiedene “Verbrecher” durch den Raum gerufen, die ebenfalls nicht auf T-Shirts zu sehen sein sollen. Aus dem Publikum tönt es: “Che Guevara war kein Verbrecher, er wurde nie verurteilt.

Da jetzt die Hochschulleitung aufgefordert wird, ihre Hausordnung zu ändern, könnte es also für manche bedränglich werden, theoretisch. Denn dass jemand seiner Bekleidung wegen eines Seminars oder des Vorlesungssaals verwiesen wird, dürfte sich doch allerhöchstens in den Geisteswelten naiv-romantisierender Zivilcourage ereignen. Und auch die Auffassungen eines „Grundverständnis von Demokratie und Toleranz“ sind so variantenreich wie der Zahl derer, die es interpretieren.

Revolution im Supermarkt

Wer jetzt für Verwirrung sorgen möchte und die Belastbarkeit derjenigen auf die Probe stellen will, die für den beschriebenen Antrag stimmten, trägt von nun an vielleicht besser die politischen Pullunder auf. Die Debatten könnten hitzig werden. Es sei nur an die Modereihe mit dem Konterfei Ernst Moritz Arndts erinnert, dessen „Grundverständnis von Demokratie und Toleranz“ in den vergangenen Monaten bekanntlich kontrovers diskutiert wurde und der in der Lesart seiner Kritikerinnen als Antisemit übelster Sorte verstanden wird.

cheguevaraAus reiner Aufmerksamkeitssehnsucht und um die Debatte um den Thor-Steinar-Antrag zu kritisieren, ließe sich auch nochmal der alte, textilgewordene Ernesto aus dem Regal kramen, auch wenn den doch heute eigentlich niemand mehr aufträgt. Laut StuPa-Präsident Erik von Malottki wird die nächste planmäßige Sitzung des Studierendenparlaments am 18. Oktober stattfinden, genügend Zeit zum Vorbereiten bleibt also.

Wie der Zufall es will, offeriert der tierverbundenere der beiden Nettos dieser Tage T-Shirts mit dem populär gewordenen Portrait des berühmtesten Kubaners aller Zeiten. Die abgeschmackte Revolutionsromantik ist im Discounter angekommen, in der gelb-schwarzen Ramschkiste für 6,99 EUR. Die Revolution hat den Supermarkt erreicht.

(Foto: Annegret Adam/webMoritz)