Am 30.10. spielte die Berliner Elektro-Noise-Künstlerin Tonia Reeh alias Monotekktoni im IKuWo. Sie wußte mit einem krachig-energetischen Konzert zu überzeugen. Besonders eindrucksvoll war die Tatsache, dass sie ohne Laptop auskam und die vielschichtigen Klangwände analog aus ihren alten Effektgeräten und Synthesizern zauberte. Dirk von Lowtzow hatte unrecht: Digital ist eben doch nicht besser!
Vor dem Auftritt der „scheppernden Rockband ohne Gitarre“ ergab sich die Gelegenheit zu einem interessanten Gespräch über Ladyfeste, die Rolle von Frauen in der Popkultur, Gentrifizierung und prekäre Lebensentwürfe.
Fleischervorstadt-Blog: Deine Aussagen im Sinnbus-Video-Interview zum neuen Album klangen für mich nach einem prekären Lebensentwurf. Du wurdest aus deiner Wohnung gedrängt und hast das Kind beim Namen genannt, als du vom Prekariat sprachst. Für mich deutete die Art deiner Aussagen auf einen politischen Kontext hin, in dem du dich bewegst und dessen Sprache du dich bedienst. Du hast auch auf mindestens einem Ladyfest gespielt, oder?
Tonia: Ja, auf vielen.
Fleischervorstadt-Blog: Wie findest du die Idee der Ladyfeste?
Tonia: Ich finde das gut und notwendig. Es gibt zwar Leute, die sagen: „Wieso müssen Frauen jetzt auch noch extra was für sich machen?“ Aber ich finde es total wichtig. Es gibt soviele Abende, wo z.B. drei Bands spielen und nur Männer auf der Bühne stehen und da sagt keiner „was soll denn das hier?“. Manche Leute regen sich aber darüber auf, dass man extra was für Frauen macht. Ich finde das völlig super. Es ist schade, dass es so sein muss, dass es nicht normal ist und dass es keine gemischten Abende gibt, kein Gleichgewicht.
Fleischervorstadt-Blog: Während der ersten drei Jahre Immergutrocken-Festival stand keine einzige Frau auf der Bühne.
Tonia: Das finde ich auch total krass, es liegt aber auch an dem Macher des Festivals. Der mag keine Bands mit Frauen. Es gibt da ganz wenige Ausnahmen. Und das finde ich eine ganz krasse Aussage. Man kann sagen: Ok, mir gefällt jetzt diese Frau nicht und was sie tut, aus diesen und jenen Gründen. Das so allgemein zu sagen finde ich aber total diskriminierend. Ich sag ja auch nicht, dass ich die Musik von Männern generell scheiße finde.
Fleischervorstadt-Blog: Ich habe das Gefühl, dass Frauen popkulturell extrem unterrepräsentiert sind und freue mich jedesmal, wenn ausnahmsweise eine Frau Teil einer Band ist. Das erscheint sonst immer als reine Männerdomäne.
Tonia: Ich freue mich auch immer, wenn ich irgendwo spiele und es eine andere Band gibt, wo wenigstens eine Frau dabei ist. Das ist eine andere Atmosphäre. Die Hälfte der Weltbevölkerung sind einfach mal Frauen. Was ist hier los? Wo sind die alle? Was machen die? Die können das auf jeden Fall auch so gut wie Männer und haben eine andere Art zu performen, eine andere Art vielleicht auch, Musik zu machen.
Fleischervorstadt-Blog: Und wie sind deine Erfahrungen mit dem Rest der Branche – jenseits der Rollenkonstruktionen von Musikern? Ich meine Veranstalter, Techniker oder Labels. Ist das auch so extrem männlich dominiert?
Tonia: Das ist auch immer noch extrem männlich dominiert, aber ich glaube, es bewegt sich dahin, dass es besser wird. Ich kann das selber ehrlich gesagt auch nicht so gut einschätzen, weil ich nicht alles kenne. Aber es ist trotzdem immer noch so, dass sich viele Frauen nicht trauen, sowas zu machen und noch mehr in den Backround gehen, zum Beispiel Tourbegleiterin werden oder sowas.
Fleischervorstadt-Blog: Woran liegt das?
Tonia: Ich glaube, durch die ganzen tausend Jahre ist es immer noch in vielen Frauen so drin, dass man sich nicht traut, zu sagen, was man denkt. Das ist bei vielen andere Situationen auch so, dass man eine zurückgesetzte Position einnimmt. Ich merke es bei mir selber auch. Ich benutze die Musik, um viele Sachen auszudrücken, die ich mich sonst nicht traue oder nur mit bestimmten Leuten zusammen.
Und dann versuche ich auch noch Sachen zu finden, wo sich das ein bisschen versteckt. Man kann auch als Frau zugeben, dass man Agressionen oder Wut hat. Das sind keine Dinge, die von der Männerwelt besetzt sind und nur die dürfen die Kraft haben und die Energie, während die Frauen möglichst sanft und lieb sein sollen.
Fleischervorstadt-Blog: Du hattest eine Weile als Myspace-Avatar das Bild der „Schokoladen bleibt!“-Kampagne, das hatten ja einige Künstler aus deinem Umfeld. Sind die Probleme des Schokoladens das Ergebnis von Gentrifizierungsprozessen in Berlin und stehen sie exemplarisch für Entwicklungstendenzen in größerem Rahmen?
Tonia: Ja natürlich, total. Es ist überall präsent. Ganz viel Sachen, die mit Subkultur zu tun haben oder mit Leuten, die was machen, was nicht unbedingt was mit Geld verdienen zu tun hat, werden immer mehr in ihren Möglichkeiten beschnitten, auch den räumlichen. Sie werden gezwungen, kommerzieller zu werden: durch steigende Mieten, durch anderweitige Auflagen, die immer krasser werden, zum Beispiel Konzessionen. Das greift ineinander. Die Subkultur, die vertrieben wird und gleichzeitig die Leute, die vertrieben werden, aus der Nähe und aus dem Umfeld der Subkultur. So wie auch bei mir selber, dass du halt das Gefühl hast, du bist für die Stadt eine Art Dreck und Auswurf, oder sowas, was die nicht haben wollen. Und das muss nicht sein.
Fleischervorstadt-Blog: Das heißt, dass du Aktionen gegen „Mediaspree“ begrüßt?
Tonia: Ja na klar. Wir waren auch auf der Demo und ich hätte beim Bürgerentscheid auch sehr gerne mit abgestimmt. Aber was ich immer so krass finde ist, dass mir die ganze Demokratie wie ein totaler Fake vorkommt. Es wurde im Prinzip durch diesen Bürgerentscheid beschlossen, dass die Media Spree nicht in dieser Form realisiert werden soll. Aber dadurch, dass soviele Gelder im Vorhinein schon geflossen sind -ich finde, dass das undurchsichtige Lobbyaktivitäten sind- ist es ein Witz in diesem Fall von Demokratie zu sprechen, solange der Bürgerentscheid wirkungslos bleibt.
Fleischervorstadt-Blog: Du bist ja eine Art prekäre Künstlerin mit zwangsläufig gebrochener Erwerbsbiographie. Ist Internet eine Möglichkeit, den Musikmarkt zu demokratisieren? Bietet es dir Möglichkeiten, auf einen Markt zu treten mit deiner Kunst, die du sonst nicht hättest? Oder bedeutet es eher das absehbare Ende deiner momentanen Erwerbsgrundlage?
Tonia: Das Internet ist in der Beziehung sehr hilfreich. Trotzdem habe ich, wie auch viele andere Leute, ein komisches Gefühl dabei. Du wirst mehr beobachtet. Aber es hilft besonders, wenn du sonst nicht viele Medien zur Verfügung hast.
Fleischervorstadt-Blog: Verkaufst du Platten online?
Tonia: Ja klar, bei Sinnbus. Die Leute bestellen online Platten oder laden sich Songs gegen Bezahlung runter.
Fleischervorstadt-Blog: Du lebst aber überwiegend von den Gagen für deine Konzerte und den unmittelbaren CD-Verkauf nach der Show, oder?
Tonia: Ja, eher so. Aber wenn man fragt, ob man davon leben kann… Ich kenn einige Leute, die auch Musik machen und versuchen, mit ganz wenig Nebenjobs sozusagen zu überleben, weil gar nicht mehr Zeit und Möglichkeit vorhanden ist, etwas Regelmäßiges zu machen.
Eigentlich leben die Leute -oder bessergesagt wir- auf dem selben Niveau wie ein Hartz4-Empfänger. Es schwankt stärker, ist unregelmäßiger. Die Möglichkeiten werden krasser, denn du hast in einem Monat mehr, im nächsten fast nichts. Aber ich finde das ok. Das ist das Risiko, das man eingeht, wenn man so ein Leben führt, sich dafür entschieden hat, irgendwann.
Fleischervorstadt-Blog: Du hast natürlich dadurch auch sehr viele Freiheiten.
Tonia: Ja Ich kann wirklich machen, was ich will und das ist mir sehr viel wert. Ich habe auch mal Zeit, Sachen zu machen, für die andere die Zeit nicht aufbringen. Viel zu lesen, mich informieren, oder auch mal auf eine Demo zu gehen.
Fleischervorstadt-Blog: Machst du noch mit anderen Leuten Musik?
Tonia: Ja, ich habe noch eine Band.
Fleischervorstadt-Blog: Und die heißt wie?
Tonia: Jagoda.
Fleischervorstadt-Blog: Echt? Da machst du mit?
Tonia: Die brauchten mal ne Sängerin und ich habe die mal im Schokoladen gemischt und fand die geil und kannte die schon ein bisschen.
Fleischervorstadt-Blog: Vielen Dank für die angenehme Unterhaltung.
(Das Interview ist auch auf dem webmoritz erschienen)
Bilder des Konzertes finden sich in der IKUWO-Gruppe bei Flickr.
Werbung
Ein Gedanke zu „Im Gespräch mit Monotekktoni“