Gestern wurde hier noch auf die vollmundig angekündigte ZDF-Sendung WISO hingewiesen, die am Beispiel Greifswald das Studieren in den neuen Bundesländern präsentieren sollte und ermüdend lange mit Bildern der Hansestadt auf sich warten ließ.
Das im kaum 90 Sekunden dauernden Kurzbericht gefällte Urteil über die Raumbedingungen („Die Hörsäle sind eher klein, man findet immer einen Platz”) war anfangs ein wenig grotesk, da so gut wie alle Studierenden das Gegenteil bezeugen könnten.
Die im Laufe des Tages abgegebenen Kommentare und das Erscheinen eines Beitrages zum gleichen Thema beim Kollegen daburna lassen die Sendung in einem anderen, ja fahleren Licht erscheinen. Unschöne Details und beinahe perfide PR-Tricks zeigen, wie es der Presse- und Informationsstelle der Universität unter der Leitung von Jan Meßerschmidt gelungen ist, das Drehteam vom ZDF auszutricksen und bessere Zustände vorzugaukeln.
Freute ich mich anfangs noch darüber, die von der Kamera begleitete Studentin persönlich zu kennen, wich dieses Gefühl einem Manipulationsverdacht, als bekannt wurde, dass diese als studentische Hilfskraft in der Presse- und Informationsstelle arbeitet. Da ist es tatsächlich gelungen, dem ZDF eine Angestellte als Beispielstudentin zu verkaufen. Ein kritisches Wort über die Situation ist dann natürlich nicht zu erwarten.
Aber es kommt noch absurder, denn daburnas Beitrag kommentierte ein gewisser Dyskobol und ergänzt anekdotisch:
„Witziger Fakt: Ich habe Herrn Meßerschmidt am Tag der Aufnahmen gesehen, wie hektisch durchs Hörsaalgebäude rannte und nach einem Hörsaal suchte der nicht so voll ist. Mich hat er auch gefragt, wie voll die Vorlesung wohl werden würde, in die ich gerade gehe. Letztlich kam er dann am nächsten Tag nochmal wieder und promt [sci!] wieder in den Hörsaal, in dem ich saß. Der hatte dann wohl die richtige Teilnehmerzahl.“
So macht man gute PR und das ist Meßerschmidts Aufgabe. Der gebürtige Thüringer war früher übrigens selbst Journalist und hat inzwischen offenbar erfolgreich das Lager gewechselt. Es muss eine Genugtuung sondergleichen für ihn gewesen sein, die neunzig Sekunden im Öffentlich-Rechtlichen zu wissen. Die grundsätzliche Haltung der Verantwortlichen, ein möglichst gutes Bild der hiesigen Zustände zu präsentieren, erinnert ein wenig an die Organisation und Durchführung der Stippvisiten von Spitzenpolitikern vor 1989. Damals wurden ja wenigstens noch die Fassaden frisch gestrichen.
Hach ja, die Pressestelle ist schon nen witziger Verein. Ich will ja jetzt nicht schon wieder das „Arndt- Fass“ aufmachen, aber als wir dort eine Nachfrage starteten, wer Autor des Info- Textes auf der Uni- Website ist, wollte man uns das auch nicht verraten (trotz Weisung des Rektors!)
Naja, Greifswald und Presse ist eben nen Thema für sich. Das bisschen Macht, das sie zu genießen vermeinen, lässt die durchdrehen….
na, hier geht’s ja schon wieder ganz schön reißerisch zu. die gestrigen kommentare hatten mich noch amüsiert, die heutigen schlagzeilen jedoch lassen diesen blog wiederum in einem etwas „fahleren licht“ erscheinen. schade. dabei weiß doch nun wirklich jeder, dass solche methoden beim fernsehen gang und gäbe sind und wer so naiv ist, anzunehmen, dass ein preisender fernsehbericht über eine stadt ernsthaft repräsentativen charakter hat, der lässt sich genauso „narren“ wie die damen und herren reporter vom ZDF.
meßerschmidt wollte auch mal den webMoritz abmahnen, weil die ungefragt ein bild des klinikum-neubaus verwendet haben. daher habe ich auch auf ein bild des pressesprechers verzichtet…
@nico:
ja, schön reißerisch. schillernd soll es werden, nicht fahl. fernsehen und pr mag so funktionieren, erwischen lassen sollte man sich nicht. und es ist ja ein journalistischer grundsatz, das zu trennen.
heute sind im oz-blog wieder zwei schöne beispiele erschienen, wo gezeigt wird, wie die oz journalismus und pr vermischt:
http://ostsee-zeitung-blog.blogspot.com/2009/11/hochwertiges-nach-art-des-hauses.html
War heut eigentlich was zum IKuWo- Angriff in der OZ?
Naja, is ja jetzt auch schon nicht mehr „brandaktuell“, also nix für ein so investigatives Blatt.
Hauptsache dem weggesperrten Köter gehts wieder besser.
Sehr schön dazu auch die Kommentare auf dem Schwarzen Brett….
nur noch lachhaft
nein, auch heute wurde dafür keine zeile in der oz-greifswald verschwendet.
welches schwarze brett meinst du?
@jockel
der eintrag im lupe-blog ist ja wohl doch eher ein schillerndes beispiel für überempfindlichkeit. wozu gibt es denn pressemitteilungen? man muss sie als redakteur nicht wörtlich übernehmen, aber es ist natürlich eine arbeitserleichterung, die umso willkommener ist, wenn es sich um, sagen wir, öffentliche bekanntmachungen handelt, die in ein amtsblatt passen, also genau die art, von der wir hier reden, nämlich die suche nach bewerbern für einen frischemarkt. dass der redakteur da außer ein paar verkürzenden und korrigierenden eingriffen keinen journalistischen handlungsbedarf sah, finde ich höchst verständlich.
aber das gehört ja eigentlich in den oz-blog. sorry. ich poste es trotzdem hier, wenn ich darf. bin schüchtern 🙂
Schön – habe ich mich gestern also doch nicht verhört: ”Die Hörsäle sind eher klein, man findet immer einen Platz” fand ich – ob man in den Hörsälen nun Platz hat oder nicht – extrem ulkig. Dachte bis jetzt, dass ich das der Aussage Sinn gebende Wort (z.B. „trotzdem“) überhört habe. Für die seltsame Wiedergabe des offensichtlich nicht stimmende Faktes kann der PR-Mann der Uni wohl nix – hoffe ich ich jetzt mal.
@ kapitulist: Diese Sequenz habe ich mir in der Mediathek auch drei mal angehört und den Zusammenhang/Sinn gesucht. 😉
@ blog17vier: Ich kann die Kritik an der Pressestelle nicht nachvollziehen. Welcher Vater würde eine hässliche Braut zum Zwecke der Verheiratung feilbieten?
@sören: einer deiner ersten kommentare, die mir gefallen.
@ ralph: Das hat nichts mit Überempfindlichkeit zu tun, dagegen ausschließlich mit dem Negieren einer der einfachsten Grundlagen journalistischer Tätigkeit in der Greifswalder Redaktion. Eine PM kann doch nur der Anlass sein, journalistisch tätig zu werden. Es kann doch wohl niemand dafür Geld vom Verlag (Gehalt) und der Verlag von den Lesern (für den Kauf der Zeitung) verlangen, weil er zwei oder drei Sätze aus einer Pressemitteilung gestrichen hat, die er kostenlos erhielt und das auch noch als hochwertig bezeichnen.
Ansonsten empfehle ich dringend, hier nachzulesen:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/qualitaetsjournalismusersatz/
lupe,
im grundsatz hast du sicher recht. dass solche sachen wie der bei dir verlinkte „medigreif“-artikel mal gar nicht gehen, ist völlig klar. im fall des „frischemarktes“ will mir allerdings nicht recht klar werden, inwiefern eine umformulierung der pm durch den redakteur die journalistische qualität hätte steigern können. bei der bearbeitung von meldungen solch banalen inhaltes, die doch einfach nur an den leser weitergegeben werden müssen, noch journalistische originalität zu verlangen, halte ich für übertrieben. wenn ich in der oz den wetterbericht lese, erwarte ich auch keine intensiv redaktionell betreuten, geschliffenen und von tag zu tag abwechslungsreichen formulierungen, sondern schnell zugängliche informationen, die mich entscheiden lassen, ob ich einen regenschirm einpacken muss oder nicht.