Intern: Schmeicheleien via Flattr

Ist das next big thing der neuen Medien ein seit Monaten auf immer mehr Webseiten integrierter, grün- und orangefarbener Button? Liegen in Diensten für das sogenannte social payment Potenziale für eine noch auszugestaltende Netzökonomie verborgen?

WELCHE REDAKTION PASST ZU MIR?

Eigentlich wollte ich mir nur ein Zeitungsabonnement kaufen und für die vielen Inhalte, die ich Tag für Tag kostenfrei online rezipiere, endlich bezahlen, um so meinen Anteil für eine mediale Vielfalt zu leisten, die auch noch in Zukunft Bestand haben soll. In einer Zeit der einbrechenden Anzeigenpreise und der schier grenzen- und vor allem kostenlosen Verfügbarkeit von Inhalten, wird die Luft der Branche allmählich dünner.

(Bild: turi2)

Doch ein so breites Angebot wie das der deutschen Medienlandschaft birgt auch Entscheidungsschwierigkeiten: Welches Produkt welcher Redaktion passt zu mir? Und gibt es – sofern diese Frage unbeantwortet bleibt – Alternativen zum klassischen Meienkauf oder Abonnement, um mediale Angebote unkompliziert mitzufinanzieren und zu unterstützen?

ANERKENNUNG AUF MIKRONIVEAU

Schon im Juli dieses Jahres war der schwedische social-payment-Dienst Flattr das Hauptthema des Greifswalder Medienstammtisches und der Diskussion unter den Lokalbloggern folgten kurz darauf die ersten Buttons auf den entsprechenden Seiten und Webangeboten. Seit etwa drei Wochen buhlt nun auch der Fleischervorstadt-Blog um Anerkennung auf Mikronivau. Doch was steckt hinter dem Dienst, der in zweinullscher Sperrigkeit dahergetitelt kommt?

(Bild: netzfeuilleton.de)

Die Idee hinter Flattr ist so einfach wie genial: Nach der Registrierung lädt man sein individuelles Konto auf und bestimmt das monatliche Budget, welches verteilt werden soll. Der Minimaleinsatz hierfür beträgt zwei Euro. Die Zahlungen erfolgen quasi auf Knopfdruck, denn das wichtigste Werkzeug des Dienstes sind die Flattr-Buttons, die Mitglieder in ihre medialen Angebote integrieren können.

Ein Klick genügt und schon ist die Anerkennung für das rezipierte Werk, ganz gleich, ob es sich dabei um den Text eines Blogbeitrags, um einen Podcast oder ein Musikstück handelt, zum Ausdruck gebracht worden – man hat etwas beziehungsweise jemanden geflattrt.

DANKBARKEITS-ÖKONOMIE

Am Monatsende wird das im Vorfeld festgelegte Budget durch die Anzahl der getätigten Klicks geteilt und so der monetäre Wert jeder einzelnen digitalen Anerkennung beziffert und auf die Flattr-Konten der auf diese Art gelobten Produzentinnen gebucht. Werden so beispielsweise monatlich zwei Euro verteilt und fünf verschiedene Angebote geflattrt, so hat jeder Klick einen Wert von 40 Cent.

Im offiziellen Video, das den Dienst erklärt, wird dieses Budget mit einem Geburtstagskuchen verglichen, der an eine zu bestimmende Anzahl von Freunden verteilt wird.

Die Flattr-Registrierung ist blitzschnell erledigt und wird durch das erste Aufladen des Kontos abgeschlossen. Diese Startvorbereitung lässt sich dank Moneybooker.com mit einfacher Überweisung, Kreditkarte oder bequem via Paypal erledigen. Danach kann es losgehen mit den klickvermittelten Respektzollungen.

VISIONEN IN ORANGE UND GRÜN

Einer ausführlichen Auseinandersetzung mit Flattr ist die 32. Ausgabe des großartigen, von Jana Wuttke und dem Medienjournalisten Philip Banse produzierten Podcasts Medienradio.org sehr dienlich. Der bis dato übrigens 218 Mal geflattrte Audio-Beitrag nähert sich in stolzen 140 Minuten dem Thema social payment von verschiedenen Seiten.

Diese Sendung wird durch drei Gäste mit unterschiedlichem Bezug zu Flattr bereichert. Da spricht neben Philip Banse zum Beispiel der Podcaster Tim Pritlove, dem monatlich ungefähr 1000 Euro auf sein Konto flattern. Thomas Haseloff, der seine Diplomarbeit zum schwedischen Bezahldienst schreibt, präsentiert erste Ergebnisse und trifft Aussagen über das Wohlwollen der Nutzer.

Und dann ist da noch der in Greifswald aufgewachsene Leander Wattig, der sich nach einem verlagswirtschaftlichen Studium als Medienblogger profilierte, die Aktion Ich mach was mit Büchern aus der Taufe hob und inzwischen umtriebig medialen Trends und Entwicklungen auf der Spur ist, von crowdfunding bis social payment und zurück.

Im sehr inspirierenden Gespräch zwischen diesen Personen werden die Potenziale, die ein Dienst wie Flattr hervorbringen könnte, skizziert. Was passierte, wenn sich Größen wie facebook oder youtube gegenüber social payment öffnen würden? Wie könnte die Zukunft von Musikern und deren Vertriebsnetz mithilfe von Flattr revolutioniert werden und welche tragende Rolle spielt Microsoft dabei? Oder um Leander Wattig zu folgen: Wie schwimmt man im Fluß der eingangs beschriebenen und wachsenden Umsonst-Kultur mit, statt sich mit Bezahlschranken und unfunktionellen Rechteverwertungssystemen diesem Strom entgegenzustemmen?

(Der empfohlene Podcast kann auch hier direkt heruntergeladen werden)

MEIN PERSONALISIERTES ABONNEMENT

Ich habe mich entschieden und werde nicht wieder zum Abonnenten einer Zeitung oder Zeitschrift, sondern verteile dieses Geld fortan inhalts- statt redaktionsorientiert. Flattr, das ist für mich eine teilrealisierte Vision mit noch vielen unerschlossenen Potenzialen. Es macht glücklich, gute Inhalte mit einem monetären Klick zu belohnen und es ist beflügelnd, von anderen via Flattr gelobt zu werden.

Gerade in Greifswald sind die medialen Veränderungen spürbar: Die einzige Lokalzeitung schreibt sehr erfolgreich an ihren potentiellen Leserinnen vorbei, während die verbliebenen Abonnenten des Krawallblatts sukzessive und ohne Nachfolge aussterben. Für viele Greifswalder hat die Ostsee-Zeitung ihren Stellenwert als erste Informationsinstanz ohnehin eingebüßt; ihr gegenüber stehen fast 30 Blogs und eine Twitter-Gemeinde, die die Auflösung dieses Monopols bedeuten.

Flattr bringt Bewegung und im Einzelfall auch Geld in dieses Szenario und bedeutet für mich eine liebevolle Revolution in Grün-Orange, an der teilzuhaben etwas wirklich Visionäres ist.

16 Gedanken zu „Intern: Schmeicheleien via Flattr

  1. Sehr schön! Ich hab mich schon gefragt, ob du den Button nur stillschweigend einbaust oder deinen Leser_innen noch erklärst. Die nun veröffentlichte Erklärung ist sehr gelungen und wird hoffentlich zu einer größeren Verbreitung von Flattr in Greifswald führen.

    Für diejenigen, die es noch nicht wissen, auch die taz oder der Freitag setzen Flattr ein.

  2. Ich habe mit der Erklärung in der Tat sehr lange gewartet, aber nur, weil ich es einfach nicht eher geschafft habe. Medienradio.org möchte ich aber nochmal mit Nachdruck empfehlen, neben der sehr inspirierenden Flattr-Sendung gibt es inzwischen 32 andere Folgen auf hohem Niveau und mit sehr interessanten Gästen.

  3. Mir bleibt an dieser Stelle noch zu sagen, dass es der Fleischervorstadtblog war, der mich letztlich dazu bewogen hat, mich doch bei Flattr anzumelden und zu flattrn. Ich habe zwar nach wie vor mit einigen (wie ich finde) guten Argumenten gegen die Flattr-Nutzung zu kämpfen, aber der Drang, in irgendeiner Form materiell „Danke“ für das hier und anderswo Geleistete zu sagen, überwog dann doch.

  4. Schöner Beitrag 😉

    @GK says: was hast du den noch für gute Argumente gegen Flattr?

    @Sascha, Daburna Wenn man das FlattrKonto direkt per Überweisung aufladen könnte, könnte man ja irgendwie eine Dauerauftrag einrichten, aber das ist denke ich verdammt kompliziert! Eine Dauerauftrag für Kreditkarte ist glaub ich nicht möglich. Hingegen könnte eine Einzugsermächtigung mit Lastschriftverfahren eingerichtet werden…Auch kompliziert…Also doch erstmal nur einzeln überweisen

  5. @Sascha, Daburna, Thomas: Oder einfach – wie im Podcast vorgeschlagen – eine höhere Einmalzahlung tätigen. Der Monatsbetrag lässt sich ja justieren. Also zum Beispiel als Bäcker kleiner Brötchen 60 Euro auf das Flattr-Konto bringen und die dann über 1 Jahr hinweg ausschütten.

  6. @Jockel: Ich glaube dies ist gängige Praxis. Ich kann mir nicht vorstellen, dass User jeden Monat neu Geld aufladen. Die Überlegungen sind trotzdem berechtigt, da das oberste Ziel die Vereinfachung des Systems sein muss.

  7. „Gerade in Greifswald sind die medialen Veränderungen spürbar: Die einzige Lokalzeitung schreibt sehr erfolgreich an ihren potentiellen Leserinnen vorbei, während die verbliebenen Abonnenten des Krawallblatts sukzessive und ohne Nachfolge aussterben. Für viele Greifswalder hat die Ostsee-Zeitung ihren Stellenwert als erste Informationsinstanz ohnehin eingebüßt; ihr gegenüber stehen fast 30 Blogs und eine Twitter-Gemeinde, die die Auflösung dieses Monopols bedeuten.“

    Treffer – versenkt!

    30 Blogs in HaGeWe? Staun…

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