Im Gespräch mit den Gender Bender Action Days

Am 17. Mai beginnt mit den Gender Bender Action Days (G*B*A*D) ein viertägiger Veranstaltungsmarathon mit Vorträgen, Workshops, Parties und Konzerten, der dieses Jahr in nunmehr zweiter Auflage stattfinden wird. Neun Tage sind es noch bis zur Auftakt-Party — Zeit genug, um mit den beiden Mitorganisatorinnen Piet und Charly über verbogene Rollen, Polyamorie und Selbstverteidigung zu sprechen.

gender bender


FLV: Was verbindet ihr mit dem Begriff Gender Bending?

Piet: Direkt übersetzt heißt es ja, das Geschlecht zu verbiegen. Für mich bedeutet das, aus den klassischen Geschlechterrollen auszubrechen, mit dem Begriff und der Wahrnehmung von Geschlecht zu spielen und mit Rollenbildern zu brechen.

Charly: Und auch mit der Vorstellung, dass es nur zwei Geschlechter gibt.

„WIR SEHEN UNS IN DER TRADITION VON LADYFESTEN“  

FLV: Das Programm der diesjährigen G*B*A*D ähnelt — wie auch schon im Vorjahr — den Inhalten, die man in Ladyfest-Kontexten beobachten kann. Wieso organisiert ihr die G*B*A*D und kein Ladyfest? Wie ist euer Verhältnis dazu? 

Piet: Früher gab es in Greifswald eine Ladyfestgruppe, die ursprünglich das Ziel hatte, hier ein Ladyfest zu organisieren. Die haben einzelne Veranstaltungen organisiert — zu dem Ladyfest kam es allerdings leider nicht mehr. Auch wenn es inhaltlich natürlich viele Überschneidungen gibt, haben wir uns einen alternativen Namen ausgedacht. Uns richtig von den Ladyfesten abgrenzen, wollten wir damit aber nicht. Wir finden die Idee gut, unterstützen sie und sehen uns auch in der Tradition von Ladyfesten. Aber wir sind — was das Gender betrifft — eine gemischt Gruppe und fanden es deswege zu anmaßend, uns als Ladyfestgruppe zu bezeichnen. Wir kommen aus sehr verschiedenen Hintergründen.

FLV: Das führt uns gleich zur nächsten Frage: Einige Veranstaltungen eures Programms sind ausschließlich an Frauen, Lesben und Transmenschen adressiert, warum? 

Charly: Wir machen das einerseits deshalb, weil viele Frauen, Lesben und Transgender (FLT) es durch ihre Sozialisation nicht gewohnt sind, bestimmte Dinge zu machen oder anzugehen, andererseits, um Freiräume zu schaffen, zum Beispiel beim Selbstverteidigungsworkshop, wo es ja auch zu Körperkontakt kommen kann und einige den mit Männern vielleicht nicht möchten.

„EIN EMPOWERMENT FÜR FRAUEN VON FRAUEN“ 

FLV: Und welche eurer Veranstaltungen sind jetzt nur einem eingeschränkten Publikum zugänglich?

Charly: Der Selbstverteidigungsworkshop und der Open Proberaum

Piet: Wir haben auch bei anderen Veranstaltungen, zum Beispiel beim Werkzeug-Workshop, Frauen als Zielgruppe. Uns ist wichtig, dass dafür dann auch eine Frau als Workshopleiterin da ist, die gewissermaßen eine Vorbildfunktion erfüllt und zeigt, dass die Fähigkeiten, in Männerberufen zu arbeiten, nicht naturgegeben und männlich sind und dass Frauen beispielsweise mit Werkzeug genauso gut umgehen können wie Männer. Also ein Empowerment für Frauen von Frauen.

Charly: Andererseits richtet sich zum Beispiel der Workshop Männlichkeit — na und? bewusst auch an Männer

FLV: War es schwierig, entsprechend viele nicht-männlich sozialisierte Workshopleiterinnen zu finden?

Piet: Gerade die theoretischen Workshops werden von Leuten gemacht, die sich schon seit langer Zeit mit queer-feministischen Theorien beschäftigen. Mit diesem Thema arbeiten nicht nur Männer, sondern auch viele Frauen. Bei den praktischen Workshops, zum Beispiel beim Proberaum, haben wir schon gemerkt, dass nicht für alles FLT zu finden sind.

gender bender action days programmFLV: Rückblickend aufs vergangene Jahr: Wie habt ihr die diesjährigen G*B*A*D inhaltlich aufgestellt? Gab es da bestimmte Veranstaltungen oder Themen, die sich als sehr nachgefragt bewährt haben? Und gab es auch Formate, die nicht funktionierten? 

Charly: Ich war im letzten Jahr leider noch nicht dabei.

Piet: Bewährt hat sich die Party am sogenannten Herrentag — eine Alternative zum sonstigen Programm, von dem sich sonst viele fernhalten wollen. Auch die Gender Bender Glitzergeballer Party war ein Erfolg, an den wir auch in diesem Jahr anknüpfen wollen. Das gleiche trifft auch auf den Selbstverteidigungsworkshop zu, wo wir einen riesigen Bedarf gespürt haben und ihn deswegen wieder anbieten. Wir haben gemerkt, dass die eher frei konzeptionierten Veranstaltungen, wie zum Beispiel der Theorie-Workshop im vergangenen Jahr, etwas im Sande verlaufen sind. Deswegen geben wir in diesem Jahr festere Strukturen vor und bieten mehr angeleitete Workshops an.

ZWEIERBEZIEHUNGEN, POLYAMORIE UND LINKER MAINSTREAM 

FLV: Letztes Jahr gab es einen DJane-Workshop. Gibt es einen konkreten Grund dafür, dass der nicht mehr angeboten wird?

Piet: Wir haben gemerkt, dass dieser Workshop aufgrund der technischen Voraussetzungen in einer größeren Gruppe nur sehr schwer umsetzbar ist. Dieses Jahr bot sich der Workshop aufgrund zeitlicher und räumlicher Bedingungen nicht so an. Es ist aber nicht so, dass wir den Bedarf dafür nicht sehen würden.

FLV:  In einer Pressemitteilung teilt ihr unter anderem mit, dass das magere Angebot queer-feministischer Veranstaltungen in Greifswald ein Grund dafür war, die ersten G*B*A*D zu organisieren. Wie eng seid ihr mit anderen, verwandten Strukturen vor Ort vernetzt, zum Beispiel der AG Gender Trouble, dem Queer-Kompass oder den Veranstalterinnen Polyform?

Piet: Die Vernetzung von unserer Peer-Group zu den genannten Gruppen ist schwach bis nicht vorhanden. Wir haben die auch nicht aktiv mit eingebunden. Der Grund dafür ist keine Ablehnung, sondern es liegt eher daran, dass man sich persönlich wenig kennt. Wir sehen allerdings thematisch auch nicht nur Überschneidungen. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir im nächsten Jahr eine Kooperation schaffen. Bislang hat sich das nicht ergeben, aber wir waren auch nicht wirklich hinterher. Uns hat letztes Jahr sehr gefreut, dass die queere Szene — wenn man sie so nennen kann —  vermehrt zu vielen Veranstaltungen gekommen ist. Das ist für das IKUWO nicht selbstverständlich!

FLV: Um nochmal auf das diesjährige Programm zurückzukommen, über ein paar Eckunkte haben wir ja schon geredet. Was sind in diesem Jahr eure persönlichen Höhepunkte?

gender bender action days greifswaldCharly: Mein persönliches Highlight ist die Veranstaltung zu Polyamorie und Queerness. Das ist ein wichtiger Punkt, weil da nicht viel drüber gesprochen wird — da fehlt mir ein Austausch drüber. Bezogen auf die linke Szene ist es teilweise manchmal so, dass Polyamorie cool und romantische Zweierbeziehungen doof sind. Aber so richtig beschäftigt sich kaum jemand damit oder lebt es. Manche übernehmen das einfach, als Parole, als linken Mainstream.

Piet: Ich weiß, dass der Workshop zu den Rollenbildern sehr gut wird, weil ich vor kurzem auch an so einem Workshop teilgenommen habe. Da geht es viel um die eigene Kinderheit, Sozialisation und Entwicklung. Ein wichtiges Anliegen ist mir der Workshop zu Trans und Feminismus, How to be a trans ally?, weil dieses Thema sehr marginalisiert ist — gerade in Greifswald. Man hört zwar auch hier Parolen wie Gegen Transphobie!, aber was dahinter steckt, ist für viele noch Neuland, auch für mich. Mein persönliches Highlight wird aber der Reisebericht aus Kuba, wo ein Freund über seine Erfahrungen mit der kubanischen Schwulenszene erzählen wird und wir einen spannenden Film zeigen.

FLV: Wie finanziert ihr euch? Wie sieht das mit der Ökonomie aus und was kostet die Teilnahme an den G*B*A*D?

Charly: Abgesehen von den Konzerten und Parties ist die Teilnahme kostenlos, aber wir freuen uns natürlich über Spenden.

Piet: Es sind verschiedene Finanzanträge geschrieben worden. Die Rosa-Luxemburg-Stiftung wird uns fördern und auch das Quartiersbüro. Anträge sind außerdem an das Studentenwerk und das Studierendenparlament gestellt.

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Auftakt der G*B*A*D am 17. Mai im IKUWO: Scream Club (USA)

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„MAN KANN NUR DAZULERNEN UND WAHRSCHEINLICH AUCH NICHT VIEL FALSCH MACHEN“ 

FLV: Draußen hängt das Plakat des Gender Bender Art Contest. Was ist das nun schon wieder? Was wollt ihr damit erreichen und wer kann da mitmachen? 

Charly: Es geht darum, dass Leute dazu animiert werden und sich kreativ mit dem Thema auseinandersetzen. Mitmachen können natürlich alle.

FLV: Ihr ruf dazu auf, dass die Leute Kunst schaffen und die vor Beginn der G*B*A*D bei euch vorbeibringen, oder was?

Piet: Ja. Die Werke können vorher im IKUWO abgegeben werden. Inhaltlich ist nichts vorgeschrieben und wir sind über alle Sachen glücklich, seien es Malereien, Texte oder Musik. Wir würden das gerne alles vorher sammeln und dann auf der Vernissage am Eröffnungstag vorstellen.

FLV: Wollt ihr zum Abschluss noch was sagen?

Charly: Kommt vorbei und habt Spaß!

Piet: Es sind alle eingeladen, egal, wie tief sie im Thema stecken. Man kann nur dazulernen und wahrscheinlich auch nicht viel falsch machen. Probiert euch aus!

FLV: Ok, danke für das Gespräch.

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Die Gender Bender Action Days finden vom 17. bis zum 20. Mai in Greifswald statt.

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