Eine Theaterkritik von Georg Meier
Donnerstagabend, 20 Uhr, Rubenowsaal. Das Publikum sitzt sich auf zwei Tribünen gegenüber, die 46 Plätze sind nicht ausverkauft. In der Mitte eine kreisrunde Bühne, fast eine Kampfarena, an den Seiten zwei überlebensgroße Portraits einer herrschaftlichen Dame. Darunter sitzend jeweils eine Zofe, schlichtes schwarzes Kleid.
(Plakat: Theater Vorpommern)
SEICHTES UND BELIEBIGES GEDUDEL
Die Zofen spielen ein Spiel miteinander: Solange ist Claire, Claire ist die gnädige Frau und lässt sich also von sich selbst bedienen. Wer das nicht weiß, der ist verwirrt. Wer ist wer? Weder Programmheft noch Inszenierung helfen weiter. Susanne Kreckel und Josefine Schönbrodt sitzen sich gegenüber, jede hat ein Mikrofon. Wie eine Lesung fängt das Stück an, erst nach und nach spielen sich die beiden in die Figuren hinein.
Das Spiel der beiden sollte jetzt Fahrt aufnehmen, bis nach fast einer Stunde die gnädige Frau auftritt – so suggeriert es der Text, aber es gelingt nur streckenweise. Immer wieder hat man den Eindruck, als ob die Lust am Spiel – einem perversen Spiel voller Verbrechen, verbotener Erotik, wildem Freiheitsdrang und Mordlust – sich nicht recht einstellen will. Liegt es an den Schauspielerinnen? An der Inszenierung? An der lächerlich banalen Beschallung?
Die Musik – seichtes und beliebiges Gedudel bis hin zu pseudogregorianischen Mönchsgesängen – hat für mich sicherlich einiges verdorben. Da hätte ich von einer Regisseurin, die sich in ihrer künstlerischen Biographie mit Aribert Reimann und Boris Blacher beschäftigt hat, deutlich mehr erwartet. Die Bühne macht es den Schauspielern auch nicht leicht: Zwei Publikumsgruppen, die beide bespielt werden wollen. Wendet man sich der einen zu, zeigt man der anderen den Rücken.
Immer wieder gelingt das Spiel aber auch. Gerade, wenn die Zofen nach einer wilden Jagd in einem Kreis von Wut und Anmaßung wie von einer fremden Macht in die Mitte der Bühne und zu unerwarteter Nähe und Zärtlichkeit gezogen werden, entstehen eindrucksvolle Momente.
DAS SPIEL GELINGT ABER AUCH IMMER WIEDER
Die beiden Zofen haben sich schuldig gemacht, um ihr Spiel – die Zeremonie – spielen zu können. Claire hat den gnädigen Herrn durch anonyme Briefe ins Gefängnis gebracht; Solange muss versucht haben, die gnädige Frau im Schlaf zu erwürgen. Als plötzlich der gnädige Herr anruft – nicht wie geplant aus dem Gefängnis –, beginnt die Welt der Zofen auseinanderzufallen. Als dann die gnädige Frau nach Hause kommt, ist der rettende Plan klar: Die gnädige Frau muss sterben. Sie soll vergiftet werden.
Wenn Gabriele M. Püttner als die Gnädige Frau die Bühne betritt, ändert sich einiges. Mit absoluter Sicherheit beherrscht sie die Szene, ist ganz die herrische alte Schachtel – dann plötzlich unerwartet die großzügige Grande Dame, die den Zofen im Vorbeigehen die schönen Kleider schenkt, um die diese sie ermorden wollten. Ahnt die gnädige Frau etwas von den Absichten der Zofen? Oder ist es einfach ihre Selbstsicherheit, die sie letztlich davor bewahrt, den vergifteten Tee zu trinken?
Hier macht auf jeden Fall das Zuschauen Spaß, kleine Lacher im Publikum, das Absurde der existenziellen Situation kommt hervor, die Sache nimmt Fahrt auf. Auch die anderen beiden Schauspielerinnen wirken auf einmal überzeugender. Dann entweicht die gnädige Frau, die Zofen ziehen die Konsequenzen – ein unsägliches Schlussbild zu schlechter Musik.
Werbung
Für mich war Die Zofen ein schöner Theaterabend. Da war zwar an einigen Stellen viel Luft nach oben, aber gelangweilt habe ich mich nicht. Mit etwas Mühe konnte man die schönen Momente vor dem Frust über die anderen retten. Für mich am schlimmsten war die Besucherzahl: Keine fünfzig Leute in dieser Stadt, die eine Premiere am Theater Vorpommern sehen wollen?
Fazit: Eine verhaltene Empfehlung. Schauen Sie sich Die Zofen an, aber erwarten Sie nicht zu viel!
(Fotos: MuTphoto)
Die Zofen
Ein Schauspiel von Jean Genet
Inszenierung : Sabine Kuhnert
Ausstattung: Julia Ries
Dramaturgie: Franz Burkhard
Nächste Vorstellungen in Greifswald: 21./29 März, 5./29. April
Infos und Karten: Theater Vorpommern
___________________________________
Georg Meier ist Mitglied des Studententheaters StuThe e. V.
Da liest man den nächsten Gastbeitrag über ein Theaterstück und muss es schon wieder sagen: Wo sind Sie denn gewesen, Herr Meier? Und verwunderlich: Wiederum teile ich das Gesamturteil. Nicht völlig misslungen und auch nicht langweilig, aber mit viel Luft nach oben. Trotzdem einige Dinge, die ein aufmerksamer Theatergänger bemerkt hätte, die Herr Meier leider völlig übersehen hat.
1. Die Sache mit der kreisrunden Bühne, fast einer Kampfarena. Warum nennen wir das Kind nicht beim Namen? Eine Drehbühne. Die von Hand gedreht wird und dazu noch laut rumpelt. Und wie schon bei anderen Inszenierungen in dieser Spielzeit wird diese Drehbühne völlig unmotiviert und andauernd gedreht. Warum? eine einfache Begründung drängt sich auf: Das Theater in Stendal hat keine Drehbühne. Dann soll man halt mit der im großen Saal rumspielen. Aber noch eine in den Rubenowsaal bauen? Völlig unnötig.
2. Die Sache mit der Verwirrung. Georg Meier ist verwirrt, weil er nicht sofort verstanden hat, wer wer ist. Was soll denn das? Jeder ist irgendwann mal verwirrt, warum darf man das im Theater nicht auch mal sein? Es soll total spannend sein und man soll sofort wissen, wer wer ist. Denken Sie mal scharf nach, Herr Meier.
3. Die Sache mit der Musik. Ja, das war keine E-Musik. Na und? Emotionale Klänge, die eher wie Filmmusik wirken sollten und das zumindest bei mir auch getan haben. Das war vielleicht nicht sehr innovativ, aber wirkungsvoll. Abgesehen von den Mönchsgesängen, da gebe ich Herrn Meier ja Recht.
4. Liegt es an die Schauspielerinnen, wenn das Stück nicht richtig in Fahrt kommt? Warum traut sich Georg Meier denn nicht, auf diese Frage auch zu antworten? Ja, Susanne Kreckel spielt nicht überzeugend, das kann man ruhig laut sagen. Das reicht nicht. Josefine Schönbrodt ist überzeugender. Und das obwohl sie eigentlich Puppenspielerin ist. Aber wirklich gut ist sie auch nicht. Und ich finde den Auftritt von Gabriele Püttner auch zweischneidig. Klar hat sie einen starken Auftritt, aber sie spielt die anderen beiden so an die Wand, dass es einen so vielseitigen Blick auf die Figur, wie sie Georg Meier zeichnet, eigentlich nicht zulässt. Ich finde die Grande Dame also deutlich hereininterpretiert, die habe ich nicht gesehen.
5. Das unsägliche Schlussbild zu schlechter Musik. Erstmal: Warum schon wieder um den heißen Brei herumreden? Wir sehen eine der Zofen reglos in der Mitte der Drehbühne in einem roten Kleid. Die andere dreht die Bühne und rennt außen im Kreis. Ich finde ein starkes Bild und es bringt für mich das Thema des Stücks in einem Bild auf den Punkt. Was ist denn da bitte unsäglich? Da hat wahrscheinlich einer die Intensität nicht ausgehalten, Herr Meier, oder?
6. Die Zuschauerzahl. Da ist die Antwort auf Georg Meiers Frage doch so einfach wie traurig, oder? Keine fünfzig Leute, die die Premiere sehen wollten, weil die anderen Premieren in dieser Spielzeit einfach nicht gut waren.
Ich kann hier meinen Aufruf also nur wiederholen: Schreibt bessere Rezensionen. Das war ja wohl nichts, Georg Meier.
Und bessere Inszenierungen könnte man am Theater Vorpommern auch gerne sehen, aber zumidest hätte man ja mal sagen können, dass ein vielseitiges Stück ausgewählt wurde, aber da sucht man vergebens nach einer Einschätzung in Herrn Meiers Rezension.