Arena der Alltagsakrobaten — Susanne Kreckel feiert am Theater Vorpommern eine „Show des Scheiterns“

Eine Theaterkritik von Florian Leiffheidt

In einer Zeit, in der Fernsehprogramme Paare anhand ihrer nackten Körper zu verkuppeln suchen, in der es Filme braucht, um auf die Gefahren von überperfektionierten Vorstellungen hinzuweisen — in so einer Zeit erscheint die jüngste Inszenierung von Susanne Kreckel am Theater Vorpommern wie nahezu perfekt gesetzt.

MACHTkörper oder „Die Show des Scheiterns!“, eine Inszenierung, welche am vergangenen Freitag auf der Bühne des ausverkauften Rubenowsaals Premiere feierte, entstand in einer Arbeit Kreckels mit einem Team aus theaterinteressierten Bürger*innen Greifswalds, ein Umstand, welcher sich als Glücksfall erweisen sollte. Jung neben alt, heimisch neben zugezogen, Abiturientin neben Wissenschaftler — so viel sei zu der Konstellation der Darstellenden gesagt.

MACHTKörper Theater Vorpommern

Sie alle präsentieren ihre Geschichten von bzw. Erlebnisse mit ihren Körpern und allen erdenklichen Widrigkeiten, die durch gesellschaftliche Vorstellungen von Optimierung, Schönheits- und Gesundheitswahn entstehen können. Es werden zeitgleich jene Probleme verhandelt, welche der Körper seinen Besitzenden zu bescheren im Stande ist. Und, so viel steht fest, es ist ein Fest, diesem Zirkus der Alltagsakrobaten, diesem Panoptikum physischer wie psychischer Problemfälle zuzusehen. Hereinspaziert in die Manege der (vermeintlich) Missgebildeten!

Zwischen Alltagsbanalität und Intellekt

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Oleanna – Ein Machtspiel

Eine Theaterkritik von Georg Meier 

Die Leitung des Theaters Vorpommern hat es sich ja schon vor einer Weile auf die Fahnen geschrieben, ein neues, junges Publikum ins Theater zu holen. Mit „Oleanna – Ein Machtspiel“ von David Mamet ist dafür ein Stück ausgewählt worden, dessen Ausgangssituation jeder Studentin und jedem Studenten in Greifswald zumindest prinzipiell vertraut ist: Ein Dozent, der in der Sprechstunde sehr freundlich ist und auf die Probleme der Studentin eingeht, belässt es nicht nur beim Schwadronieren, sondern wird plötzlich aufdringlich, sucht körperliche Nähe und verspricht eine Verbesserung der Note außerhalb der institutionellen Regeln.

Oleanna ein Machtspiel, Inszenierung am Theater Vorpommern 2014

DIESEN KLEINEN SCHRITT ZU DICHT AN SEINE STUDENTIN HERANTRETEN „Oleanna – Ein Machtspiel“ weiterlesen

Mazel tov! – Premiere von „Anatevka“ sorgt für ausverkauftes Haus am Theater Vorpommern

Eine Theaterkritik von Florian Leiffheidt

Lange musste man als Besucher des Schauspiels am Theater Vorpommern warten, um eine ausverkaufte Premiere wie die des Musical-Klassikers Anatevka, die am vergangenen Samstag stattfand, erleben zu können. Ein volles Haus, ein ausgelassenes Publikum, eine muntere Premierenfeier — was war geschehen? „Mazel tov! – Premiere von „Anatevka“ sorgt für ausverkauftes Haus am Theater Vorpommern“ weiterlesen

Ein Netz der Beliebigkeit — André Rößler inszeniert Hebbels „Gyges und sein Ring“ am Theater Vorpommern

Eine Theaterkritik von Florian Leiffheidt 

Selten aufgeführte und somit unbekannte Dramen zu zeigen, scheint dem Theater Vorpommern seit dem Wechsel der Intendanz im Sommer 2012 ein großes Anliegen zu sein: Nachdem in der letzten Spielzeit Die Ballade vom traurigen Café und Gerhart Hauptmanns Der weiße Heiland inszeniert worden sind, gab es nun also Friedrich Hebbels Gyges und sein Ring.

Theater Vorpommern Gyges

Angesichts der Fülle möglicher Themen und gesellschaftlich interessanter Fragestellungen, die dieses Dramas bietet, mag man sich fragen, warum es so selten inszeniert – also in Szene gesetzt – wird. Die Handlung der Hebbel’schen Tragödie ist dagegen schnell zu formulieren: Kandaules, der König von Lydien, hat eine Frau, die als die schönste Lebende gilt – doch darf außer ihm selbst niemand ihr Gesicht erblicken. Durch einen vermeintlichen Freundschaftsdienst des Griechen Gyges – vollbracht mittels eines Ringes, welcher seinen Träger unsichtbar werden lässt – nimmt das tragische, letztlich fatale Schicksal seinen Lauf. „Ein Netz der Beliebigkeit — André Rößler inszeniert Hebbels „Gyges und sein Ring“ am Theater Vorpommern“ weiterlesen

Weiter so! — Wannie de Wijns DER GUTE TOD begeistert Greifswalder Publikum

Eine Theaterkritik von Florian Leiffheidt

Plakat Der gute Tod

Wer am Samstagabend nicht zu denen zählte, die sich dem historischen Sportereignis widmeten, sondern sich ins Theater Vorpommern begab, konnte etwas ähnlich Seltenes, weil selten Gewordenes, erleben: Nämlich, dass Theater im Stande sein kann, zu berühren und zu packen. Grund für dieses Erlebnis war die Premiere von Wannie de Wijns Stück „Der gute Tod“, inszeniert von Hannes Hametner. Und bereits vorab sei gesagt: Bei dieser Inszenierung stimmt alles!

„DER TOD IST EURE SACHE, MEINE IST DAS STERBEN“

De Wijn widmet sich in seinem Text einem schwierigen, weil kontroversen, Thema – Sterbehilfe oder, wie es eine der Personen auf der Bühne am Abend nennen wird: Euthanasie. Dabei bezieht das Stück keine Position, zeigt nicht den Prozess bis zur Entscheidung, sondern thematisiert, wie Angehörige und Freunde mit dem Entschluss umgehen.

Bernhard Keller (Marco Bahr) hat Lungenkrebs im „terminalen Stadium“; ihm bleiben zwei Wochen, wahrscheinlich unter starken Schmerzen und mit stetiger Angst vor seinem Tod. Um sich dieser zu entziehen, hat er seinen besten Freund und Arzt, Robert (Lutz Jesse), gebeten, ihn von seinem Leid zu erlösen. Geschehen soll dies in Bernhards Haus, im Kreise seiner Lieben: seiner neuen Lebensgefährtin Hannah (Katja Steuer) und der geliebten Tochter Sam (Susanne Kreckel). Sie ist es schließlich, die auch die beiden Brüder von Bernhard ins Haus einlädt: den Geschäftsmann Michael (Markus Voigt) – der vor zwanzig Jahren selbst mit Hanna liiert war – und den verhaltensauffälligen kleinen Bruder Ruben (Alexander Frank Zieglarski).

Der gute Tod Theater Vorpommern
Lutz Jesse (Robert), Katja Steuer (Hannah)

Sie alle versammeln sich, um ihren Freund, Bruder, Partner, Vater in seinen letzten Stunden zu begleiten, bei ihm zu sein. Denn am nächsten Morgen um neun Uhr ist alles vorbei – so ist es Bernhards Wille.

ZWISCHEN PARTY UND BEGRÄBNISSTIMMUNG – FABELHAFTE ENSEMBLELEISTUNG „Weiter so! — Wannie de Wijns DER GUTE TOD begeistert Greifswalder Publikum“ weiterlesen

Nicht völlig misslungen – „Die Zofen“ am Theater Vorpommern

Eine Theaterkritik von Georg Meier

Plakat Die Zofen Theater Vorpommern

Donnerstagabend, 20 Uhr, Rubenowsaal. Das Publikum sitzt sich auf zwei Tribünen gegenüber, die 46 Plätze sind nicht ausverkauft. In der Mitte eine kreisrunde Bühne, fast eine Kampfarena, an den Seiten zwei überlebensgroße Portraits einer herrschaftlichen Dame. Darunter sitzend jeweils eine Zofe, schlichtes schwarzes Kleid.

(Plakat: Theater Vorpommern)

 SEICHTES UND BELIEBIGES GEDUDEL 

Die Zofen spielen ein Spiel miteinander: Solange ist Claire, Claire ist die gnädige Frau und lässt sich also von sich selbst bedienen. Wer das nicht weiß, der ist verwirrt. Wer ist wer? Weder Programmheft noch Inszenierung helfen weiter. Susanne Kreckel und Josefine Schönbrodt sitzen sich gegenüber, jede hat ein Mikrofon. Wie eine Lesung fängt das Stück an, erst nach und nach spielen sich die beiden in die Figuren hinein.

Das Spiel der beiden sollte jetzt Fahrt aufnehmen, bis nach fast einer Stunde die gnädige Frau auftritt – so suggeriert es der Text, aber es gelingt nur streckenweise. Immer wieder hat man den Eindruck, als ob die Lust am Spiel – einem perversen Spiel voller Verbrechen, verbotener Erotik, wildem Freiheitsdrang und Mordlust – sich nicht recht einstellen will. Liegt es an den Schauspielerinnen? An der Inszenierung? An der lächerlich banalen Beschallung?

die zofen

Die Musik – seichtes und beliebiges Gedudel bis hin zu pseudogregorianischen Mönchsgesängen – hat für mich sicherlich einiges verdorben. Da hätte ich von einer Regisseurin, die sich in ihrer künstlerischen Biographie mit Aribert Reimann und Boris Blacher beschäftigt hat, deutlich mehr erwartet. Die Bühne macht es den Schauspielern auch nicht leicht: Zwei Publikumsgruppen, die beide bespielt werden wollen. Wendet man sich der einen zu, zeigt man der anderen den Rücken.

Immer wieder gelingt das Spiel aber auch. Gerade, wenn die Zofen nach einer wilden Jagd in einem Kreis von Wut und Anmaßung wie von einer fremden Macht in die Mitte der Bühne und zu unerwarteter Nähe und Zärtlichkeit gezogen werden, entstehen eindrucksvolle Momente. „Nicht völlig misslungen – „Die Zofen“ am Theater Vorpommern“ weiterlesen