Drohkulisse und Sammelwahn: Die NPD startet in den Wahlkampf

Das Werben um die meisten Stimmen bei der bevorstehenden Bundestagswahl hat natürlich nicht erst vor wenigen Tagen begonnen, jedoch ist inzwischen auch in Greifswald kaum mehr zu übersehen, dass der Wahlkampf an Fahrt aufnimmt: Laternen werden von Plakaten mit zweifelhaftem Inhalt geschmückt, ab und zu guckt ein Politpromi vorbei und nachts fahren Neonazis durch die Straßen und bringen ihre Wahlwerbung an die Masten. Der sich regelmäßig wiederholende Wahlkrampf kann in seiner jetzigen Phase durchaus auf diese Vereinfachung reduziert werden.

Bewaffnete Neonazis bedrohen Hausbesitzer

Überhaupt mag die Nörgelei darüber, wie die Parteien um die Gunst ihrer Wähler buhlen, seit Wochen nicht abbrechen. In den Feuilletons wird nimmermüde gepredigt, dass die deutsche Bevölkerung den Wahlkampf abkriegen würde, den sie verdiene. Das klingt erstmal einleuchtend, nur bleibt dieser Satz eine Antwort auf die Frage schuldig, womit man so einen 15-20 Personen zählenden Neonazi-Mob verdient hat, wie er gestern Nacht mit Kleintransportern durch Greifswald fuhr und Plakate der NPD aufgehängte. Dabei wurden auch die Werbemittel der demokratischen Parteien in Mitleidenschaft gezogen, die mit Aufklebern überklebt und zum Teil auch entfernt worden sein sollen. Über Twitter wurde zur Umsicht gewarnt, Neonazis würden in Fahrzeugen patrouillieren.

Die Polizei teilt heute mit, dass sie um 01.30 Uhr in die Grimmer Straße gerufen wurde. Vor dem Haus mit seiner bunten Fassade sollen sich 15-20 Personen — teilweise vermummt und mit Stöcken bewaffnet — versammelt haben, die die Bewohner dazu aufforderten, herauszukommen. Nachdem die Aggressoren, die der rechten Szene zugeordnet wurden, die Scheibe der Hauseingangstür zerstört haben, fuhren sie in drei Kleintransportern davon. In weiträumiger Fahndung hielten Polizisten Fahrzeuge an, die den Beschreibungen von Zeugen entsprochen haben sollen. Dabei wurden die Identitäten der Verdächtigen, gegen die jetzt wegen Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung ermittelt wird, festgestellt.

Hipster Antifa Greifswald animiert zum Sammelwahn

Die Hipster Antifa Greifswald ihrerseits macht etwas aus diesem traurigen Wahlkampf und ruft mit dem „Sammelwahn“ ein altbekanntes Spiel in Erinnerung, bei dem es darum geht, bis zur Wahl möglichst viele Plakate und Aufkleber der NPD aus dem Verkehr zu ziehen.

Nachdem in der vergangenen Nacht viele NPD-Plakate wieder so schnell verschwunden sind, wie sie angebracht wurden, ist anzunehmen, dass sich die hippen Antifaschistinnen einen nicht unerheblichen Startvorteil gesichert haben — ihr bei Facebook veröffentlichtes Foto der bisherigen Ausbeute zeigt, dass sie beim gegenwärtigen Punktsystem (ein Nazi Sticker = ein Punkt, ein Nazi Plakat = 5 Punkte, 1 Nazi Sticker überklebt = 2 Punkte) schon gut vorgelegt haben. Wer da noch mitziehen möchte, sollte sich jetzt sputen — am Hansering und den Ausfallstraßen der Stadt gibt es noch ein paar Punkte zu holen!

16 Gedanken zu „Drohkulisse und Sammelwahn: Die NPD startet in den Wahlkampf

  1. Hi,

    ich mache mir zunehmend Sorgen um Leute, die sich auf die von dir beschriebene Art um Nazipropaganda in unserem Lebensraum kümmern. In Zeiten von Funkzellenüberwachung und Bestandsdatenauskunft stelle ich es mir sehr leicht vor zu ermitteln, wer wann und zu welcher Zeit war und eventuell Plakate abgerissen hat.

    Ich will damit sicher keine Panik schüren oder die Hipster Antifa Greifswald von ihrem Spiel abhalten, hoffe aber, dass sich die Aktion nicht zum Boomerang entwickelt für die Mitspieler.

    1. Eine ausführliche Spielanleitung mit taktischen Tipps, welche Gegenstände die Mitspielenden lieber zuhause lassen sollten, fehlt den HAGs tatsächlich noch. Allerdings denke ich, dass für die Kümmerer derzeit noch die Neonazis eine größere Gefahr darstellen als funkzellenabfragende Ermittlungsbehörden.

      1. Da wäre ich mir, insbesondere angesichts der sehr weitgehenden Regelung der mecklenburg-vorpommerschen polizei- und ordnungsrechtlichen Befugnisse, die es selbst Dorfpolizisten ermöglicht, ad hoc z.B. PINs und PUKs und andere beliebige von unliebsamen Mitbürgerinnen auf Knopfdruck abfragen zu können – ohne richterlichen Beschluss wohlgemerkt – , gar nicht so sicher.

        Zum Beispiel könnte irgendwo ein Dorfpolizist mit Internetschluss seine rechten Freunde (ich weiß, das kommt so gut wie gar nicht vor (-: ) darüber informieren, wann und wo und mit wem sich die beiden dorfbekannten linken Einwohner_innen so treffen, welche Aktionen sie planen (Abfrage der Cloudpasswörter ergibt Einblick in private Nachrichten, Freundesnetzwerke etc.) usw. Übertrieben? Ich glaube nicht.

        Man braucht wirklich nicht viel Fantasie um sich auszumalen, was alles möglich ist, weshalb sich Akteur_innen sehr gut überlegen müssen, welche Daten sie möglicherweise überall hinterlassen.

        1. Das Entfernen von Aufklebern kann meines Wissens nach zu keiner strafrechtlichen Verfolgung führen.
          Davon mal abgesehen ist natürlich zu beachten, dass, sobald man sich mit seinen Taten in strafrechtlich relevanten Bereichen bewegt, man sich selber absichert, ob nu gegen Faschos oder die Cops.
          Wie man das tut und was man fürchtet bleibt jedem selbst überlassen … am Ende ist es ja nur ein Spiel! 😉

          1. Absichern ist ja ein gutes Stichwort. Wenn ich es mir erlauben könnte Plakate zu entfernen (geht nicht, wenn sie mich dran kriegen habe nicht nur ich sondern vermutlich auch andere ein Problem, darum kann ichs einfach nicht bringen), würde ich sehr gern mein Handy dabei haben, um mich gegebenenfalls mit anderen verständigen oder Hilfe rufen zu können.

            Gleichzeitig müsste ich mir aber überlegen, ob die Polizei, wie Julia oben schon richtig schrieb, nicht ihre weitreichenden Befugnisse nutzt, um mich aufzuspüren. Und da reicht es unter Umständen eben schon, das Handy auch nur in der Tasche gehabt zu haben. Egal ob an oder aus. Ich kann nicht beurteilen, ob die Hipster Antifa dieses Problem so auf dem Schirm hat. Darum die „Warnung“.

            Keep on Gaming!

  2. ich bin ja jetz nich so juristisch bewandert, aber person xy is irgendwann mal in einer funkzelle gewesen wo ein plakat abgerissen wurde (ich bin mir ziemlich sicher dass sich die npd keine technik leisten kann die ein deplakatieren zeitlich genau erfasst) klingt ein bisschen dürftig für ne verurteilung wegen irgendwas. aber hey, vielleicht lassen sich ja ein paar eingeschüchterte von fbm am deplakatieren hindern, toller propagandaerfolg. mal ganz davon abgesehen dass selbst moderne smartphones nicht festgewachsen sind.

    1. Hallo Katzenmem,

      ich würde es sicher nicht als Erfolg betrachten, wenn Leute meiner Warnung wegen nichts gegen Nazis unternehmen. Es wäre aber umso schlimmer, wenn sie wegen neuartigen Ermittlungsmethoden Post von der Staatsanwaltschaft bekämen.

      Wie wahrscheinlich mag sowas sein? Ich weiß es nicht und kann mir nur Szenarien überelgen.
      Die Zahlen aus Schleswig-Holstein suggerieren, dass nur wenige Verurteilungen auf Funkzellenabfragen resultiert sind. Aber so ähnlich war das irgendwann auch mal mit IPs bei Filesharing. Ich weiß nicht, wie eng die Funkasten in Greifswald stehen und wie oft man die Funkzelle wechselt, wenn man z.b. von der EuroX zur Esso-Tankstelle in der Stralsunder Straße geht. Ich würde mir aber vorstellen, dass die Polizei womöglich schon bestimmte Personen aus der Antifa-Szene kennt. Sollte eine solche Person dann zu einer Tatzeit durch eine oder mehrere Funkzellen entlang eines Tatorts gegangen sein, dann hätte die Polizei womöglich einen hinreichenden Anfangsverdacht, um z.B. mal das Telefon zu beschlagnahmen. Handelt es sich um ein Smartphone, könnte man dort z.B. Geopositionsdaten finden was dann ziemlich genau die Wegstrecke des Betroffenen dokumentieren dürfte. Das ist nur ein Szenario, ich bin weder mit der Arbeitsweise der Polizei noch mit dem ganzen Technik-Klimbim besonders vertraut. Gerade darum würde ich, wenn ich irgendwas vor hätte, was moralisch einwandfrei aber aber juristisch leider problematisch ist, das Handy zu Hause lassen.

      1. ich bin mir jetzt nicht so sicher ob gps per default eingeschaltet ist und mitprotokolliert. aber klar, mit der „falschen“ app auf dem telefon wird sowas schon deutlich unangenehmer und dein szenario is schon nich völlig an den haaren herbeigezogen, theoretisch können auf nem smartphone relativ genaue positionsdaten sein und die sogar in evtl guter zeitlicher auflösung.
        wieder spekulativ: die funkzellendichte wird hier wohl eher niedrig sein…wenig leute -> wenig handys -> wenig netzinfrastruktur.
        was ich eigentlich sagen will: ich bin mir nicht sicher ob ich es für unsicherer halten würde mit oder ohne handy sowas machen zu gehen. kein handy bedeutet nämlich im zweifelsfall auch keine freunde die einen besuchen kommen wenn man sich grad mal alleine oder in ner kleinen gruppe nich so wohl fühlt.

  3. Pingback: webMoritz.de

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