Nachdem die neue „Friedensbewegung“ vor einer Woche das erste Mal in Rostock demonstrierte, war es nur eine Frage der Zeit, bis die sogenannten Montagsdemonstrationen ihren Weg auch nach Greifswald finden würden. Heute Abend um 19 Uhr ist es soweit — auf dem Marktplatz findet Greifswalds erste Montagsversammlung statt.
KRUDE WORTBEITRÄGE: MANIPULIERTE MEDIEN, CHEMTRAILS UND DIE ROTHSCHILDS
Obwohl die Montagsdemonstrationen seit 1989 hierzulande eigentlich einen ganz guten Ruf genießen und auch ihre erste Neuauflage — die seit 2004 bundesweit gegen die Hartz-IV-Gesetze gerichteten Demonstrationen — gesellschaftliche wie mediale Resonanz fanden, gestaltet sich der Fall bei der neuen „Friedensbewegung“ ungleich schwieriger. Aktivisten dieser neuen „Bewegung“ beklagen, dass ihr Anliegen von den mehrheitlich in amerikanischem Besitz befindlichen deutschen Mainstream-Medien ignoriert werden würde, und forderten ihre Anhänger dazu auf, dieses Problem durch vehementes Auftreten auf den Medienseiten sozialer Netzwerke anzugehen.
Doch die neue Strömung wird auch heftig kritisiert. Das beginnt bei der dominierenden Rolle, die Jürgen Elsässer (Compact) und Ken Jebsen (KenFM) im Kosmos der neuen Montagsdemos spielen, und setzt sich bei den Inhalten einiger Redebeiträge fort, in denen wahlweise der amerikanischen Notenbank Federal Reserve (FED) oder der Familie Rothschild die Schuld an sämtlichen Kriegen der vergangenen 100 Jahre zugeschrieben wurde.
Die krude Mischung der Demonstrierenden wird durch Verschwörungstheorie, Truther- beziehungsweise Wahrheitsbewegung und Esoterik abgerundet. Wer zu diesem Thema die Kommentare in sozialen Netzwerken querliest, braucht nicht viel Zeit mitzubringen, um die Stichwortliste für einen langen Bingo-Abend am Rand einer solchen Versammlung vollzukriegen: „3. Weltkrieg“, „manipulierte Propaganda-Medien“, „Konzerne“, „FED“, „Amerikanische Interessen“, „Lügenpresse“, „Chemtrails“ — um mal eine vergleichsweise harmlose Auswahl zu zitieren. Die Montagsdemonstrierenden der aktuellen Stunde wollen etablierte Gräben zwischen rechts und links, zwischen oben und unten überwinden und durch ihre kontinuierliche Präsenz auf Frieden und eine gesellschaftliche Veränderung hinwirken. Und sie verstärken ganz nebenbei Auflage und Popularität des Compact-Magazins.
GREIFSWALDER MONTAGSDEMO FÜR GESPRÄCHE UND DIREKTE DEMOKRATIE
Die Demonstration, die heute auf dem Greifswalder Marktplatz stattfinden wird, unterscheidet sich hoffentlich von den beschrieben Zusammenkünften, zumindest ein wenig. Die als „Montagsversammlung“ titulierte Veranstaltung will sich an die Montagsdemos von 1989 anlehnen und zu Gesprächen zu versammeln, da Politik in die Öffentlichkeit und nicht ins Hinterzimmer gehöre.
„Wir nennen die Veranstaltung extra Montagsversammlung, da wir Bürger sind und souverän, eigenverantwortlich und unparteilich reden und zuhören wollen. Es geht nur noch entfernt um die alten Denkschematas von Links/Rechts, Oben/Unten und Reich/Arm, deren Auswirkungen unsere Gesellschaft ja gerade bestimmen. Es geht eher um die Aussage Einsteins: Man kann Probleme nicht mit den Mitteln lösen, mit denen sie verursacht wurden. Wer also Lust hat sich in ein „neues“ Feld namens ‚Direkte Demokratie‘ zu wagen ist herzlich eingeladen am Montag da zu sein. Kein Führer, keine Parolen, kein Gejohle, kein hohles Parteiphrasengequatsche, keine Versprechungen — dafür gemeinsames Überlegen, Denken, Reden und Zuhören.“ (Aus dem Versammlungsaufruf, Rechtschreibfehler im Original)
Zu den Unterstützerinnen dieser Demonstration gehört unter anderem Susanne Wiest, die sich seit Jahren für ein bedingungsloses Grundeinkommen engagiert und für direkte Demokratie einsetzt. Ob sie sich für dieses hehre Ziel bei der Montagsdemo in guter Gesellschaft befindet, wird der heutige Abend zeigen. Auch wenn kein Ken Jebsen zu erwarten ist, so sei allen, die sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen wollen, eine gesunde Portion Skeptizismus angeraten. Und wenn es in Greifswald auch so esoterisch wie in Rostock läuft, noch ein ganz ganz dickes Fell dazu, schwing, schwing!
Mehr zum Thema neue Montagsdemos:
- Ein kurzer Bericht von der #Montagsquerfront in Rostock (Kombinat Fortschritt, 06.05.14)
- Für Frieden, gegen Rothschilds. In Deutschland formiert sich eine rechte Protestbewegung (Jüdische Allgemeine, 25.04.14)
- Montagsdemos – Der Faktencheck (Lower Class Magazine, 23.04.14)
- Montagsdemo unter der Lupe (3): Antiamerikanismus, Frieden und der Antisemitismusvorwurf (LIZ, 21.04.14)
- Im Kampf gegen die Medien-Mafia. Neurechte „Friedensbewegung“ (taz, 16.04.14)
- Jutta Ditfurth und die Montagsdemos (3sat)
Ehrlich gesagt kenne ich mich mit dieser ganzen Materie noch nicht gut genug aus aber ich muss leider sagen dass Politik, Wirtschaft, Medien und gewissen gesellschaftliche Aspekte diesen fragwürdigen Gestalten genug Zündstoff bieten um zu einer neuen Macht zu werden.
Leider okkupieren diesen neuen Gruppen Diskusionsaskpekte und Haltungen so sehr, so dass jemand, der gewisse Meinungen hat oder Haltungen vertritt die leider auch bei dieser neuen Gruppierung auftritt, ins Zwielicht gerät und mitunter an den Pranger gestellt wird. Und das ist das traurige und wird den relativ freidlichen Charakter einer Gesellschaft aus den Takt bringen und lässt die Zukunft nur noch düster erscheinen.
wie wars denn?
Aus der Ferne beobachtet eine relativ müde Veranstaltung mit ungefähr 50 Teilnehmenden, darunter eine größere Zahl Waldorfschüler. Auf ihrer Facebook-Seite zeigen sich die Montagsdemonstrierenden dennoch sehr zufrieden:
Zur Ergänzung: Unter den kritischen und skeptischen Beobachtern der Versammlung (eine Gegendemo war´s [noch] nicht) waren auch Waldorfschüler.
ich sehe das ähnlich wie: http://misanthrope.blogger.de/STORIES/2401873/
weniger bashing, mehr einmisching und bitte etwas Geldud mit Menschen die sich nicht schon 5, 10, 20 oder mehr Jahre mit politischen, wirtschaftlichen, soziologischen Themen auseinandersetzen.
Hi Jockel, ich finde Deine Skepsis ja ok, aber dann wäre auch etwas differenziertere Kritik angebracht. Vielleicht hilft das weiter:
Ken Jebsen im Gespräch mit Pedram Shahyar (ATTAC): https://www.youtube.com/watch?v=24AwvpTNp8g&list=UUr6VVXep3Fs5EOtjMK3i2AQ&index=1
Ansonsten würde mich schon interessieren, wie Du zu Deinem Urteil über Ken Jebsen kommst. Hier mal ein Ausschnitt aus der Liste von Interviews aus Jebsens Sendung:
-Evelyn Hecht-Galinski (http://de.wikipedia.org/wiki/Evelyn_Hecht-Galinski)
-Nico Paech
(http://de.wikipedia.org/wiki/Niko_Paech)
-Jürgen Rose
(http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Rose_%28Publizist%29)
-Willy Wimmer
(http://de.wikipedia.org/wiki/Willy_Wimmer)
-Andreas v. Bülow
(http://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_von_B%C3%BClow)
-Daniele Ganser
(http://de.wikipedia.org/wiki/Daniele_Ganser)
– uvm. ….
Ich habe die alle gehört. Mit Neurechts, Querfront oder ähnlichem Stuß hat zumindest Jebsen nichts gemein. Ich höre KenFM seit dem es an den Internetstart ging und denke, dass ich mir daher ein fundiertes Urteil über Jebsens Tätigkeit erlauben kann.
Ich habe mir auch div. Sachen von Hr. Popp und Elsässer reingezogen. Ich finde beide sehr fragwürdig, insbesondere Hr. Popp ist für mich ein Bettwäscheverkäufer. Ob Elsässers Compact-Magazin nun durch die Decke geht? Ich zweifle das mal an, dazu ist das zu Hardcore konservativ. Auf den Videos aus Berlin bekommen die dort auch kaum/keinen Beifall. Vgl. dazu Jebsen.
Ich teile daher nachfragas Meinung, dass man hingehen sollte und den Leuten zeigen, wo die Probleme genau liegen und den Schwung der Bewegung nutzen. Die Menschen spüren das etwas grandios schief läuft. Da wäre weitere Aufklärung derer, die sich aus dem Haus wagen, durch die Linke dringend notwendig. Aber doch nicht, in dem man Ihnen erklärt, dass sie bitteschön nicht gegen Krieg/Unrecht/Kapitalismus usw. sein dürften und sie ohnehin die flaschen wären…
Das Schwierigste haben diese Leute der linken Bewegung ohnehin schon abgenommen. Nämlich überhaupt aus dem Haus zu gehen.
Das Letzte, was diese Menschen gebrauchen können ist, dass kübelweise Ausgiessen von Häme und Spott über ihren Köpfen und ihr Engagement schon im Keim erstickt wird („…Krude Mischung…“). Man sollte sie also lieber an die Hand nehmen.
Pedram Shahyar macht es ja vor.