OB-Wahl 2015: Die Wahlwerbespots der beiden Favoriten

Am 26. April wird in Greifswald ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Schon seit Wochen laufen sich die drei Kandidaten Stefan Fassbinder (Grüne), Jörg Hochheim (CDU) und Björn Wieland (Die Partei) für diese Wahl warm und je dichter das Votum rückt, desto emsiger und präsenter werden sie.

die partei bjoern wieland greifswaldMittlerweile glotzen die drei Bewerber allerorten von den Laternenpfählen und selbst auf den großen Online-Plattformen des Bewegtbilds wird man an die bevorstehende Oberbürgermeisterwahl erinnert, zumindest dann, wenn man die Wahlwerbespots von Stefan Fassbinder und Jörg Hochheim anklickt, in denen die beiden Kandidaten über sich und ihre zu verwirklichenden Ziele als Oberbürgermeister sprechen. Beide Filme wurden von Greifswald TV produziert und auf angenehme Weise aus dem gleichen Guss gefertigt, so dass sich niemand auf gegensätzliche Ästhetiken einstellen muss, sondern die Grenzen zwischen beiden Kandidaten auf vielsagende Art verschwimmen, oder doch nicht?

(Foto: Björn Wieland via Facebook) 

Insignien der (Gestaltungs-)Macht: Akte und Bauhelm

„Gemeinsam Greifswalds Zukunft gestalten“ möchte CDU-Kandidat Jörg Hochheim, der seit mehr als 20 Jahren in der Stadtverwaltung tätig ist und 2011 zum Dezernenten und stellvertretenden Oberbürgermeister wurde. Der Bratwurstenthusiast und Hobbytänzer wirbt in seinem Wahlwerbespot mit Verwaltungserfahrung und blickt stolz auf die Stadtentwicklung der letzten Jahre zurück. Bildsprachlich wird dabei der Bogen von der Vergangenheit in die Moderne, von der Aktenfresserei zur transparenten Verwaltung geschlagen: Blättert der Dezernent noch anfangs in einer Aktenmappe, so wischt er wenige Augenblicke später gekonnt über sein Tablet. Auch der weiße Bauhelm, der in mehreren Szenen mal mehr, mal weniger subtil zum Einsatz kommt, gehört zu diesen Insignien der Gestaltungsmacht, mit denen dem Publikum unterschwellig vorgeführt wird, wer hier anpackt.

https://www.youtube.com/watch?v=FS_fHvC0UuM

So handfest die Inszenierung auch ist, inhaltlich bleibt die Bewerbung leider relativ schwammig. Befreit man die Vorschläge Hochheims von jenen Phrasen, die zwar modern klingen, aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht oder nur kaum mit Inhalt gefüllt wurden — dazu gehören zum Beispiel die „Stärkung des Ehrenamts“, die „zeitgemäßen Konzepte für Stadtentwicklung“, die „transparente Verwaltung“, die „attraktiven Schulen“, die „leistungsfähige Universität“, der „Gedankenaustausch mit Wirtschaft und Universität“ oder ganz klassisch: „mehr Bürgerbeteiligung“ — dann bleibt relativ wenig des Gesagten übrig, das meiste davon verbleibt unkonkret und angedeutet. Oder können Sie nach dem Ansehen des Videos genauer erklären, mit welchen Mitteln der Oberbürgermeister die „Verbundenheit aller Generationen“ fördern will? Zwischen den beiden Polen intergeneratives Wohnprojekt und Seniorenrave ist schließlich viel Platz! Sicher ist deswegen nur eine Sache: Mit Hochheim als Oberbürgermeister wird es auch außerhalb der offiziellen Termine Bürgersprechzeiten geben — das ist doch schon mal was!

Mobilmachung — ein Mann und sein Fahrrad

Was dem Baudezernenten sein Helm, ist dem Grünen sein Fahrrad. Stefan Fassbinder, der gemeinsame Kandidat von Grünen, Linke, SPD und der Piratenpartei, schafft es tatsächlich, dass in fast 40 Prozent des gesamten Films ein Fahrrad zu sehen ist. Wo Hochheim im Sitzen auf das Geschaffene zurückblickt und dabei mal auf einer Parkbank Platz nimmt, dann wieder auf seinem Bürostuhl, aber mehr als die Hälfte des Films sitzend dargestellt wird, dynamisiert der am Pommerschen Landesmuseum angestellte Historiker spürbar und macht deutlich, wer seine Pobacken zusammenkneifen und fest in den Fahrradsattel drücken will.

Mit diesem Veränderungsversprechen bringt sich Fassbinder natürlich in die Bringepflicht, seine Vorhaben zu konkretisieren. Das gelingt ihm zumindest in dem Wahlwerbespot besser als seinem christdemokratischen Rivalen. Auf den Punkt gebracht sind das zum Beispiel die Forderung einer kommunalen Mietpreisbremse und das große Thema „Mobilität für Alle“, das mit einigen konkreten Ideen unterfüttert wird: intelligente Verbindung verschiedener Verkehrsmittel, Ausbau der Radverkehrsachse, Radstation am Bahnhof, Reparatur von Fußwegen. Der Wunsch, „dass wir in unserem Ryck wieder baden können!“ klingt zwar ein bisschen nach Leslie Nielsens Vision in der Nackten Kanone 2½, der einen großen Schluck aus einer Toilette trinken wollte, ohne anschließend Ausschlag zu bekommen, aber man wird ja nochmal träumen dürfen!

Am 26. April wird in Greifswald ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Wer soll neuer OB werden?

  • Stefan Fassbinder (Die Grünen) (45%, 291 Votes)
  • Björn Wieland (Die Partei) (35%, 225 Votes)
  • Jörg Hochheim (CDU) (21%, 136 Votes)

Total Voters: 652

Wird geladen ... Wird geladen ...

Podiumsdiskussion zur OB-Wahl

Die Ostsee-Zeitung veranstaltet am Donnerstag, 9. April, um 19 Uhr im St. Spiritus eine Podiumsdiskussion zur OB-Wahl 2015, bei der alle drei Kandidaten Rede und Antwort stehen werden.

16 Gedanken zu „OB-Wahl 2015: Die Wahlwerbespots der beiden Favoriten

  1. Hallo Jockel,

    was mich ja interessiert hätte: Darf der das? Herr Hochheim wirbt in seinem Büro, dies ist aber kein privater Ort, um ein Amt?

    Ist fast genauso schön, wie der Fakt, dass auf dem Wahlzettel als Berufsbezeichung „1. Stellvertretender Bürgermeister“ steht. Wenigsten Wieland hätte ich zugetraut, dass er dann komödiantisch drauf schreibt „Präsident des Studienrendenparlaments der Universität zu Greifswald“. Klingt auch irgendwie cooler….

    Beste Grüße vom Franz

    1. Zwei interessante Punkte in den Blog geworfen, die genau deshalb eine kurze Beantwortung verdient haben:

      Leider “darf der das“ wohl. Der Dreh eines Wahlwerbespots am Arbeitsplatz dürfte schlimmstenfalls in die Grauzone dieser Rechtsprechung von 1982 fallen.

      Die Anmerkung zu der Berufsbezeichnung fällt leider auch in eine akzeptierte – vereinzelt protestierte – Grauzone.
      Gewissenhaft: Zwei Kandidaten – einer davon bekennender Satiriker(!) und ehrlicher Hund – lassen diese Grauzone aus und bezeichnen ihre Berufe als Student beziehungsweise Historiker.
      Gewollt und gekonnt: Ein Kandidat tauscht die Berufsbezeichnung, die etwas belastend nach „Bauen im großen Stil“ klingt durch den Vertretertitel 1. Vize-OB, der dem Wähler „legitime Thronfolge“ verspricht. Viele der bis zum Ende unentschlossenen Wähler dürften genau dort ihr Kreuzchen setzen.

      „Bleibt die Frage – wie kommt Scheiße auf’s Dach?“ und für alle Wahlberechtigte in dieser Stadt: Wählt man für uns Alle den Vize-OB zum OB?

      -FIN-

  2. „Der Wunsch, “dass wir in unserem Ryck wieder baden können!” klingt zwar ein bisschen nach Leslie Nielsens Vision in der Nackten Kanone 2½, der einen großen Schluck aus einer Toilette trinken wollte, ohne anschließend Ausschlag zu bekommen, aber man wird ja nochmal träumen dürfen!“

    Wer möchte schon an einem WC wohnen?
    Aber auch Du tust es.
    Botschaft verstanden?! Prima.

  3. Danke Jockel – für diese lesenswerte inhaltliche Analyse der Wahlwerbung.

    Also ich finde ja diesen videolosen PARTEI -Freund mit seiner ideenreichen Schlagfertigkeit herausragend. Der Claim »Guter Kleister lohnt sich« kommentiert die Situation scharfsinnig witzig und ist erfrischend doppeldeutig – toll, das ist mal was!
    Die kitschige Musik – die im CDU-Spot ab der 60. Sekunde plötzlich durch die Gehörgänge rollt – ist als Hintergrundmusik viel zu schnell und zu laut eingespielt. Hier wurde anscheinend versucht die dynamische Seite des Kandidaten zu bevertonen .
    Die kitschige Musik – die im Grünen, Linke, SPD, Piratenpartei-Spot zum Glück nur bis zur 25. Sekunde andauert – betont zwar die dynamischen Seite des Kandidaten – ist aber bereits mit seinem Fahrrad mehr als ausreichend rübergebracht.

    Wir du bereits angemerkt hast, sind beide Spots im gleichen Stil abgedreht und mit nahezu identischer Musik bespielt. Das finde ich mehr als dürftig – vor allem Kandidat 2 hat mit dem Werbespot keine Chance genutzt, sich zu profilieren und vom Favoriten abzugrenzen [abgesehen von: ich sitzt gern auf dem Fahrrad / der andere sitzt gern woanders].
    Dass eine Produktionsfirma (aus Mangel an Alternativen?) beide Filme produzierte, kann bestenfalls als Ausrede herhalten, denn der Auftraggeber kann Einfluss auf die Dreharbeiten nehmen und somit sein Profil schärfen.
    Beide Spots rauben sich selbst und gegenseitig ihre Glaubwürdigkeit und qualifizieren sich problemlos für dieses amüsante und sehr wahre Werbespot-Roulette (kurzweilige Spielerei).

    Da mir als Wähler mit solchen SpPlots eher das Gefühl vermittelt wird, dass die Würfel längst gefallen sind, stelle ich mir folgendes worstcase vor: ein Ringelpietz zweier kampfmüder Kandidaten löst eine epidemische Wahlmüdigkeit aus und dann – plötzlich – der lachende Dritte namens Wieland steigt wie Phoenix aus der Asche und wird neuer König dieser doch recht schönen Stadt! Ich weiß, undenkbar – aber trotzdem ein interessantes Szenario 😉

    Dein Vergleich der Phrase »Ich möchte, dass wir in unserem Ryck wieder bade können« mit dem Filmzitat »Ich möchte eine Welt in der ich aus einer Toilette trinken kann ohne Ausschlag zu kriegen!« ist herrlich; absolute Weltkasse! Für alle Wenigen, die diese Szene nicht kennen hier der Link zum Filmausschnitt .

    -FIN-

    1. Ich befürchte, hier werden die Möglichkeiten eines Wahlwerbespots überschätzt. Ich denke, so ein Spot kann höchstens neugierig auf einen Kandidaten machen oder aber abschrecken. Sollte ersteres zutreffen, könnte man sich dann das Wahlprogramm ansehen (www.stefan-fassbinder.de) oder sich versuchen bei öffentlichen Veranstaltungen ein Bild von dem Kandidaten zu machen.

  4. In der Umfrage am Ende fehlt eindeutig die Option „Keiner der Kandidaten“. Ich bin Studentin, die demnächst einen Job braucht und gern hier bleiben würde und fühle mich von keinem der Kandidaten gut vertreten.

    1. Pro Tip: CDU-Mitglied werden, der Pate sorgt für seine Schäfchen.

      Im ernst: Ein OB kann Dir direkt keinen Job basteln und dafür sorgen (außer, siehe oben vllt.) und das ist auch nicht die Aufgabe eines OB.
      Der OB kann bestenfalls fünf Dinge tun, die die Wirtschaft vor Ort ankurbeln und dadurch Arbeitsplätze entstehen lassen:
      1.) Um Investitionen bei irgendwelchen Investoren betteln
      2.) Auf den Rosinenbomber voller Geld warten
      3.) Aktiv in die regionale Wirtschaft eingreifen, indem er kommunale Unternehmen aufbaut, die Dinge tun, die für den privaten Sektor zu risikoreich sindoder zu geringe Renditen abwerfen. (beides soll es ja lt. gängiger Theorie und neoliberalem Geschwurbel eingentlich nicht geben)
      4.) kommunale Investitionen über Kreditaufnahme ankurbeln, die dann wieder zu einem weiteren Aufbau der Wirtschaft führen (nur sehr begrenzt möglich)
      5.) den politisch gestaltbaren Rahmen so ändern, dass mehr Kohle vor Ort verbleibt, also das Gegenteil von Globalisierung (Regionalisierung)

      Bei Hochheim geht es vor allem um Pkt. 1 und 2. Wenn es dann doch mal um mehr geht, dann maximal Pkt. 4, wenn die Buddies aus der eigenen Reihe mal wieder was abbekommen.
      Bestes Beispiel: „Grundstücke sollen lieber von privaten Investoren bebaut werden“, mit den entsprechend hohen späteren Mieten natürlich. Was soll er denn auch anderes machen, seinen Buddies gehört die halbe Innenstadt.
      Er möchte auch gerne auf „Hochtechnologieunternehmen“ warten oder vielleicht betteln (aka werben).
      „Man kann nur soviel ausgeben wie man hat“. Nee, man kann auch sinnvolle Kredite aufnehmen. Zumal Geld die Kommune heutzutage fast nichts „kostet“. O-Töne Hocheim am 9.4.15 im St. Spiritus.

      Bei Fassbinder dreht es sich vor allem um die Punkte drei, vier und fünf.
      Bsp: Was bedeutet die Verringerung des Autoverkehrs (Pkt 5)? In Wirklichkeit das mehr Geld in Greifswald bleibt, das dann hier vor Ort wieder anderweitig ausgegeben werden kann. Das Auto ist nun einmal der zweitgrößte Posten im Haushalt nach der Miete und die Kohle fließt fast komplett aus der Region ab. Sahnehäubchen wäre es, wenn das Geld danach vorrangig in regionale Produkte oder Dienstleistungen geht. Regionalisierung steht bei Fassbinder oben auf der Agenda. Unter Punkt drei und vier laufen zum Beispiel die Kitas und Schulen.

      Vllt. ist ja doch einer zu was nutze. Als OB braucht es vor allem Ideen und Visionen. Da sehe ich bei Hochheim leider tiefschwarz. Bei Fassbinder sieht es da deutlich besser aus, auch und gerade weil keine Verstrickungen, Seilschaften oder andere interne Hindernisse exisiteren, die einer vernünftigen in die Zukunft gerichteten Politik im Wege stehen.
      Da sieht es bei der CDU doch eher unterdurchschnittlich aus.

      Der einzige Kandidat der am 9.4. mit einer vernünftigen Antwort auf die Frage nach seiner Motivation aufwarten konnte war Hr. Wieland.

  5. Ich wage zu bezweifeln, dass ein erzkonservativer Grüner wie Fassbinder alternatives Leben in Greifswald wirklich fördern wird, seine Systemkonformität brachte er in der Vergangenheit häufig genug zum Ausdruck. Möglicherweise wird unter ihm aber weniger zerstört als unter einem CDU-Regenten; ausserdem gilt es CDU-Seilschaften zu stören, die Bau-Mafia zu lähmen und somit Hochheim zu verhindern…

    Deshalb präferiere ich die Variante Wieland zu wählen und sollte es zur Stichwahl zwischen F. & H. kommen auf Fassbinder umzuschwenken.

  6. Da ja auch der Lokalpresse eine sehr große Bedeutung im Wahlkampf zugesprochen wird, lohnt sich auch eine kleine Analyse der dortigen abgedruckten »Werbespots». Ich war mal so frei. 😉
    ______________

    Nach eingehender Betrachtung der Greifswalder OZ-Lokalausgaben vom 13. bis 17. April kann man eine Woche vor der Wahl folgendes resümieren:

    1.)
    Bis zum 17. April gab es (noch) keine totale Meinungsmache für die CDU. Man konnte in diesen Tagen sogar einen abwatschenden Nebensatz zu einer Pressemitteilung aus dem CDU-Lager lesen: „ … motzt die CDU in einer Pressemitteilung …“ (OZ, 16. April 2015).

    2.)
    Viel wichtiger – es gab in dieser Woche von allen drei Kandidaten Porträts zu lesen – von derselben Redakteurin verfasst und immer halbseitig auf Seite 3 im Lokalteil abgedruckt. So wird dem Leser eindrucksvoll Fairness bei der Presseberichterstattung im Wahlkampf vermittelt. Diese drei Porträts seien nun etwas näher betrachtet:

    13. April – Herr Fassbinder wird vorgestellt:
    Ein unaufgeregtes Porträt, das den bis dahin – für einen „Grünen“ – ziemlich farblosen Kandidaten ganz sympathisch rüber bringt. Er ist Familienvater mit Familienbus(!), der brav den Müll wegbringen muss, aber sich sonst eher bei der Hausarbeit zurück halten darf – außer es treibt ihn seine Kochleidenschaft. Ein paar interessante Ticks hat der Kandidat auch zu bieten – und er hört gern Balkanrock(!). Seine Frau und seine vier Kinder werden angenehm unaufdringlich am Rande erwähnt und müssen nicht mit aufs Foto – im Gegensatz zur niedliche Familienkatze.

    Bemerkenswert:
    Im gesamten Lokalteil sind – demonstrativ(!) – weder der Name des ärgsten Konkurrenten noch dessen Parteikürzel zu lesen, was bei beiden konkurrierenden Porträts nicht so gehandhabt wurde.
    ______________

    15. April – Herr Wieland wird vorgestellt:
    Wielands Porträt muss man einfach mögen. Der nette Student von nebenan, der noch einwandfreie Visionen hat. Mich persönlich hat sein Wahlversprechen überzeugt, dass er bei einer Niederlage Lehrer werden will. Ich möchte deshalb, dass er verliert! Wir brauchen in MV Pädagogen –sehr gute davon und das so schnell wie möglich. Also Herr Wieland, werden Sie besser ein wunderbarer Pauker und bleiben Sie MV treu!

    Bemerkenswert:
    »DIE PARTEI« ist die Partei Wielands – wird aber als solche nicht korrekt in ihren Großbuchstaben genannt. Stattdessen schreibt die OZ lieber dreimal das Wort: Satirepartei in den Artikel.
    Wielands Porträt wurde als Einziges nicht auf der OZ-Titelseite als ein »Thema des Tages« angekündigt. Zum »Thema des Tages« avancierten stattdessen auch nicht die peinliche Wahlkampfschlacht zum »Stadion« oder der wichtige »Beschluss zur Mietpreisbremse«. Nein, keines der Wahlkampfthemen wurde zum »Thema des Tages« gekürt, sondern ein bündiger Artikel zum »25-jährigen Bestehen des Stadtsportbundes«. Mmhmh – Na jedenfalls ist hier wohl ein Versehen der Lokalpresse festzustellen, die auch Wielands Porträt hätte zum »Thema des Tages« auswählen müssen. [Unterstellen könnte man Absicht, um den stetig gefährlicher werdenden Wieland zu schwächen.]
    ______________

    17. April – Herr Hochheim wird vorgestellt:
    Jetzt könnten Kritiker lamentieren, dass ausgerechnet der CDU-Kandidat als Letzter – sozusagen als Headliner – auftreten durfte. Doch für diesen Lapsus entschädigt die OZ den kritischen Leser mit einer ausgezeichnet gewählten Überschrift. Dieser Titel – ein OZ-Juwel – gibt ein inhaltliches Versprechen gegenüber dem Leser ab:
    »Baudezernent tischt auf«.
    Natürlich soll sich auch ein CDU-Kandidat als “Jemand wie du ich“ präsentieren dürfen – aber was die OZ dieses Mal daraus macht ist hervorragende Satire:
    Bereits das großformatige Fotomotiv »Kein Zweiter kippt besser Kaffee aus Kanne in Tasse« hätte das Zeug zum Titelbild einer Lokalausgabe der TITANIC!, die es trotz Wieland – leider nicht gibt Aber es gibt eine OZ, die am 17. April 2015 eindrucksvoll beweist, dass sie das Satire-Vakuum in der lokalen Presselandschaft durchaus selbst füllen kann:
    Mit dem komplett überzeichnete Text vom netten Nachbarn, der Spülmaschinen-Einräumprofi, Grillmeister, Entspannungsprofi (mit Eckcouch), Shopping-Muffel, Autozeitschriftenleser und Tänzer in Einem ist. Da bekommt man das Schmunzeln gerade so unter Kontrolle und muss dann losprusten, weil aus dem Multitalent auch noch der „Vater, der ehrlich(!) zugibt, dass er an der Hochzeit seiner Tochter zu knabbern hatte.“ gemacht wird. Das ist Satire vom Feinsten – in Greifswald weiß man doch, dass der CDU-Kandidat einer der Urheber/Schwiegerväter »der schwärzesten Hochzeit in Vorpommern« ist! Auf die standesgemäße Hochzeit sei hier mit kurzweiligen Blog- und Zeitungsartikel verwiesen.

    Bemerkenswert:
    Die OZ berichtet auf derselben Seite – demonstrativ(!) – unter dem Porträt von der Stippvisite des Bundesvorsitzenden der Grünen. Diese Berichterstattung ist so dermaßen lapidar runtergespult und der Wahlkampfhelfer sehr lakonisch zitiert, dass man hier parteiliche Berichterstattung feststellen muss.
    Zudem ist die Art und Weise wie von dem Grünen-Chef auf Bundesebene zu berichtet wird dahingehend unsportlich, weil für den ersten prominenten CDU-Besuch – demonstrativ(!) –die erste Seite im Lokalteil am 16. April frei geräumt wurde. Dabei kommt der CDU-Topstar erst am Montag (in die Zeitung) und man kann sich ausrechnen, dass von der Stippvisite der Kanzlerin auf mindestens zwei Lokalseiten berichtet werden wird …

    ______________

    Wie dem auch sei:
    Für aufmerksame OZ-Leser/innen können sich nach Schmökern des lustigen letzten Porträts eigentlich nur zwei Deutungen ergeben. Entweder: Der CDU-Kandidat hält die OZ-Leserschaft mehrheitlich aber für sehr dösig im Kopf. Oder aber – spannender: Der CDU-Kandidat macht jetzt Satire – der will die Stimmen von dem Wieland!

    Die Satire-Strategie jedenfalls setzte die OZ gestern konsequent fort und verblüffte die Leserschaft mit der Überschrift »CDU-Kandidat ist für die Mietpreisbremse« und dem Zitat »Ich rettete die Stralsunder Straße 10 vor dem Abriss« (neben einem Foto vom CDU-Kandidaten).
    Man darf gespannt sein, was sich die PR-Strategen der anderen beiden Lager einfallen lassen. Gerade von einem Herrn Wieland dürfte die CDU für ihre Grenzüberschreitung einiges zu befürchten haben!

    Morgen kommt erstmal die Kanzlerin (in die Zeitung).
    Aber wenn »Mutti« wieder weg ist – dann ist alles erlaubt! Dann heißt es wieder: Feuer frei aus allen Lagern für Konfetti-, und Schlammschlachten! . (oder: Wir machen Wahlkampf, Yeah!)

    1. Ich bin beeindruckt. Vor allem haben Sie einige Kleinigkeiten bemerkt, die mir so noch nicht aufgefallen sind und das Gesamtbild doch etwas anders aussehen lassen, als ich es bis jetzt gelesen habe.

      Insbesondere die Nichtnennung der anderen Partien am 13.4. ist mir völlig entgangen, sogar beim OB.
      Das Portait Hochheims als Satire aufzufassen ist ein netter Ansatz und macht auch Sinn. Allerdings ist Sie mir nicht gleich so dermaßen ins Auge gesprungen, dass man es zwangsläufig so interpretieren müsste.
      In Verbindung mit dem Artikel über Fassbinder und Özdemir bei ml&s ergibt sich die Deutung dann aber fast zwingend. Der war wirklich herrlich. „Wahnsinn“

      Ihrem Fazit, dass Hochheim jetzt satirische Anwandlungen hat,möchte ich allerdings eher nicht folgen, dazu war er bis jetzt immer zu holprig.

      OZ 20.4. „Mutti“ ganz unten, lediglich eine Viertelseite. Da ist man von der OZ ja sonst anderes gewohnt. Keine zweiter Artikel, dafür auf der überregionalen Seite 1: „CDU bangt um ihre Oberbürgermeister“. Hat die OZ-Redaktion am Wochenende mal frei gehabt? Wäre denen ja auch einmal zu wünschen.

      Wie dem auch sei, ich danke Ihen für die andere Perspektive.

    2. Etwas Zahlenspielerei:
      Google-Suche* nach: OB-Kandidat Greifswald OB-Wahl site:ostsee-zeitung.de im letzten Monat am 21.4.2015

      Hochheim: 6-Seiten Treffer
      https://encrypted.google.com/search?hl=en&sclient=psy-ab&q=CDU+Ostsee-zeitung&btnG=&oq=&gs_l=&pbx=1#q=!%28Hochheim+Greifswald+OB+Wahl%29++site:ostsee-zeitung.de&hl=de&tbs=qdr:m&start=0

      Fassbinder: 1-Seite Teffer
      https://encrypted.google.com/search?q=!%28Hochheim+Greifswald+OB+Wahl%29++site:ostsee-zeitung.de&hl=de&tbs=qdr:m&start=0&ei=Qg42VY2NHMvPaPnTgBg#hl=de&tbs=qdr:m&q=!%28Fassbinder+Greifswald+OB+Wahl%29++site:ostsee-zeitung.de

      Wieland: 3 Treffer
      https://encrypted.google.com/search?q=!%28Hochheim+Greifswald+OB+Wahl%29++site:ostsee-zeitung.de&hl=de&tbs=qdr:m&start=0&ei=Qg42VY2NHMvPaPnTgBg#hl=de&tbs=qdr:m&q=!%28Wieland+Greifswald+OB+Wahl%29++site:ostsee-zeitung.de

      Gegenprobe auf ostsee-zeitung.de
      Suche nach: Greifswald OB-Wahl im letzten Monat

      Hocheim: 55 Treffer
      Fassbinder: 44 Treffer
      Wieland: 21 Treffer

      *Eine wortgetreue-Suche schrumpft die Anzahl der Treffer auf ca. zwei Seiten pro Kandidat ein. Aber wer macht das schon?

  7. Herr Fassbinder,
    bitte sprechen Sie von „GreiFswaldern“ und nicht von „Greiswaldern“ auch wenn das meine Mitbürger selbst häufig so sagen.
    Danke!

  8. @Räuber:

    OZ 20.4. “Mutti” ganz unten, lediglich eine Viertelseite. Da ist man von der OZ ja sonst anderes gewohnt.

    Ja – das war wirklich verwunderlich. Aber heute – 21. April – gab es auf der Titelseite einen leckeren Nachschlag, den man als Wahlkampfhilfe deuten könnte. Anderseits ist es plumpe und sehr effektive Schleichwerbung für einen Fischladen! Ich tendiere zu letzterem –Firmenbezeichnung, Produktnennung und unsere »Mutti« als Testimonial. Der absolute Wahnsinn! In Summe nennt man so was – wenn ich das richtig verstanden habe – Advetorial

    Ihrem Fazit, dass Hochheim jetzt satirische Anwandlungen hat,möchte ich allerdings eher nicht folgen, dazu war er bis jetzt immer zu holprig.

    Korrekt, dass Sie meinem Fazit nicht folgen möchten. Zumindest dieses „Vater-hatte-an-Hochzeit-zu-knabbern“ wäre ein zu deutliches „Für-Dumm-Verkaufen“ des OZ-Lesers geweseb. Das war keine Satire. Und als OB-Kandidat unterstellt man der Mehrheit auch kein schwaches Erinnerungsvermögen (die besagte Hochzeit er[!] ist erst knapp zwei Jahre her). Das hat der OB-Kandidat wahrscheinlich niemals so gesagt. Nein – oder doch? Bei der von Ihnen gemutmaßten „Holprigkeit“ des Kandidaten könnte es ja so ein „Holpala – Scheiße, das wollte ich so gar nicht sagen – Ding“ gewesen sein.
    Ach nein – wir bleiben fair und befreien den OB-Kandidaten von dem bösen Verdacht, dass er das wirklich so gesagt hat und schieben das lieber der OZ in die Schuhe, die zwar keinen Quoten- aber bestimmt enormen Zeitdruck hatte und diesen Quatsch – ohne Gegenlesen des Porträtierten – einfach abgedruckt hat! Schließlich löscht doch jemand, der um mehrheitliches Vertrauen buhlt so einen – vor Unehrlichkeit triefenden – Satz, ob nun gesagt oder nicht.
    Zur Ehrenrettung des Kandidaten sei hier ein – aus dem Zusammenhang gerissenes – Zitat von Herrn Wagner (Die Anstalt) als Rettungsring geworfen: „[…]die Nachrichten machen manchmal unfreiwillig Satire“.

    Etwas Zahlenspielerei:

    Diese Zahlenspielerei war bestimmt aufwendig – find ich aber eher mäßig interessant. Das Internet ist doch das Einfallstor zu einer freien Meinungsbildung. Im Internet kann man auf unserem Längengrad – auch mit wenig Ambition – alles nachlesen, was man möchte, man muss keine Mainstream-Medien futtern. Selbst recherchieren, nachhaken, selbst eine Meinung bilden – und sogar aus der Deckung anderen Meinungen contra geben – all das bietet das Netz! Und damit wären wir wieder bei meiner Ausgangsthese angelangt:Wir sind hier nicht in Pjöngjang, – und werden es auch niemals sein.

    Bevor wir uns in unendliche Diskussionen verrennen – ich bin einfach nur für bezahlbare Buden in Greifswald*, in Relation zum Durchschnitts-Einkommen*, wie z. B. in München* – verabschiede ich mich und freue mich auf den vermutlich morgen erscheinenden Headliner hier im Blog.
    Dann ist gibt’s hier endlich unterhaltsamen Wahlkampf, Yeah!

    * Eine „Zahlenspielerei“ aus 2012 (Quelle: Grafik)
    München, Wohnung mit mittleren Wohnwert bei 70m²
    Nettokaltmiete: 10,70 EUR/m ² / Gesamtmiete: 914,- EUR
    Nettohaushaltseinkommen: 3.858,- EUR/Monat
    Relation Miete/Einkommen: 23,7%
    (Diesen wichtigen Prozentsatz bekommt man für HGW nicht so einfach ausgerechnet – kann man sich aber denken. Deshalb muss allein schon das Aufmucken des Malermeisters mit seinen süffisanten Kommentaren zur sozialen Wirkung gegen die „Mietpreisbremse“– vollkommen ungeachtet ihrer Wirksamkeit – Grund genug sein, das Kreuz nicht bei „Weiter so!“ zu setzen. Ein neuer seriös wirkender OB-Kandidat aus demselben Lager kann einfach nichts Gutes für den Wohnungsmarkt im [Hoch]Schild führen, selbst wenn er wollte.)

    -FIN-
    [Es war mir eine Ehre, Räuber 🙂 ]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert