Der erste Prozess gegen eine Hausbesetzerin der Brinkstraße 16/17 vor dem Greifswalder Amtsgericht endete, bevor er beginnen konnte.
Gegen die Zahlung einer geringen Geldauflage wurde gestern das Verfahren wegen Hausfriedensbruch gegen eine der Hausbesetzerinnen eingestellt, die im Herbst 2014 sechs Wochen lang das Gebäudeensemble in der Brinkstraße 16/17 bewohnten, um auf diese Weise gegen die Vernichtung von bezahlbarem Wohn- und Kulturraum zu protestieren und den drohenden Abriss des Gebäudes zu verhindern.
Räumung der Brinkstraße 16/17 (Foto: privat)
Besetzerin versteckte sich in Zwischenboden
Als Hauptgrund für die Einstellung dieses und weiterer fünf Verfahren in diesem Zusammenhang benennt eine Unterstützergruppe in einer Pressemitteilung die dürftige Anklage. Die zuständige Staatsanwaltschaft stimmte der Verfahrenseinstellung zu. Obwohl die Verhandlung abgesagt wurde, trafen sich heute Unterstützerinnen der Angeklagten vor dem Amtsgericht und thematisierten die Besetzung und deren Räumung. Dabei wurden auch Erfahrungsberichte der Angeklagten verlesen, in denen die Räumung als Zerstörungsakt beschrieben wurde. Weiterhin wurde von „Beleidigungen durch Polizist_innen und einer Person, die geschlagen wurde“, berichtet.
In einer Pressemitteilung wird erwähnt, dass sich eine Besetzerin in einem Zwischenboden des Hauses versteckt und sich durch ein Metallrohr mit einer anderen Person zusammengekettet hätte. Nach einigem Suchen wären die beiden von der Polizei gefunden und aus dem Gebäude geführt worden.
In diesem Zwischenboden soll sich eine der Hausbesetzerinnen versteckt haben (Foto: Fleischervorstadt-Blog, 11/2014)
In der Pressemitteilung wird wiederholt das Vorgehen der Polizei kritisiert. So hätten sich die Hausbesetzer und ihre Unterstützerinnen zwar an ihren passiven Aktionskonsens gehalten, demnach keine Eskalation von ihrer Seite ausgehen sollte, doch wurden sie zwischenzeitlich als mit Reizgas und Messern Bewaffnete kriminalisiert. Abermals wird darauf hingewiesen, dass beim unmittelbar auf die Räumung folgenden Teilabriss weder Strom noch Gas abgestellt wurden und das Obergeschoss eingerissen wurde, während sich noch Personen darunter im legal gemieteten Bioladen im Erdgeschoss aufhielten.
„Häuser besetzen heißt wohnen und wohnen ist notwendig!“
Eine Strafanzeige gegen das Abrissunternehmen soll eingestellt worden sein, weil die Polizei sich um den Schutz der Personen gekümmert habe. „Sie hat jedoch lediglich die Mahnwache verlegt, während auf Personen im Haus keine Rücksicht genommen wurde. Schließlich musste der symbolisch wichtige Abriss unbedingt durchgeführt werden“, heißt es in der Erklärung der Unterstützerinnengruppe, die mit einer antikapitalistischen Polemik endet:
„In einer kapitalistischen Gesellschaft ist Eigentum ein höheres Gut, als die Interessen der Bürger_innen. Und wenn es nötig ist, wird dieses Recht mit Gewalt durchgesetzt. Wir sehen das Profitinteresse eines einzelnen Investors nach wie vor nicht als wichtiger an, als den Wunsch vieler Menschen nach einem Stadtteilzentrum, nach günstigem Wohnraum und einem Freiraum. Greifswald braucht mehr sozialen Wohnraum und eine Besetzung ist ein Weg unter vielen, diesen zu schaffen. Solange wir nicht in einer Gesellschaft leben, die auf Kooperation basiert, müssen wir uns eben nehmen was wir brauchen und damit auch die Widersprüche aufzeigen, die existieren. Hausbesetzung ist nicht kriminell! Häuser besetzen heißt wohnen und wohnen ist notwendig!“
Der Traum ist aus. Pressegespräch nach der Räumung (Foto: Fleischervorstadt-Blog, 11/2014)
Zwei weitere Prozesse gegen Hausbesetzerinnen der Brinkstraße 16/17 stehen noch aus. Die Prozesstermine sind bislang nicht bekannt.